FEMI KUTI ""Live at the Shrine" (2004)
Afrobeat
"Musik ist die Waffe der Zukunft", glaubt Femi Kuti, der älteste Sohn von Fela Kuti, dem 1997 verstorbenen Erfinder des sog. Afrobeats. Er ruft zum Widerstand gegen das politische System in seinem Land auf. Anders als sein Vater, der permanenter Verfolgung ausgesetzt war, tut er dies aber in gemäßigteren Worten. Ein friedlicher Kampf gegen menschenunwürdige Zustände in Nigeria und Afrika überhaupt. Mitstreiter sind seine Band "The Positive Force" und seine immer weiter wachsende Gemeinde in Lagos... und dem schäbigen Rest der Welt...!
Gibt's eigentlich jemanden, der so eine Musik macht? Nein! Außer Daddy Fela natürlich. Dieser entwickelte die Idee des "African Shrine" als Zentrum des (musikalischen) Widerstandes gegen die landesweiten Mißstände. Während Fela die Örtlichkeiten stets wechselte, baute sein Sohn mit den Erlösen seiner CD-Veröffentlichungen eine feste Einrichtung - der Traum eines jeden Musikers. Fela lebt hier, probt hier und tritt hier auf... und zwar jede Woche, wenn er nicht gerade auf Tour ist! Privatleben und Bühne sind für ihn somit praktisch eins!
Seine Botschaften mit seiner Musik zu transportieren, ist Femis einziger Lebenszweck. Er steht hiermit in bester Tradition eines Bob Marley oder Hans Söllner, die ebenfalls mit ihren "Waffen" gegen Hass, Unterdrückung, Korruption und politische Mißstände in wohlbekannter Leidenschaft antraten und -im Falle von "Hansi" weiterhin recht "deutlich"- antreten. Die "Erfolge" bzw. ob es diese überhaupt gibt, mögen fraglich sein, denn wenn die einsamen Rufer die Köpfe derer nie erreichen, die etwas zu sagen haben, wird sich weiterhin wenig Entscheidendes tun. Somit scheint auch ein Femi Kuti dazu verurteilt zu sein, sich weiterhin umsonst die Seele aus dem Leib singen zu müssen. Wäre ja auch zu schön, wenn Musik die Welt verändern könnte. Die Idee ist ja nicht gerade neu, und der kopflastige Realist verdammt derlei Gedankengänge gar in kindlich-naive Regionen...
Im Falle von Femi Kuti wünscht man sich aber nichts sehnlicher als einen Sieg der Schwachen und Unterdrückten, denn dieser sympathische Wirbelwind, der zu 100% aus Musik zu bestehen scheint, weiß in jeder Hinsicht zu bewegen. Genau wie sein Vater vermag er den Reichtum an Afrikas ursprünglichen Klängen mit Elementen aus Soul, Funk, Rythm 'n' Blues, Hip Hop und Jazz zu fusionieren, so dass eine vollkommen neue und eigenständige Richtung entsteht, für die es im Moment leider keine passendere Umschreibung als "Afrobeat" gibt. Schon der eigentümliche Sound seines Vaters hat mich unglaublich fasziniert, weil es tatsächlich niemenden gab, der Vergleichbares zu Gehör brachte. Fela Anikulapo Kuti ist es gelungen, die Seele Afrikas zu vertonen!!! Eigentlich hätte schon damals ein Wunder geschehen können, denn einerseits bildete seine Musik ein Ventil für sein geplagtes Volk, aber auch Hoffnung, Zuversicht und Selbstbewusstsein - andererseits hätte es die Welt wecken und somit den Beginn von Veränderungen einleiten können...
"Natürlich" hat es nicht funktioniert, aber Femi hat diese unglaubliche Energie aufgefangen und lebt sie weiter! Es könnte die Rettung sein... und es wäre doch so einfach, ab morgen alles zu ändern...
Na gut - zur DVD an sich muss gesagt werden, dass ich kein Freund von Konzertschnipseln bzw. irgendwelchen Unterbrechungen bin. Ich will kein Gelaber und ich möchte keinen Dokumentarfilm sehen, sondern ein Konzert ohne jede Unterbrechungen. Den "Rest" kann man gefälligst in den Bonusbereich packen.
Nun ist es im Falle der "Sache", um die es geht, natürlich etwas anderes! Die Aufnahmen aus Lagos und der unmittelbaren Nachbarschaft des Shrines vermitteln sehr gut die Stimmungen, die in Femis Musik tagtäglich einfließen. Ohne diese kann er nicht leben und obwohl er es könnte, will er nicht von da weg, wo er hingehört. Daher ist der ständige Wechsel vom Live-Konzert in die mitunter traurige Realität mehr als nur sinnvoll, denn ein unmittelbarer Bezug wird damit umgehend hergestellt, handelt es sich hierbei doch um das unmittelbare soziale Umfeld Femis. Das ganze mehr oder weniger "unbedeutende" Drumherum um und in diesen "Shrine", der inzwischen zu einer Art "Sozialstation" und einem kulturellen Mittelpunkt gewachsen ist, ist nicht nur sehenswert, sondern zeigt sowohl in Bild und Sprache die Roots dieser Musik.
Fazit: Vielleicht die wichtigste Musik-DVD 2004! Unglaublich mutiges und intensives Rufen nach Gerechtigkeit in einem schier endlosen Meer aus Verzeiflung und Aussichtslosigkeit. Die verzweifelte Seele Afrikas schreit um Hilfe... und sie tut das augenzwinkernd und mit einem Lächeln im Gesicht...
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