CD-Review

HUBERT VON GOISERN "GOMBE" (1998)

Weltmusik


Lärmende Affen auf dem Dach des provisorischen Studios in Dharamsala (Indien) störten einst die Arbeit an den Aufnahmen des zeitgleich am 29.06.1998 erschienenen Ethno-Albums INEXIL. Affen spielten auch eine nicht unbedeutende Rolle bei Huberts erster Reise nach Afrika (Anfang 1996), die noch vor dem Trip nach Tibet stattfand. Er folgte einer Einladung nach Tansania, die niemand geringeres als die Verhaltensforscherin JANE GOODALL ausgesprochen hatte! Die zweite Reise folgte ein Jahr später. Ergebnis war die vom ORF produzierte Dokumentation "Von Goisern nach Gombe". Spätestens während den Aufnahmen für den Soundtrack entstand wohl die Idee für das zweite weltmusikalische Experiment "Gombe".

Anders als in INEXIL, wo sich Hubert von Goisern in vornehmer Zurückhaltung übte, verarbeitete er diesmal heimatliche Klänge ungleich deutlicher und verwob diese mit dem unverwechselbaren "Sound" von Afrika. Alles passt auf wundersame Weise zusammen, als ob es das Selbstverständlichste auf der Welt sei. Das ganze Album birgt ein einzigartiges Konzept, was die Unterteilung in einzelne "Songs" fast überflüssig erscheinen lässt...

Jane Goodall und Hubert v. Goisern

Erstmals eingesetzte Naturklänge und -laute von Affen und Vögeln, sowie Umgebungsgeräusche von Wasser und Wind ("Kasakela", "Delta") verunsichern zunächst die später dann erstaunten Ohren und eröffnen damit völlig neue Horizonte. Aus der Verwunderung entwickelt sich zwangsläufig die Erkenntnis, dass auf diesem Planeten wohl ganz ungeahnte Gemeinsamkeiten und Parallelen zwischen den unterschiedlichsten Völkern und Kulturen existieren. Sie scheinen zu verschmelzen und alle Horizonte werden unscharf. Gombe schafft eine harmonische Verbindung von Musik und Natur...! Aber ohne elektrischen Strom geht trotzdem nix...

Heißa, bin ich jetzt wieder erschrocken, und dabei höre ich die Platte jetzt zum x-ten Mal!!! "Kasakela" eicht unsere Ohren mit Natur pur und man muß schon etwas lauter drehen, um überhaupt etwas zu hören... Witzige Idee, denn nach endlosen 50 Sekunden (und das ist für unsere "zivilisierten" Verhältnisse eine verdammt lange Zeit) platzt ein Jodler in die Stille, dass es einem nun wirklich die Mütze von der Birne fegt! "Afrika Overtüre" ist eine der aufregendsten Minuten in der Musikgeschichte, denn die unglaubliche Synthese von Jodler und der spürbaren  -ja fast greifbar erscheinenden- Seele Afrikas raubt einem fast den Atem! Stundenlang könnte das so weitergehen...

... gut, dass das Thema im "Anreisejodler" etwas präzisiert wird. Leider nur eine weitere Minute mehr...!

Spätestens im vierten Stück ("Delta") wähnt man sich in einer anderen Welt. Schuld daran sind (auch hier) die Keyboard-Passagen (die unverkennbar an DEEP FOREST "Boheme" - 1995 erinnern). Elektronik paart sich mit Schimpansenschreien und Huberts Stimmakrobatik, welche zu den "archaischen Wurzeln unserer Artikulation" zurückfindet. Ein faszinierend ungewohntes Hörerlebnis!

Weitere Überraschungen bilden (Kinder-)Chöre ("Karibu Jenny", "Akipenda") und die Königstrommler von Kasulu ("Kasulu") sowie eine traurige, kammermusikalische Exkursion ("Gombe"), die uns erzählt, dass es dieses Fleckchen Erde wohl bald nicht mehr geben wird. Der Gipfel der Melancholie bildet dann die Klavier-Phantasie "Abreisejodler"! Ach, dieses verdammte Abschiednehmen... kaum ist man irgendwo angekommen, muß man schon wieder weiter...

Musikalisch sind mit INEXIL keinerlei Vergleiche möglich. Sie passen lediglich "sinngemäß" zusammen, denn hier treffen Menschen und Kulturen aufeinander, die (vordergründig) keinerlei Gemeinsamkeiten haben. (Und doch gibt es einen roten Faden, der gar ALLE Alben Hubert von Goiserns verbindet, denn hat er nicht eigentlich schon immer ethnische Klänge in einen zeitgenössischen Kontext gebracht?)

Wenn INEXIL eine spirituelle "Auseinandersetzung" mit der tibetanischen Kultur ist, dann ist GOMBE ein eher bodenständiges Werk. Der Sinn beider Werke ist der, dass es sie gibt! Beide Alben zeigen uns die Schönheit unserer Welt und aller Lebewesen. Sie erzeugen ein Bild von einer globalen Friedferigkeit, die mit einfachsten Mitteln zu erreichen wäre...

... aber Musik ist ja bekanntlich machtlos. Oder...?

Fazit: "Kleinlaute" Weltmusik. Ein Muß für "grenzenlose" Menschen, die ihre Heimat einfach Erde nennen!!!

 

Thomas Lawall - Mai 2005

 

PS: Noch ein Hinweis an alle "Rookies": Die gesprochene Einleitung in "Akipenda" ist kein Kisuaheli...

 

 

Tracklist:

01. Kasakela
02. Afrika Overtüre
03. Anreisejodler
04. Delta
05. Karibu Jenny
06. Sanganigua
07. Liemba
08. Kasulu
09. Ilagala
10. Gombe
11. Abreisejodler
12. Akipenda

Line-Up:

Afrikanischer Kinderchor aus Kigoma
Königstrommler von Kasulu
Kalimbaspieler von Sanganigwa
Freud (Alphamännchen von Gombe)
Ujiji Mamas
TAKARE-Chor
Toninho Porta: Bass, Gitarre, Perkussion
Stefan Engel: Keyboard, Klavier, Sampler
Wolfgang Spannberger: Loops, Sampler-Programme
Paulius Sondeckis, Sabine Ebner: Geigen
Ingrid Calließ: Bratsche
Katharina Feldbacher: Cello
Hubert von Goisern: Gesang, Zieharmonika, Horn,
Flöten, Gitarren, Keyboard, Streicherarrangements

 

 

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