Live

SAMOWAR LIVE
Little Murderer-Tour ab November 2005


mit BETON-BLOCKX, SUSPENDER BELT, CANNIBAL VEGETARIAN, PAINSTRIPPER, DISPARGEL, HOLY SHIT, IN PERVERSO und ZAPPEDUSTER


Der grandiose Tourauftakt im legendären "Trashcan" (02.11.05/Reihern) wurde am 04.11.05 im "Blackhole" (Zipfelberg) mehr als bestätigt - SAMOWAR bilden die neue Messlatte im Splatter-Metal! Die Kaiser des "Hard-Gore" zeigen jetzt dem gesamten Planeten, was wirklich Sache ist.

Die Vorbands konnten alle einigermaßen überzeugen. Einzige Ausnahme: HOLY SHIT. "Block Buster" war nämlich krank und wurde durch die Schlampe am Keyboard ersetzt, was sich nicht unbedingt als Glücksgriff erwies. Das ewig versoffene Loch kann zwar kotzen wie ein Gott, aber singen kann "Plazenta" definitiv nicht!
IN PERVERSO spielten nur ein einziges Stück, wie gewöhnlich. Allerdings unterstrichen sie mit ihrem (immer noch) in altdeutsch gehaltenen "Illuminatenorden" den Anspruch auf ein Treppchen im Großraum des Prog-Death. Interessant auch das erweiterte Instrumentarium, denn erstmals kamen ein Cymbalom, ein krummer Zink und eine Sackgeige zum Einsatz!
ZAPPEDUSTER schlugen in die gleiche Kerbe, konnten aber mit ihrer Trilogie "Kollaps Lituus" nicht so recht zünden, was sicherlich (nicht nur) am etwas desolaten Zustand der Truppe lag. Ich find's auch nicht so dolle, wenn man komplett ohne Hosen auf der Bühne agiert! Diese etwas haarige Angelegenheit nötigt dann doch zum einen oder anderen Brüller...
CANNIBAL VEGETARIAN zelebrierten ihren unappetitlichen Endzeit-Trash - schöner kann Müll wirklich nicht klingen, und PAINSTRIPPER machten ihrem Namen ebenfalls wieder alle Ehre...! DISPARGEL und SUSPENDER BELT wirkten etwas lädiert, da sich am frühen Nachmittag eine Keilerei um die Biervorräte entwickelte. Die beiden befreundeten Black-Mataller-Combos vermöbelten die Jungs von den BETON-BLOCKX, sodass diese erst gar nicht auftreten konnten! Schade eigentlich, denn solche Krach-Hymnen wie "Monadnock", "Ephemera" oder das fast schon wieder versöhnliche "Adenoma" hätte ich gerne wieder vernommen. SUSPENDER BELT konnten die Lücke aber mühelos mit der Thrash-Legende "Meat Inspection" schließen. Ein wahrhaft gelungener Support. Lauter Vollidioten!

SAMOWAR betraten die Bühne gegen 23.30 Uhr. Die Schlacht-Grafen stellten ihren aktuellen Longplayer "Satyriasis Phalanx" vor. Chef der Chaotentruppe "Bonsatre" eröffnete den bunten Melodien-Reigen kurioserweise mit einem Schießbudensolo (!) auf seiner selbstgebastelten Triple-Bass-Maschine. Bereits dieses unbändige Getöse nötigte gut ein Drittel der etwa 300 (!!!) Gäste, den Saal vorzeitig zu verlassen! Die restliche Heerschaar wurde dann aber Zeuge vom Beginn einer leibhaftigen Höllenshow...

Als weiteres Intro gab Skandal-Tastenschlampe Riann "Domestika" Demaréyh eine Keyboardphantasie der besonderen Art zum Besten. Nur mit dem Allernötigsten bekleidet schleuderte sie mit atemberaubender Geschwindigkeit eine Klangwand nach der anderen in die jetzt schon staunende Menge. Auf ihrer Leichenfledderei durch die Musikgeschichte des 18.-20.Jh. streifte sie Bach's gewaltige Präludien (und zwar ALLE 20!) ebenso, wie den expressionistischen Stil von A. Schönberg! Analog der geschichtlichen Entwicklung in der Klaviermusik zitierte sie fast beiläufig den Klassizismus von I. Strawinskys Sonate in fis-Moll und krachte dann etwas ungestüm in den folkloristischen Klavierstil von B. Bartók. Bei K. Stockhausen angekommen, standen bereits alle Zuschauer mit offenen Mäulern (echt!) vor dieser rätselhaften Interpretation (oder war es eine Hommage?), bis Domestika erst r-i-c-h-t-i-g Gas gab...!

Zuvor trabte sie (inzwischen völlig nackt) kurz zum Mikro, rotzte so etwas wie "Jumbocrash" ins Mikro, und schlug auf dem Rückweg Basser "Phanerophyt" mit geballter Faust eins in die Schnauze, weil er wohl eine klitzekleine Basslinie gezupft hatte und dies zu diesem Zeitpunkt wohl nicht vorgesehen war!?

Nun weiß ich nicht, wie das funktioniert, aber die Furie schaffte es tatsächlich, den Eindruck entstehen zu lassen, als würde ein vollbesetzter Jumbo-Jet auf der Bühne abstürzen, um sich scheppernd und krachend den Weg durch die angrenzenden Hallen zu pflügen! Tja Herrschaften, wenn jemand "pleno organo" in die Tasten greifen kann, dann die Göttin von SAMOWAR! Just in diesem Moment platzte die Panzerglascheibe (!) der Tür des Notausgangs! Dieser Umstand war choreografisch hervorragend plaziert (Absicht?), denn nun bekamen die zuvor auf den Parkplatz Geflüchteten das musikalische Drama rigoros um die Ohren gepfeffert, was diese nötigte, die Halle umgehend wieder zu betreten, um voller Neugier nachzusehen, was denn da alles eingestürzt sei...

Jetzt waren die Zuschauer wieder komplett und prompt ging das Licht aus. Hammer! Man sah null! Echt überhaupt nichts, und nicht nur ich fragte mich, ob es jemals ein schwärzeres Schwarz gegeben hat. Es war einfach unglaublich und zudem noch völlig lautlos. Es schien tatsächlich so, als ob diese völlig verrückte Truppe irgend so etwas wie die totale Stille vom Band laufen ließ! Unlogisch aber wahr!! Fünf ewig dauerde Minuten lang. Dann war es soweit... und D-A-S war SAMOWAR live, wie ich sie kenne und liebe...

Mit einem vehementen Donnerschlag begann "De morrtuis nihiiltz niysitöäü tyzmuihizzisytasss...", mein Lieblingstrack (Es erzählt übrigens die schräge Geschichte eines "Ileus", der seines Lebens müde war!). Die begnadeten Hexer verstehen es bekanntlich, wie die gesamte Musikgeschichte in wenigen Minuten abzuspulen ist! Doch diesmal trieben sie ihre eigene Genialität auf die Spitze, indem sie ein haarsträubendes Brems- und Wendemanöver ausführten, um im Rückwärtsgang wieder durch die Jahrhunderte zu stürzen! Mit diesem meisterhaften Kunstgriff und einer atemberaubenden Schnelligkeit und Präzision hat SAMOWAR Geschichte geschrieben, und sie werden es weiter tun!! Das Stück endete mit einer wahrhaft unsanften Landung und mit einer weiteren Überraschung. Schlappe 900 Jahre zeichnete der Rücksturz nach, und als sich die Band wieder einigermaßen sortiert hatte, schaufelten sie doch tatsächlich ein paar Takte aus "Planctus David" von Peter Abélard (1079-1142) ins nun restlos verblüffte Publikum - wenn auch in ihrer ganz persönlichen Art der Interpretation...

Die schwarzlackierte Dame neben mir fiel in Ohnmacht, und während ich schreiend und flennend zugleich noch überlegte, wo denn die Hauptperson eigentlich sei... stand "ER" plötzlich da. Ja wirklich - die Bühne war strahlend hell erleuchtet und unvermittelt schien die Band zu verschwinden. "Martellato", "Phanerophyt" und "Domestika" waren gar nicht mehr zu sehen und das Schlagzeug rückte irgendwie nach hinten. Fast schien sich der Raum zu verzerren - ähnlich wie bei einem (fiktiven) Lichtsprung oder dem Eintritt in den Hyperraum. Das Merkwürdigste war, dass an einer Stelle, wo vorher wirklich niemand gestanden hat (ich schwöre!) wie aus dem Nichts der Meister auftauchte...

Seine Exzellenz Tom "Garotte" Phlyaken erschien nicht einfach so, sondern er suchte uns heim! Er überkam uns!! Ich weiß nicht, ob das Kreischen der Gitarren lauter war, als der Aufschrei der 300 Fans, ich weiß es wirklich nicht. Es war einfach überwältigend!!!
Ganz aus war es, und der letzte Funke Selbstbeherrschung verglühte, als Garotte sein Gerät auspackte (er hatte es urplötzlich in der Hand!), sein legendäres "Goat-Horn"! So stand er in seiner typischen Haltung noch satte ZEHN Minuten wie auf der Bühne angeschraubt, während die Band in dieser knappen Zeit noch das eine oder andere Sägewerk zerlegte. Das grande Finale von "Gravedust in early spring" war keine tausendstel Sekunde zu Ende, als sich tosende Ovationen erheben wollten. Doch Kaiser Phlyaken setzte unvermittelt sein neues Tenorhorn an und blies einen Krawall in die Wallhalla, der die ersten beiden Zuscherreihen glatt zu Boden riß!!! Booooooaaaaaaahhhhhh...!!! Dagegen wirkt das Monstergetöse aus "Krieg der Welten" wie der Sound einer Kindertrompete! Dieser begnadete Mensch muss am Ende der Welt und der Zeit gewesen sein, denn nur von dort können solche Töne kommen...

Selbstredend gab auch dieses Mal keiner der Herrschaften so etwas wie ein Gesicht preis, was dem Kontakt zum Publikum nicht unbedingt förderlich war. Dennoch brachte es die kranke Truppe fertig, nach jedem Song mit minutenlangen Ovationen bedacht zu werden, was die Dauer des Konzis nicht unwesentlich verlängerte. Das versaute Gruppenbild mit Dame genoss nämlich sichtlich den tosenden Applaus sowie das unbändige Geschrei der Verehrer/innen.

SAMOWAR boten einen Querschnitt durch die gesamte Bandgeschichte. Nach den o.g. Intros und Track 10 des aktuellen Langeisens kehrte die Combo  zu den blutigen Anfängen zurück.
Dazu verharrten sie erst einmal satte 10 Minuten wie versteinert, um sich dann in Super-Zeitlupe der Vergangenheit zu nähern. Immer mehr an Tempo gewinnend, nahm die Raserei ihren Lauf, bis SAMOWAR unter dem unglaublichen Jubel der Fans "German Sausage Massacre" ("Brawn Demo" 1996) anstimmte. Die Begeisterung schien kein Ende zu nehmen, als die ersten Takte von "Butcher's Paring Knife" durch die Halle knallten. Mit "Transsexual guineapig"  wurde die Tracklist des legendären Demos komplettiert, und ohne die geringsten Anstalten für ein kontrolliertes Bremsmanöver katapultierten sich die begnadeten Killer vier Jahre weiter und durchbrachen mit "Nylon Creature" ("Bloodworscht" EP 2000) die Schallmauer. Gerne hätte ich noch einmal "Blowpipe Soldier" gehört (und gesehen!), aber mit dem unanständigen "Pussy cock-a-doodle-doo" war Schluss mit den Erinnerungen an schlechtere Zeiten.   

Weiter ging es dann mit haarsträubenden Interpretationen der aktuellen Tracklist, beginnend mit "KAnal Fatal", dicht gefolgt von "Swankillers over Valhall". Und nun gab es eine weitere Besonderheit, für welche die Komiker -meiner bescheidenen Meinung nach- mehrere Oskars (oder so) verdient hätten. Folgendes ist aber gar nicht so leicht zu beschreiben, denn dergleichen dürfte es noch nicht gegeben haben...!!!

Es wurden nicht nur die beiden genannten Stücke gegeben, sondern noch ein drittes - und zwar g-l-e-i-c-h-z-e-i-t-i-g! Und jetzt aufgepasst, Herrschaften:

"KAnal Fatal" und "Swankillers over Valhall" sind zusammen ca. 10 Minuten lang. "Pest in Paradise" bringt es auf 15 Minuten. So weit so gut. So in etwa könnte man sich ja vorstellen, Zitate eines Songs in andere einzubauen, doch SAMOWAR haben etwas anderes probiert.
"Pest in Paradise" sollte tatsächlich gleichzeitig und zwar in voller Länge gespielt werden!
Da das Stück länger ist, als die beiden genannten, muss zwangsläufig etwas auf's Gas getreten werden. Doch damit nicht genug. Im ersten Drittel von "KAnal Fatal" wurde "Pest in Paradise" eher in Zeitlupe begonnen. Genial. Einfach genial. So etwas habe ich noch nie gehört. Doch wie soll das zeitgleich enden???
Ganz einfach. Im weiteren Verlauf steigerten SAMOWAR das Tempo des dritten Songs, um im zweiten ("Swankillers over Valhall") die Überholspur zu erreichen. Leute, DAS hat es noch nie gegeben - echt jetzt! Die Nummer hat tatsächlich geklappt, denn kaum waren die Swankillers verklungen, krachte der letzte Takt von "Pest in Paradise" auf die Matte. Überholmanöver gelungen und wir standen A-L-L-E mit offenen Mäulern da. Es gab dieses Mal keinen Applaus, es gab keinerlei Reaktionen des Publikums... es gab nur grenzenloses Staunen!!!

Während die Meute noch wie erfroren und am Boden festgeschraubt verharrte, setzten SAMOWAR zur finalen Breitseite an. "Venomy Karzinomy" sollte den Schlusspunkt setzen und es war ein Höllentrip. SAMOWAR sezierten sich selbst und verlängerten die Qualen des Tracks um satte 25 Minuten. Alles Leid der Welt erhob sich in eine gigantische Hasstirade! Berge aus Wahnsinn explodierten im Sekundentakt und das Universum geriet aus den Fugen...!!!
Als alles zerstört und kein Lebewesen mehr in den Weiten der Unendlichkeit zu finden war, ertönte ein Signal, das entweder den absoluten Untergang oder einen neuen Anfang verkündete...

Hierzu brauchte es nur einen Mann... und sein Horn. Herr Phlyaken setzte mit einem fünfminütigen (!) Gebläse eine Tonsäule auf die Matte, die jedes Edelmetall an Gewicht übertrumpfen dürfte! Niemand auf dieser Welt hat jemals ein derartiges "Geräusch" gehört, da bin ich mir ganz sicher! Und der Kerl holt nicht mal Luft...

Fazit: Endkrasses Konzert einer Band "ohne Gesicht". Inzwischen bin ich mir völlig sicher, dass ich die Wahrheit gar nicht wissen will...

 

 

 

Thomas Lawall - November 2005
Fotos: Marco, Thomas, Mary

Weitere Live-Fotos und ein Interview folgen (wenn ich das überleben sollte).

 

 

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