HUBERT VON GOISERN "Ausland" (2005)
Volksmusik und Konzertreise
Zwei Jahre nach Trad II kommt nun die nächste Breitseite in Sachen Wettgähnen. Sozusagen "Episode III". Hubert von Goisern führt uns schon wieder auf die Wege seiner Vorfahren zurück, um uns deren Jodler und Liedgut näher zu bringen. Diesmal ist die Live-Version der TRAD II Tournee (sowie einige Lieder von älteren Werken) dran, und ich hatte (vergeblich) gehofft, dass die Lieder, im Gegensatz zur Studio-Version, vielleicht zwei bis drei Portionen mehr Dampf auf die Matte bringen würden.
Der erste Track "eiszapfen" begrub aber jede Hoffnung umgehend, und "iawaramoi" bestätigte die Ernüchterung umgehend. Vor zehn Jahren hörte sich der "Steirer" etwas anders an. Da ging noch voll der Berg ab! Ebenso bei der hinreißenden Alpengranate "Benni" (Aufgeigen statt niederschiassen 1992) oder dem unvergessenen Brüller "Goassbeitl-Bauernbuam" (OMUNDUNTN 1994). Was ist bloß aus den einstigen Dachlawinen geworden? Ich gebe ja gerne zu, dass ich mit dem gewaltigen Bremsmanöver seit Episode I einfach nicht klar komme. Die Lieder sind einfach langweilig, und sie taugen in meinem Fall nicht einmal als Schlaftabletten. Sorry - ist so - aber ich will mich nicht weiter aufregen...
Einzig der "schönberger" kann mich (wie schon in TRAD II) durch seine Sinnlichkeit überzeugen (und Herr Lässer erst recht!!!). Ein kleines Meisterwerk der leisen Töne, das einen Weg in die Unendlichkeit zu öffnen scheint! Hier musiziert sich die Kapelle in eine absolute und endgültige Harmonie! Anführer ist ein paradiesischer Endzeit-Jodler, begleitet von Gefährten, die mit ihren Instrumenten mehr als verzaubern. Das könnte endlos so weiter gehen... und ist heute schon ein Klassiker! Leider zerstört das letzte Lied "wann i durchgeh" die fast mystische Stimmung wieder... aber dann ist es ja zu Ende... Man darf jetzt hoffen, dass die "stadltür" nun endgültig geschlossen wurde. Dabei begann mit Trad I (wie gesagt) ein durchaus interessantes Projekt. Der Rückblick auf Traditionen und die damit verbundene bescheidene Reduktion auf das Wesentliche erlaubte uns, zu den Wurzeln eines Künstlers zu reisen bzw. diese zu verstehen! Das Album hätte für sich eine Sonderstellung einnehmen - ja Kult-Status erwerben können - wenn die beiden Fortsetzungen nicht wären. Man entschied sich (wohl auch aus kommerziellen Gründen), den erfolgreichen Rückwärtsgang fortzuführen, um nicht zuletzt auch breitere Publikumsschichten zu bedienen, was mit rund 100 Konzerten eindrucksvoll gelang.
Nun muss dies aber nicht für jeden nachvollziehbar sein. Andererseits kann ich es aber selbst nicht leiden, wenn sich gewisse Hardliner immer nur an den älteren Werken ihrer Lieblinge ergötzen und jede Richtungsänderung strikt ablehnen. Aber in diesem Fall...
Klar, dass sich ein Künstler weiterentwickelt. Aber doch bitte nicht rückwärts. Auch klar, dass Hubert von Goisern nicht eine "Alpine Lawine" nach der anderen produzieren will. Aber es gibt und gab sicherlich genug andere Möglichkeiten der kreativen Evolution, was Alben wie "iwasig", "FÖN", "Inexil" und "Gombe" eindrucksvoll bewiesen haben... - nun gut.
Die Zuletztgenannte bildet eine wunderbare Überleitung zur DVD "Warten auf Timbuktu". Es ging also wiedermal nach Afrika. Im Gegensatz zur DVD "Grenzenlos" (2003), welche die abenteuerliche Reise nach Ägypten, Kap Verde, Senegal und Burkina Faso schilderte, kommt der erneute Reisebericht ebenfalls recht reduziert daher. Wieso? Das fängt beim bescheidenen Menü (hüstel) an, und setzt sich in bewegten Bildern fort, die stellenweise einem gewöhnlichen Urlaubsvideo ähneln. Man fliegt, fährt und schippert halt in der Gegend umanand und filmt fleißig Land und (staunende) Einheimische...
Allerdings gibt es (mindestens) zwei absolute Highlights, die nicht unerwähnt bleiben dürfen! Allen voran der Auftritt auf dem "Festival Au Desert" in Mali! Es ist schon eine verdammt schräge Nummer, wenn Hubert auf der (improvisierten) Bühne -mitten in der Wüste- mit dem afrikanischen Sänger BIL AKAKORA ausgerechnet sein "Hiatamadl" bringt!! Hier prallen nun wirklich mehrere Welten gleichzeitig aufeinander! Einfach herrlich!!! Nicht minder krass ist das Zusammentreffen mit dem begnadeten BASEKOU KOUYATE ENSEMBLE! Diese blues-jazzigen "Fundamentalisten" haben's einfach drauf... und der Mann am Mikro ebenso...! Erstklassige Vorstellung!! Leider viel zu kurz... Nicht vergessen darf ich auch Herrn KELE TIGI, der eine ernstzunehmende Größe am Balafon darstellt. Die ersten (?) Takte der Cooperation mit einer Zieha waren noch etwas holprig, aber derlei Hürden überwanden beide Musiker "spielend"...
Von solchen musikalischen Begegnungen kann ich nicht genug bekommen, denn sie symbolisieren letztlich Huberts Träume und Utopien einer "globalen, solidarischen, resektvollen Gesellschaft". Ich bin unverschämt, und wünsche mir hiermit mehr davon. Und ich meine damit sowohl die multikulturellen Fusionen als auch die Realisierung der genannten Träume...!
Noch was zum Schluß: Nicht zum ersten Mal versuche ich mir vorzustellen, was wohl passieren würde, wenn Hubert von Goisern einmal Femi Kuti begegnen würde...!
Fazit: Ambivalentes Paket. Wir wissen jetzt endgültig, was Volksmusik ist. Schwamm drüber. Das Leben geht weiter, und wir richten unseren Blick jetzt wieder (erwartungsvoll) nach vorne...
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Tracklist:
01. Eiszapfen 02. Iawaramoi 03. Kohler 04. Benni 05. Stadltür 06. Halt oder... 07. Meraner 08. Da Schwoarze 09. Rote Wand 10. In´s Birig 11. Krippensteiner 12. Goassbeitlbauern 13. Abend spät 14. Schönberger 15. Wann i durchgeh
+ DVD "Warten auf Timbuktu" - ein Film über die Konzertreise nach Mali zum "Festival Au Desert" 2005
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Line-Up:
Bernd Bechtloff: Trommeln und Schlagwerk aller Art, Gesang Monika Drasch: Gesang, Geige, Dudelsack, Klarinette, Maultrommel, Schwegel, Zieharmonika (Kohler) Max Lässer: Gitarren, Mandoline, Dobro, Lapsteel, Lauda Arnulf Lindner: Bässe, Bariton-Gitarre, Gesang Marlene Schuen: Geige (nur DVD) Hubert von Goisern: Gesang, Gitarre, Zieharmonika, Flügelhorn, Schwegel, Mundharmonika, Gitarre
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