MY SILENT WAKE - a garland of tears (2008)
Doom-Death
... wobei hier etwas feiner zu differenzieren wäre, denn in Sachen MY SILENT WAKE müssen die Schubladen etwas weiter aus der Anrichte gezogen werden. Dies gestaltet sich insofern schwierig, da die Engländer eine komplett eigenständige Schiene fahren. Zudem bin ich im Prinzip genauso sprachlos wie in den dunklen Herbsttagen von 2007, als ich "The Anatomy Of Melancholy" zu besprechen versucht habe. Dieses Jahr stehe ich exakt vor dem gleichen Problem, denn erneut muss ich versuchen, meine Fassungslosigkeit in Worte umzusetzen. Nicht die geringsten Probleme habe ich aber damit, "a garland of tears" ohne jeden Umweg auf Platz Eins unserer verdammten Charts zu stellen! Die Welt wird es nicht interessieren ... und mich die Welt nicht.
Für die Definitionsfetischisten sei noch kurz erwähnt, dass sich die kopflastigen Musikanten im Großraum Doom-, Death- und Folk-Metal (im allerweitesten Sinne) bewegen, wobei einige mehr oder weniger deftige Kurztrips in edle Gothic- und grottige Black-Metal-Grenzgebiete nicht ausgeschlossen sind. Zwischen diesen Welten entdeckt die Wahnsinnsband weitere Universen und vernetzt unvereinbare Dinge ohne mit der Wimper zu zucken. Gleich mit dem ersten Titel "Tunnels" unterstreichen sie dies, wobei im Anfang gar darkwavige Ansätze (positive) Verwirrung stiften. Im Spannungsfeld von "sauberem" Gesang und Todesintonation entwickelt sich der Song weiter und glänzt bereits an erster Position mit den ebenso zahlreichen wie grundverschiedenen Facetten der Band. Nicht der Bruchteil einer Sekunde ist hier langweilig oder gar überflüssig. Bleischwere doomige Passagen spielen Verstecken in Folk-Metal-Gebirgen, verlieren und abstrahieren sich schließlich in einer psychedelischen Klangcollage, bevor die Mucke an Kontur gewinnt und unvermittelt aus dem Hyperraum wieder ins reale Gelände kracht. Spätestens dann frage ich mich immer wieder, ob das überhaupt noch der erste Song oder schon der fünfte ist. Erschwerend kommt noch dazu, dass ich mich - auch nach unzähligen Hördurchgängen - im zweiten Drittel immer wieder dabei ertappe, am liebsten zum nächsten Fenster rennen zu wollen, den Rahmen aus der Verankerung zu reißen und in die Welt hinauszuschreien: "Is this real ... is this just a dream?"
Und so geht das munter weiter. Wenn wie in "Pendulum" plötzlich Erinnerungen an mittelalterliche Hofmusik wach werden, in "By My Own Hand" gepflegter Doom das Parkett planiert, in "Cruel Grey Skies" sämtliche Emotionen explodieren oder "Fall Of The Flightless" bodenlose Abgründe öffnet, dann ist die Verwirrung der Gefühle wieder einmal komplett. "So many tears ... "
Noch erstaunlicher als Qualität und Tiefgang des vorliegenden Werkes ist die Tatsache, dass die Scheibe bereits vor einigen Wochen erschienen ist, jedoch weit und breit keine deutsche Besprechung das Internet ziert. Wie das? Hallo? Also, dieses Rätsel ist mir dann wirklich zu hoch, insbesondere wenn man bedenkt, was für ein musikalischer Quatsch tagtäglich ans Licht der Welt gepresst wird. Da sich aber auch englische Reviews eher rar machen, stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die werten Kollegen in tiefste Depression verfallen sind, sich in vornehmer Ignoranz üben oder, angesichts der fundamentösen Leistungen einer der besten Kapellen dieser Welt, gar alle tot vom Höckerchen gefallen sind!? Letzteres will ich lieber nicht vermuten - wundern würde es mich aber nicht.
MY SILENT WAKE haben sich mit "a garland of tears" selbst übertroffen und ihr breitgefächertes Anliegen erneut ebenso zärtlich wie vehement präzisieren können. Damit gehören sie zu den wenigen Bands, die, ähnlich wie VIRGIN BLACK aus Australien, eine unerreichbare Klangbastion errichtet haben. Gesegnet sind die Glücklichen, die (auch) hier Zugang finden, denn ihnen öffnet sich ein dunkler Ozean, ein Universum voller Tränen, in dem es eine Handvoll Funken der Hoffnung zu suchen gilt. Und wer dies mit Hingabe tut, wird sie auch finden.
Fazit: Notorische Melancholiker. Ohne Beispiel. Ganz großes Theater!
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Bewertung: 12++/12
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Thomas Lawall - November 2008
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CD-Tracklist:
1. Tunnels 2. Cruel Grey Skies 3. Pendulum 4. By My Own Hand 5. Fall Of The Flightless 6. Fallen Leaves 7. Wilderness Of Thorns
LP-Tracklist:
A 1. Tunnels 2. By My Own Hand 3. Pendulum
B 4. Fall of the Flightless 5. Fallen Leaves 6. Wilderness of Thorns
7" Bonus-Single:
A Cruel Grey Skies
B Shadow of Sorrow "live"
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Line-up:
Ian Arkley: Lead vocals, lead and rhythm guitars, classical and acoustic guitars, ebow, didgeridoo, thunder shaker and analogue synth in "Tunnels"
Andi Lee: Rhythm and lead guitars, vocals, acoustic guitar, mandolin
Jasen Whyte: Drums and cymbals (on "By My Own Hand" and "Wilderness Of Thorns"), Lead vocals
Kate Hamilton: Bass, cello, vocals, keyboards, recorder, clarinet, zither, "ting"
Steve Alan: Drums, cymbals and percussion (on "Tunnels", "Cruel Grey Skies", "Pendulum" "Fall Of The Flightless" and "Fallen Leaves"), Tambour, Tambourine, "ting"
www.mysilentwake.co.uk
www.myspace.com/mysilentwake
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Sammler aufgepasst! Die LP ist auf 312 Exemplare limitiert. Die ersten 100 Scheiben wurden zweifarbig (rot und schwarz) gepresst und handnummeriert. Zusätzlich gibt es eine 7" Bonus-Single und ein Zertifikat!
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