Literatur

Corruption

von Don Winslow


542 Seiten
© 2017 Don Winslow
© 2017 der deutschsprachigen Ausgabe Droemer Verlag
www.droemer.de
ISBN 978-3-426-28168-0



Immer der Ärger mit den Vorgesetzten. Captain Sykes ist einer von ihnen. Leider ist er nicht wirklich in der Lage, seinem Lieblingsgegner etwas anzuhaben. Dazu ist der Sockel, auf dem sich Detective Sergeant Dennis Malone aktuell befindet, einfach zu hoch. Schließlich hat er sich unlängst mit einem gigantischen Heroinfund einen Eintrag im Geschichtsbuch New Yorks gesichert.

Den dominikanischen Drogenlord Diego Peña haben er und sein Team "erledigt" und dabei reiche Beute gemacht. Das Drogendezernat tobte, da sie im Alleingang handelten, aber fünfzig Kilogramm Heroin und zwei Millionen Dollar Cash sind kein Pappenstiel. Doch weitaus größer wäre die Entrüstung, wenn bekannt werden würde, wie hoch die Beute jeweils tatsächlich war ...

Auf den ersten Seiten und weit in den dreistelligen Bereich hinein, wirft Don Winslow zunächst einen ausgiebigen Blick auf Leben und Wirken seines uneingeschränkten Hauptdarstellers Denny Malone. Fast zu intensiv, denn außer den Verstrickungen in zahlreiche Aktivitäten der dienstlichen und weniger dienstlichen Art passiert eigentlich "nichts", jedenfalls nicht für jene Leserinnen und Leser, die einen ganz konkreten Fall im üblichen Sinne erwarten.

Es ist eher eine Aufzählung von vielen lukrativen Nebenjobs, die sich innerhalb und außerhalb der New Yorker Drogenszene und jenen Personen abspielen, die aktiv oder passiv beteiligt sind und natürlich jenen Personen, die Recht und Ordnung vertreten. Jeder scheint hier jeden zu schmieren und zu decken, und fast hat man den Eindruck, dass die Arbeit der dargestellten Cops hier für eine Art Gleichgewicht sorgt.

Erschwerend mag hinzukommen, dass die amerikanische Rechtsprechung Straftäter insoweit schützt, da Beweise für deren Aktivitäten und Straftaten fast nur auf illegalem Weg zu beschaffen und zu belegen sind.

Indem Malone und die Mitglieder seiner Taskforce allerdings mafiöse Strukturen aufbauen, sprengen sie den (für ihre Kreise) offenbar vorgegebenen Rahmen eines korrupten Systems bei weitem. Da helfen selbst verzweifelte Rechtfertigungsversuche nicht, die sich auf die Praxis in anderen Etagen beziehen.

Sein Fazit kann der Rezensent vergessen. Schon während der ersten Kapitel schien die Sache so klar zu sein: Das System ist nicht krank, sondern kaputt. Don Winslow hat das geplante Schlusswort aber insofern torpediert, als er Malone in einem Dialog auf Seite 278 sinngemäß genau dies sagen lässt.

Also muss ein neues Fazit her, was nun doch nicht so kurz und knapp ausfällt. Nach "Tage der Toten", "Das Kartell" und "Germany" erfahren wir nicht unbedingt Neues. Der Sumpf der Korruption zieht sich durch alle Werke. Vielleicht nicht so konzentriert und auf den Punkt gebracht wie in "Corruption". Mehr oder weniger auf eine Person konzentriert entwickelt die Thematik eine andere Dynamik, auch wenn Denny Malone sicher nur ein Rädchen im System ist. Weiter oben mag mit anderen Summen hantiert und unter anderen Vorzeichen gehandelt werden, was der Autor auch unzweideutig andeutet.

Dem schockierten Laien stellt sich die Frage, woher Don Winslow sein Wissen um das Thema Korruption, welches eher einem Flächenbrand gleicht, bezieht, und ob es möglich ist, an derlei detaillierte Informationen ohne systemkonforme Aktionen, also den Austausch von "Umschlägen" beispielsweise, heranzukommen. Wie dem auch sei, die spannungsgeladene und sich am Ende dramatisch zuspitzende Geschichte um Denny Malone, dem "King der Kings", ist natürlich frei erfunden und der Rezensent erweitert jetzt einfach sinngemäß das Schlusswort seiner "Tage der Toten"-Rezension: Sollte nur die Hälfte der geschilderten Machenschaften sich so oder ähnlich in der Realität abspielen, dann wäre unser System im Prinzip am Ende.

 

Thomas Lawall - Oktober 2017

 

 

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