ALPINKATZEN FEAT. HUBERT VON GOISERN “Alpine Lawine” (1988)

Alpine Urlawine


Anno 1988  wurde eine CD veröffentlicht, die bis heute leider ein unverdientes Schattendasein führt. Ich habe dazu jedenfalls so gut wie nichts im Internet gefunden, außer, dass sie ein "Flop" gewesen sein soll und, viel wichtiger, dass es dieses Kleinod auch heute noch zu kaufen gibt. Hubert von Goisern und Wolfgang Staribacher legten mit ALPINE LAWINE sozusagen den Grundstein für die sog. neue "Volksmusik".

Es war die erste CD, die von den "Alpinkatzen feat. Hubert von Goisern" (jawoll, so hieß das 1988) veröffentlicht wurde. Die Alpinkatzen bestanden aus Wolfgang Staribacher und Hubert von Goisern, die seit 1986 zusammenarbeiteten.

Der Grund, warum ich einen Ausflug in die Vergangenheit unternehme, ist ganz einfach: Diese CD vereint eine Mischung von Musikstilen, die ihresgleichen suchen dürfte. Bei abgefahrener Alpen-"Folklore", wie sie nur ein Hubert bieten kann, über Funk, Soul, Blues, Reggae, wird einem klar, welche Bandbreite der Ehren-Goiserer tatsächlich "drauf hat"! Und meiner bescheidenen Meinung repräsentiert diese CD bereits das, was dann später (verkaufsfördernd) mit "iwasig" als "Weltmusik" verkauft wurde.

Los geht es mir der ALPINEN LAWINE - hier wird gegen den jodelwahnsinnigen Massenansturm auf die Berge gewettert. Der Text, witzig und treffend, wird einem genauso um die Ohren "gehauen" wie die pointierte Musik, die zwar stellenweise "chaotisch" klingt, damit aber wohl genau diese Zustände rüberbringen soll:

"Alpenglühn in der Straßenbahn,
edelweiße Lust und Jodlerwahn.
Trachtig krachtig grüner Wams,
aufgestickt eine schwarze Gams.
Man träumt mal wieder von alten Sagen,
kerngesundem Bergvolk mit knackigen Waden,
frisches Blut für die urbane Dekadenz,
Gipfelstürmer ohne jede Konsequenz.

Alpine Lawine ...

Es kann nicht sein was nur sein will,
A mountain is a mountain still.
How do you do mit de Gummischuh?
Hau i di a mit de GOISERA!

Alpine Lawine ...
sie rollt hinauf
und nichts hält sie auf..."

... leider ... Mittlerweile graust auch mir davor, in die heißgeliebten Berge zu fahren, da mich der Rummel endlos abnervt!


Bei ME NO GOT NO groovt es gospelig mit karibischen Steeldrums, eigentlich fehlt nur noch "Me no got no Bacardi" ... allerdings versteh selbst ich die nichtenglischen "Ausrutscher" kaum:

"Me no got no schoes.
Poor man!
Me no got no socks.
Poor man!
Me no got no woman.
Poor man!
Me no got no house.
Poor man!
But I am still a lucky man
Cause I don't really give a damn.
Uh mei de Hatscher, uh mei geh ga'
miahat ma do in Güpfö seha.
..."

SOLIDE ALM wird beherrscht von der Steirischen. Hierzu findet sich im Booklet eine interessante Anmerkung:
"Die "Steirische" ist ein analoges Tasteninstrument. Bestehend aus einem Blasebalk, Metallzungen und Luftklappen. Letztere sind an manchen Stellen hörbar. Seit Edgar Vareses Einsatz von Maschinen in der Musik sind solche Geräusche legitim - wenngleich die zunehmende Digitalisierung der Popmusik sich dessen nicht mehr bewusst ist." (!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!)
SOLIDE ALM (findet sich auch auf nachfolgenden CD's wieder) ist wohl DAS Marken- und Erkennungszeichen von Hubert schlechthin oder noch einfacher: DAS IST Hubert!!! Hier denke ich jedesmal, och schade, schon vorbei? Für mich könnte es endlos weitergehen ...!Täusche ich mich, oder finde ich es leicht verfremdet und verspielter im "voixjammer" wieder???

IT'S ALL OVER NOW ist eine Coverversion des gleichnamigen Songs von Bobby & Shirley Womack ... nur ham die am Schluss bestimmt nicht "geplärrt": "heast es ... it's all over Baby ... rutsch mer den Buckel owi ..." !!!

GERN HAB ICH DIE FRAU'N GEKÜSST führt uns in die Welt der Operette - Lehar ("Paganini") auf hubertianisch - leger, charmant, ungeschnörkelt ... ja ja Hubert, man nimmt es dir unbesehen ab ...!

In GET UP DANCING wird das oberflächliche Stadtleben angesprochen
(Ausschnitt: "...Es reden ständig immer alle durcheinand und keiner hört mehr zu. ...
Frau gibt sich zwar charmant
und Mann küsst Frau die Hand.
Stets durchgestylt und furchbar chic.
Doch drunter sinds marod
und oft sogar schon tot. ...)
- nur, ob man sich deswegen nach Blasmusik sehnen muss/soll, wage zumindest ich zu bezweifeln.

Mit KREN UND SPECK folgt ein weiterer bekannter Titel (auch "verewigt" auf der "omunduntn" sowie der Doppel-CD "Wia die Zeit vergeht") - hier sozusagen in der Urform.

COCAINE von Gary (nicht Gerry, wie im Booklet vermerkt!) Davis wurde schon unzählige Male gecovert, warum also nicht auch mal von Hubert? Allerdings vermag er in der späteren Fassung (deutsch gesungen und von der "Zieha" unterstützt auf "omunduntn" /"Wia die Zeit vergeht") den Blues besser rüberzubringen als in der englisch gesungenen Version, die im direkten Vergleich irgendwie "runtergenudelt" in meinem Hörgang landet.

Das nächste Lied mag ich besonders: DOLOS von Mikis Theodorakis - griechische Musik perfekt "alpenländisch" umgesetzt!!! Ich unterstelle mal, dass diese Veröffentlichung eine Hommage an den Komponisten sein soll, im Booklet ist hierzu folgendes vermerkt:
"Dolos - zu deutsch Schmerz wurde vom zeitgenössischen griechischen Komponisten Mikis Theodorakis geschreiben. Theodorakis war etliche Jahre seines Lebens in faschistischen Gefängnissen eingesperrt und wurde brutal gefoltert, weil er sich weigerte, seine Pflicht zu erfüllen.
Sein Mut sollte uns Beispiel sein, in einer Zeit von Opportunisten und Mitläufern."
Wenn ich dieses Lied höre, wünsche ich mir mehr davon ... mehr solcher "Aufarbeitungen" wunderschöner Melodien oder Lieder mittels Steirischer rund um den Globus!!! Na, Hubert, wie wärs - DAS wär doch nicht unter deiner Würde.

STRIPTEASE-DANCER ist, wenn ich es dem Cover richtig entnehme, das einzige Lied auf dieser CD, welches komplett aus Huberts Feder (Text und Musik) stammt. Erfindung oder persönlicher Seelenschmerz?

Die NACHKRIEGSWEIHNACHT paart "Es wird scho glei dumpa" mit der Weihnachtsansprache 1945 des damaligen Kanzlers Leopold Figl! "... ich kann euch nichts geben ... kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen ..."
Die Musik schafft es, die düstere und dumpfe Stimmung dieser Zeit zu transportieren.

Jede HvG-Sammlung ist unvollständig OHNE diese CD! Sie ist musikalisch zwar nicht so ausgereift und geschliffen wie die nachfolgenden Produktionen (sie ist sozusagen ein Rohdiamant ;) ), trotzdem kann ich jedem, der sie noch nicht hat, nur raten, zuzugreifen, solange sie noch zu bekommen ist!!! Auf eines muß der interessierte Hörer jedoch verzichten: Huberts Jodler.

Maria Diemer - Januar 2004 (überarbeitet im November 2004)
 

Tracklist:

01. Alpine Lawine 3:40
02. Me no - got no 3:15
03. Solide Alm 3:26
04. It's all over now 4:03
05. Gern' hab ich die Frauen geküsst 3:36
06. Get up dancing 4:14
07. Kren und Speck 3:25
08. Cocaine 2:28
09. Dolos 2:25
10. Striptease Dancer 3:03
11. Nachkriegsweihnacht 2:58
     (Es wird scho glei dumpa)

Line-Up:

Hubert von Goisern: Gesang, Zieharmonika, Akustikgitarre, Flöte.
Wolfgang Staribacher: Akkordeon, Posaune, Klavier, Keyboards.

außerdem:
David Bronner: Synthesizer, Programming.
Bernhardt Locker: Gitarre.
Andres Tieber: Bass.
Heribert Metzger: Schlagzeug, Percussions.
Rudolf Hansen: Kontrabaß (Cocaine, Striptease Dancer)
Walter Großrubatscher: Schlagzeug (Cocaine, Striptease Dancer).
Johannes Prischl: Saxophon.
Daniel Hirtz: Percussions.
Niko der Stier: Spezialeffekt.
Chor: Anzo, Wolfgang Berry, Kathie Gabler, Robert Steiner, Gerhard Mayer.

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