OPALESSENCE
in Hanau/Halle 2 am 20.12.05
Um drei kam ich nach Hause und als ich aus dem Auto ausstieg, traute ich meinen Ohren nicht. Statt der erwarteten Grabesruhe im Dorf erwartete mich die lärmende Kreissäge unseres Nachbarn...! Doch diese akustische Fata Morgana war schlicht ein Ohrensausen der bisher unbekannten Art. Selbst nach div. Black-Events hat es in meinen Öhrchen jeweils "nur" gepfiffen, aber dieses Getöse war mir bislang unbekannt. Zu verdanken habe ich das den Jungs von BURST und/oder dem Komiker am Mischpult. Der Gig war gut aber einfach zu laut, weswegen die Truppe hier zur Strafe auch keine weitere Erwähnung findet. OPETH, welche ein außerordentlich sympatisches Donnerwetter ablegten, waren selbstverständlich eine Klasse für sich. Aber auch wegen OPETH bin ich nicht nach Hanau gepilgert, sondern einzig wegen OPALESSENCE, die sehr dankbar den Opener in der ausverkauften "Halle 2" gaben.
Zwei Jahre ist es nun schon wieder her, als die Band an gleicher Stelle ihr neues Album "future memorabilia" vorstellte. Nun ist die Platte heute keineswegs ein alter Hut... und die aktuelle Besetzung ebenfalls nicht...! Bereits kurz nach Veröffentlichung des Albums wechselte die Besetzung am Schlagwerk und Bass, aber umgehend konnten die freien Posten mit Präzisionist Karsten Hanbuch und Speedmaster Philip Koch besetzt werden (die mir an diesem Abend ganz besonders positiv aufgefallen sind!). Das Besetzungskarussell drehte sich weiter, nachdem Max und Felix die Band im Herbst 2004 verließen. Nach längerer Suche wurde aber 2005 mit Jan Jansohn (git.) und Felix Siebenhühner (key.) das Line-up wiederum komplettiert. Hanau war also sozusagen wiedermal Premiere.
Nach dem eindrucksvollen ANATHEMA-Support 2004 standen nun BURST und OPETH als Hauptakteure auf dem Programm, aber OPALESSENCE mussten sich keineswegs verstecken. Das wurde dem randvollen Haus gleich beim ersten Stück "Weeping willow's weeping" unmissverständlich klar gemacht! Längst hat die Band gängige Gothic-Klischees gesprengt - dieser Schuh ist nun endgültig zu klein geworden. Sängerin Ruth Knepel ist da nicht ganz alleine schuld, obwohl sie -wie gewohnt- mit ihrer Breitband-Intonation mehr als begeistern konnte! Nein, die ganze Band verzeichnete eine natürlich gewachsene Spielfreude und neben dem unbändigen Willen, sich differenziert auszudrücken, auch noch mehrere (Haupt-)Gewinne im Ausdruck! Einfach großartig, wie sie es immer wieder schaffen, den Spagat zwischen Melancholie und gnadenloser Härte scheinbar schwerelos zu überbrücken. Den zweiten Beweis lieferte dann gleich der gewaltige Prog-Metal-Edelstein "Ballad for the drowned one".
Den fulminanten Mittelteil des Auftritts bildete das grandiose "Mirrorwaters", die (frei) vertonte Erzählung von Eichendorffs "Das Marmorbild". Es ist für mich immer wieder ein besonderes Erlebnis, das Publikum zu beobachten, wenn sich diese mehr als aufregende Reise dem Ende nähert. Nach einer progressiven Ohrenweide im Mittelteil und dem verhaltenen Drift in jazz-rockige Gefilde taucht unvermittelt eine epische Hymne den Song in schwarzmetallische Abgründe und den Zuhörer in eine Verwirrung der Gefühle. Ein Zucken geht durch die Reihen und alle Unterkiefer scheinen sich der Schwerkraft willenlos ergeben zu müssen. Die Band dreht jetzt voll auf und hebt mehrere Zentimeter vom Boden ab... ... um sich dann leise in die Unendlichkeit zu verabschieden. Und dann geschieht immer das Gleiche: Eine Sekunde steht die Welt noch völlig still, die Erde dreht sich nicht mehr und dann kommt der Aufschrei und der Applaus des Publikums! Einfach überragend!!! (Wohl aus Zeitgründen musste mein persönlicher Favorit "Farewell my beloved" entfallen, was die Tracklist der aktuellen Platte vervollständigt hätte.)
Doch OPALESSENCE verstehen es, dem absoluten Highlight noch weitere anzuschließen bzw. in Aussicht zu stellen. Denn weiter ging es mit neuem "Material", und dieses weist den Weg in eine Zukunft, die dem Bandnamen weiter alle Ehre machen wird. Das eigens für die ANATHEMA-Tour geschriebene "Savings Days" und ein weiterer neuer Song "Scream Silent" lassen die ganze Vielfalt der Gruppe in immer neuen Nuancen erscheinen. Wenn sich Umbesetzungen bei anderen Bands meist als Todesurteile zeigen, wusste OPALESSENCE (ehem. THE LEGACY) sich durch derlei Veränderungen stets zu bereichern. Dieser Reichtum scheint sich von Zeit zu Zeit mit sich selbst zu multiplizieren. Ob das so bleibt, wird uns die "Zukunft" zeigen, die alles an und mit sich reißt, was sich nicht ein "Andenken" schafft...
Fazit: Wenn DAS das erste Konzi in neuer Besetzung war, dann dürfen wir uns auf einiges gefasst machen! Gelungene "Neuverfilmung" der aktuellen Scheibe!! Denkwürdiger Support!!!
|