CD-Review

MY SILENT WAKE - eye of the needle (2014)


Ambient




Ja gut, am 8. Juni des Jahres ist die neue Platte von My Silent Wake erschienen. Oder auch nicht, denn leider gibt es nur eine CDR oder einen Download. Das gefällt mir gar nicht und derartiges wird in Querblatt nicht besprochen. Nachdem ich in der Literaturabteilung aber eine diesbezügliche Ausnahme gemacht habe (indem ich ein E-Book besprochen habe), wird es in der Musikabteilung eine ebensolche geben. Eine ziemlich nette Post hat mich, ja sowieso und überhaupt ...

Nachdem nun schon einige Monate ins Kraut geschossen sind, frage ich mich allerdings, wieso kein einziges deutsches Review zu finden ist!? Sind die alle so konservativ wie wir und wollen lieber ein komplett ausgestattetes Scheibchen in der Hand halten?

Das wiederum wäre insofern schade, als es dieses Werk auf gar keinen Fall verdient, überhört zu werden. Allerdings muss man erst einmal Abschied nehmen. Abschied von "The Anatomy Of Melancholy", "a garland of tears" und "IV Et Lux Perpetua". Abschied von den damit verbundenen Hörgewohnheiten und den Erwartungen, die sich in diesen einzigartigen Alben begründen.

Zärtlich-brachiale Monumente gibt es nicht mehr, kein großes Theater, kein Doom-Death mit Überbreite, einzig die "introvertierte Zugabe" von "The Anatomy Of Melancholy" mag in ihrer Reduktion die vielleicht unbewusste Vorwegnahme dessen sein, was sich 2014 tun würde. "Unbewusst" deshalb, weil man 2007 noch nicht wissen konnte, dass eine weitere Reduktion möglich sein würde.

Einzig geblieben sind die notorischen Melancholiker und es mag so aussehen, als ob die ganze musikalische Bandbreite bisher, nur einem einzigen Ziel diente. Das Universum dehnt sich nach dem Urknall (immer noch) aus. My Silent Wake halten dem etwas entgegen und machen es nun umgekehrt. Nach allem was war, haben sie die Zeit angehalten, doch sie gehen nicht einfach rückwärts, sondern sie fallen nach innen. Es ist jedoch kein unkontrollierter Sturz. Mehr ein Versinken.

"A Death" scheint ein überlanges Intro zu sein, zumindest beim ersten Hördurchgang. Ständig ist man in der Erwartung, die Einleitung sei gleich vorüber und nun ginge es mit einem Donnerschlag los. Es dauert eine ganze Weile, bis man sich diese Konditionierung abgewöhnt hat. Sie ist schlicht überflüssig. Da kommt nichts mehr ... und zwar deshalb, weil schon alles da ist!

Weniger ist mehr. Wer das ertragen kann, wird sich in "Hunting Season" verlieren. Einst in "Shadow of Sorrow" mit Nachdruck vorgetragen, kann das Stück nun bestens ohne jenen bestehen. Zumindest für jene, die bleischwere Flügelbrecher für den Moment beiseite zu legen imstande sind.

Track 6 "Silver" ist vertontes Glück. Dass es eines der kürzeren Stücke ist, mag vielleicht Zufall sein, doch wer kennt nicht jene Momente der Glückseligkeit, die immer nur auf der Durchreise sind ...

Diese Musik hat sich fast gänzlich neu erfunden. Besser noch: My Silent Wake hat sich auf sich selbst besonnen. Der "Zug" ist abgefahren, was "Fumus Memorialis" unterstreichen mag. Wohin die Reise geht, steht in den Sternen oder im Nirgendwo. Möglich erscheint, dass die Gleise am Ende ihre Parallelität verlieren, um in einem einzigen Punkt zu verschmelzen, dass alles in einem einzigen letzten Ton endet. Was dann kommt, mag man nur erahnen. Vielleicht das Nichts: "There's nothing left to find."

Der letzte Track "Three Furies" ist nicht nur der mit Abstand längste, sondern unterstreicht in seiner Entrücktheit eindrucksvoll die Idee dieses Albums. Zudem sind es die einzigen Klänge, die (an entsprechender Stelle) eine direkte Seelenverwandtschaft mit den Kollegen der seltsamen Zunft aufweisen: Nadja. Zudem entdeckt man gegen Ende eine ferngeschriene "Echoes"-Sequenz, eine dezente-floydsche Hommage, bevor sich die Komposition sanft in dunkelfernen Gefilden verliert.

Wenn ich vor sieben Jahren behauptet habe, dass die Band der "Anatomie der Melancholie" ein gutes Stück nähergekommen ist, so kann ich aus heutiger Sicht nur feststellen, dass es in gewisser Weise ein Irrtum war, denn erst mit "eye of the needle" werden sie diesem Anspruch gerecht.

Wenn das letzte Stück verklungen ist, entsteht eine merkwürdige Stille wohliger Ungewissheit. Irritiert sucht man nach Orientierung in unbekannten Räumen. Und wenn die flüchtenden Gedanken wieder festen Boden unter den Füßen haben, ist zumindest eines klar: Es gibt keine Musik wie diese.

Fazit: Rätselhafte Zeitlupenstudie. Introvertierte Selbstfindung. Magisch depressiv.

 

Bewertung: 12++/12

Thomas Lawall - November 2014

 

 

 

Tracklist:

1. A Death
2. Solitudo 
3. Hunting Season II
4. Rebirth II 
5. Fumus Memorialis 
6. Silver 
7. Three Furies

Line-up:

Ian Arkley
Adam Westlake
Gareth Arlett

Previous, occasional, live and temporarily resting members:

Marc Ellison (acoustic)
Kate Hamilton
Tank
Mark Henry
Rich Alden
Alan Southorn
Steve Allan
Andi Lee
Jasen Whyte
Mike Hitchen



www.myspace.com/mysilentwake

www.mysilentwake2.bandcamp.com/album/eye-of-the-needle

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www.mysilentwake.co.uk

 

 

 

 

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