OPALESSENCE "Future memorabilia" (2003)
Ausnahme-Prog-Metal
Selten hatte ich so große Probleme, ein Konzept für ein Review zu finden, wie für dieses. Es ging einfach nicht, denn Worte sind hier nicht genug...! Einen Tag durfte ich bei den Studioaufnahmen dabei sein und schon damals brachte ich wenig sinnvolle Artikulation zusammen, als Sängerin Ruth mich fragte, wie's mir denn nun gefallen würde...
DIESE verdammte Platte ist raffiniert! Hinter scheinbar konventionellen Soundgewändern verbergen sich ganze Welten, wenn man nur genau hinhört! Es macht Laune, diese Verstecke aufzustöbern und wer dazu in der Lage ist, wird Dinge hören und SEHEN, die den Rahmen der gewohnten Hörgewohnheiten sprengen! Es liegt ein Geheimnis über dieser Musik. Man driftet ab in eine leinwandgroße Bilderflut, die einem schier die Luft zum Atmen nimmt! Bestes Beispiel ist wohl die Neuinterpretation von "Farewell my beloved", dem besten Titel der Vorgänger-Formation THE LEGACY, und dieser ist immer noch die eine oder andere Gänsehaut wert!!! Gerne gebe ich aber zu, dass ich gerade mit diesem Track am Anfang so meine Probleme hatte. Doch die Zeiten von "Withering Blossom" sind einfach vorbei. Die Urfassung sowie der komplette erste Longplayer haben einen ganz besonderen Zauber. Das ist so und das wird ewig so bleiben! Aus und vorbei! Fast wirkt das neue "Farewell my beloved" wie eine Art liebevolle Homage an die eigene Vergangenheit... Ich sollte Vergleiche bleiben lassen, denn die neue Truppe um Bandgründer Marco, dem letzten Hinterbliebenen, spielt die alte Garde mühelos in Grund und Boden. Farewell die Kindertage - die Band ist sozusagen erwachsen geworden! Musikalisch wird ein abenteuerlicher Spannungsbogen vom mittelalterlichen Klagegesang bis zum Black-Metal-Bombast gezogen. Eigentlich unmöglich, doch für diese Truppe nicht das geringste Problem! Nehmen wir z.B. Ruth, die mit ihrem moll-lastigen Trauer-Alt für eine Gänsehaut nach der anderen sorgt! Mal minnesangmäßig im (neuen) Mittelteil von "Farewell my beloved", mal deftig-animalisch in "Mirror waters"... und dann auch noch 'ne Prise Jazz vor dem gnadenlosen Bombastfinale...
Aber auch die anderen Kapazitäten laden ein Füllhorn progressiver Ideen ab, die permanent zu Zwischenapplaus animieren! Dieser Ideenreichtum paart sich mit einer ungeheuren Spielfreude zu einem wahren Ohrenschmaus und einem intellektuellen Feuerwerk der Sinne. Vergangenheit und Zukunft verschwinden im Nebel - diese Musik ist modern und altmodisch zugleich... keine klare Linie... und das ist gut so! Schubladen gefällig? Vergesst das mal ganz schnell, denn es gibt keine passenden mehr... Welche anderen Gruppen haben derart viel zu bieten? Eine sicher nur sehr weitläufige "Ähnlichkeit" mit YES manifestiert sich zu Beginn von "Ballad for the drowned one"!!! Verhaltenes Intro und dann mit dem progressiven Vorschlaghammer voll auf die Festplatte... einfach göttlich!!! Die ersten drei Tracks sind eine aufregene Entdeckungsreise jenseits des Legacy-Gebirges und "Mirrorwaters" (in Anlehnung an Eichendorff's romantische Kurzgeschichte "Das Marmorbild"!!) die Summe derselben. Dieses muntere Karussell der Stilwechsel traut sich, wie bereits erwähnt, am Ende jazzige Elemente zu zitieren, bevor diese dann in einer episch-rabenschwarzen Breitseite gipfeln, die selbst die Dimmus von Borgir vor Neid erblassen lassen würde! Phänomenal!!! Jetzt fehlt eigentlich nur noch das Sinfonie-Orchester...
Die Geschichte mit dem "Kratzer" ist übrigens sehr originell, wenn auch nicht neu, denn das haben wir auch schon bei Anathema ("Judgement") gehört. Allerdings wurde diese Idee noch nie so konsequent und ganzheitlich ausgeführt! Das geht schon beim im Vinylplattenstyle gestalteten Cover los. Und wer's nicht kapiert, wird beim "Intro" zunächst einen Defekt vermuten... Falsch, denn knisternd begibt sich ein altes Grammophon auf die Reise...
Fazit: Was soll's. Worte sind nicht genug...! The Legacy ist Vergangenheit. Der NEUE Zauber heißt: "Future memorabilia"!
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Tracklist:
1. Weeping willow's weeping 2. Farewell my beloved 3. Ballad for the drowned one 4. Mirrorwaters
Bandpage:
opalessence.de
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Line-up:
Marco Klein: guitar/vocals Ruth Knepel: vocals Karsten Hanbuch: bass Max Kugler: guitar Andreas Goericke: drums Felix Walzer: keys
Flute on "Future memorabilia" by Monika Grasmück, bass guitar by Robert Kuhn
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