Literatur

Hereimspaziert
Neue komische Gedichte

von Thomas Gsella


256 Seiten
© Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2024
www.kunstmann.de
ISBN 978-3-95614-603-9



"Hereimspaziert"? Ja gerne, denn kaum hat man sich von dem originellen Buchtitel anlocken lassen, ist man bereits (schon wieder) dem Dichterfürst auf den Reim gegangen. Gerne erinnert man sich an "Ich zahl's euch reim" (2021), "Personenkontrolle" (2019) oder "Saukopf Natur" (2016), sowie die unterstellende Vermutung, jene Titel würden keine Nachfolger mehr dulden oder gar von einem weiteren übertroffen werden können.

Weit gefehlt und selten macht es so einen großen Spaß, sich geirrt zu haben. Was der Ex-Chefredakteur der "Titanic" hier wieder aus dem Ärmel schüttelt, dürfte ein weiteres Mal seinesgleichen suchen. Geflunkert wird auf dem Cover allerdings schon ein wenig, denn so neu sind die Sachen teilweise gar nicht, sondern zwischen 2016 und 2024 erschienen. Sich in Buchform zu präsentieren ist aber eine Premiere.

Lustig wird es bereits, bevor es richtig losgeht. Im Inhaltsverzeichnis lesen wir von einem Vorwort. Auf Seite sieben lesen wird dann, dass es gar keines ist. Verfasser Max Uthoff hat sich eher für eine "Huldigung" entschieden, am Ende verbunden mit einer unmissverständlichen "handfesten Drohung".

Hat sich Thomas Gsella im zuletzt erschienenen Band zu einem politischen Rundumschlag entschlossen, zeigt er hier ein sehr privates Gesicht. Detailverliebt spannt sich der Bogen dieses Mal von profanem Alltagsgerät bis hin zu den großen menschlichen Katastrophen, wie beispielsweise Fußball oder gar Liebe.

Hierbei geht er mit aller Sorgfalt und dichterischer Präzision vor, was jedoch nicht bedeutet, dass er hier und da an der Orthografie herumschraubt, also frei nach dem Motto "Reim komm raus, du bist umzingelt" handelt. Give Reim a chance! Das besonders schräge Exemplar eines erweiterten Substantivs finden wir am Ende von "Weg mit den Brückentagen!" auf Seite 69.

Apropos schräg. Potentielle Leserinnen und Leser aufgepasst. Mit Gedichten kennt ihr euch alle sicherlich bestens aus. Aber wie viele Dichterinnen und Dichter kennt ihr, die eine Handvoll ihrer wohldosierten und fein abgewogenen lyrischen Wortwahl zu den Themen rund um Tee, Brillen, Altglas, Flaschenöffner oder gar Tischkerzen formuliert haben? Na? Keine? Ja, auf was wartet ihr dann?

Selbstverständlich gibt es auch Indirektuelleres für jene Klientel, welche sich einen fundamentaleren Tiefgang erwarten. Das wäre dann das weite Feld der "Klassenjustiz", ein Freispruch an die letzte Generation, eine literarische Ohrfeige für Herrn Musk, ebensolche für die "Ampel", Trump und Raser, oder klare Worte an die leider allzu bekannten "Hetzer & Schwätzer", und ihre Galionsfiguren:

"Doch aus dem, der Tag und Nacht unflätigt,
Fallen Fladen wie aus einer Kuh."

Von bitterböse bis saulustig ist also alles vorhanden. Auf den Tag folgt die Nacht. Auf die Nacht folgt der Tag. Auf das Licht wieder die Dunkelheit und so weiter. Manchmal könnte man meinen, es wäre alles verloren. Aber:

"Welt, ich würde dich vermissen,
Wenn du morgen untergehst."

 

Thomas Lawall - Oktober 2024

 

 

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