Literatur

Germany

von Don Winslow


380 Seiten
© 2016 Don Winslow
© der deutschsprachigen Ausgabe Droemer Verlag
www.droemer.de
ISBN 978-3-426-30430-3



Charlies Arbeitszimmer ist riesig. Man sieht hinunter zur privaten Anlegestelle, wo seine zwei Millionen teure Yacht festgemacht ist. Er ist stinksauer, da er sein geplantes Großprojekt in Gefahr sieht. "Lumina" soll mit seinen Wohn- und Bürogebäuden Kapital und Unternehmen anlocken, doch die Planungsbehörden legen ihm Steine in den Weg. Er ist nicht der Mann für viel Papierkram und schon gar nicht für Umweltauflagen, die alles nur unnötig in die Länge ziehen ...

Zunächst sind sie alle sehr nett. Ex-Polizist und Ex-Soldat Frank Decker, der einst im Irakkrieg als "Späher" unterwegs war, sein milliardenschwerer Freund Charlie Sprague, dem er sein Leben zu verdanken hat, und natürlich dessen mit Intelligenz und Schönheit gleichermaßen gesegnete Ehefrau Kim. Selbstverständlich sind auch Charlies Eltern unglaublich nett und freuen sich, dass er ein solch liebes Mädchen gefunden hat.

Die Hochzeit war ein "glanzvolles Ereignis" und mit 800 geladenen Gästen standesgemäß inszeniert. "Wer nicht eingeladen war, hatte in der Gesellschaft von Miami nichts zu melden." Charlie Sprague und seine Angebetete wären auch mit einem wesentlich kleineren Rahmen zufrieden gewesen, doch was will man halt machen als Millionär!? Die entsprechenden Erwartungen müssen erfüllt werden.

Fast wirkt das Buch zu Beginn ebenso langatmig wie langweilig. Gleichwohl bemerkt man eine straffe Gestaltung der Handlung, was sich insbesondere in den auf Filmniveau gekürzten und auf das Wesentliche reduzierten Dialogen manifestiert. Der Inhalt der Geschichte ist ebenso überschaubar und keinesfalls neu. Eine Frau verschwindet spurlos, und Frank Decker darf in seinem zweiten Fall nach "Missing. New York" (2014) eine vermisste Person suchen, wenn auch auf seine ganz persönliche Art und Weise.      

Die ist ebenso brutal wie effizient und steigert die Spannung ungemein. Was in "Germany" letztlich in sich schlüssig erscheint, kann jedoch keinesfalls mit der differenzierten Herangehensweise in "Das Kartell" oder "Tage der Toten" verglichen werden. Hier hatte Don Winslow zeitlose Thriller-Opern geschrieben, die "Germany" fast wie einen Kindergeburtstag aussehen lassen. Es passt alles irgendwie, doch es passiert zu schnell. Hinterfragt wird nichts und Charakterzeichnungen entstehen nur im Ansatz.

Der Titel scheint zudem leicht in die Irre zu führen, denn wirklich viel (Überzeugendes) passiert in Deutschland nicht. Außer dem großen Showdown. Ansonsten scheint das ganze Land in einem Strudel von Gewalt, Korruption und Erpressung zu versinken. Zudem ist es von München bis Berlin mit Bordellen vollgestopft und fast ein einziges Rotlichtmilieu: "... die alles durchdringende Traurigkeit ... die ödesten Orte auf der ganzen Welt." (Was man anhand entsprechender Zahlen auch vermuten könnte.)

Ein spannender Thriller ist "Germany" trotz aller Reduktion allerdings schon. Auf Unterhaltungsniveau glattgeschliffen und tatsächlich von der Sorte, die möglichst ohne Pause gelesen werden wollen. Nach diesem Einbruch darf man allerdings hoffen, demnächst wieder einen anspruchsvolleren Brocken erwarten zu dürfen!

 

Thomas Lawall - Mai 2016

 

 

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