Ich zahl's euch reim Neue politische Gedichte
von Thomas Gsella
232 Seiten © Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2021 www.kunstmann.de ISBN 978-3-95614-457-8
Thomas Gsella wandte sich in "Saukopf Natur" gegen das Diktat der Natur, den Terror von Dunkelheit und Helligkeit, gruseliger Tiere, unkontrollierbarer Naturgewalten und vor allem gegen das "quälende Überangebot von Schnittblumen".
In "Personenkontrolle" betrauerte er den Tod Harry Rowohlts, sandte eine Handvoll Liebesgrüße über den Bosporus, und machte sich auf die verzweifelte Suche nach einem Reimwort für Söder.
Bösartiger Satire einen heiteren Anstrich zu verpassen scheint auch im neuesten Gedichtband sein erklärtes Ziel zu sein. Werbende Zeilen des Verlages erscheinen aber in nicht wenigen Zusammenhängen wie schallende Ohrfeigen: "Man liest und lacht und freut sich auf mehr", denn (nicht nur) angesichts der aktuellen Lage bleibt einem jedoch das eine und auch andere Mal das Lachen im Halse stecken.
Was kann man also tun? Mit Worten die Dinge zurechtrücken? Wunden lecken oder gar heilen? Einen Versuch unternehmen, gegen das Böse und die Ungerechtigkeit der Welt anzuschreiben? Man könne es, meint der Autor, "man kann’s aber genauso gut auch lassen."
Von der vermeintlichen Sinnlosigkeit eines solchen Vorhabens hat er sich zum Glück nicht aus der Bahn werfen lassen, und zahlt es nun allen politisch Verantwortlichen ordentlich "reim"!
Jenen beispielsweise, die Flüchtlingsdramen zulassen, die sie selbst oder indirekt (mit)verursacht haben, in "Warum sie wirklich zu uns kommen":
"Weil sie Rüstungsfirmen schätzen Deren Waren sie schon kennen ..."
Fahima M. widmet er "Töte mich, Mama". Ein furchtbares Schicksal und ebensolche Zeilen. Nicht viel, sinnlos vielleicht, aber immerhin!
Thomas Gsella erhebt "Einspruch!", will gar das Hassen sich bewahren. Besonders jenes gegen Faschisten, Rassisten und das "braune Pack". Eine "Klimaneutrale Woche" hat er für Greta mitgebracht, sich einen anderen Kanzler vorgestellt, setzt den Grundstein für die "Corona-Lehre", wünscht den großen Schiffen alles Gute, lobpreist die Brüder "Machtlust und Blödheit", stellt uns postrevolutionäre Lyrik vor und wagt mit "Liebeslyrik 2050" gar einen Blick ins orthographische Niemandsland einer düsteren Zukunft.
"Ich zahl's euch reim" ist sicherlich Gsellas unbequemstes Buch, das wahrhaftigem Unbehagen reichlich Raum überlässt. Eine bittere, satirische Abrechnung. Wo das alles hinführt, besonders jene Spuren "alten Drecks an neuen Schuhen" können wir nur erahnen. Im besten Fall, sehen wir es positiv, zu "Späte Erkenntnis":
"Nicht das Morgen schließt die Hölle, Nein, wir müssen's selber tun."
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