Literatur

Tödliches Handicap

von Eva Reichl


310 Seiten
© KSB-Media GmbH, Gerlingen
www.genusskrimi.de
ISBN 978-3-946105-62-6



Lange hat es gedauert, wieder etwas von Chefinspektor Thomas Neuhorn zu hören, und fast schien es, in Sachen "Linz-Krimi-Reihe" wäre nun alles gesagt. Mit "Tödliches Handicap" wird die Reihe nun tatsächlich fortgesetzt. Wer die beiden Titel "Kasparows Züge" und "Teufelspoker", 2012 und 2013 erschienen, kennt, kann sich unschwer vorstellen, dass Eva Reichl mit Überraschungen nicht geizt. Den Rezensenten bringt die literarische "Vorbelastung" jedoch in gewisse Schwierigkeiten, denn mehr darf man über die unkonventionellen Vorgänger nicht erzählen ...

Wie soll man überhaupt das vorliegende Werk besprechen, ohne zu viel zu verraten? Der Klappentext gibt in keinster Weise Hinweise darauf, dass sich Gestaltung und Inhalt des Romans von anderen grundlegend unterscheiden. Lediglich die beneidenswerten Kenner der zitierten Bücher wissen im Prinzip, was sie erwartet. Sie dürften es zumindest hoffen, denn jene Zeilen, die wohl eine Art Vorwort darstellen sollen, sind sehr aufschlussreich ...

Was zu berichten ist, mutet zunächst etwas trocken an, was die Autorin durch einen ebensolchen Stil unterstreicht. Der tschechische Ministerpräsident wurde zu einem Gespräch mit der österreichischen Landesregierung eingeladen. Das Treffen, mit dem brisanten Thema Ausbau des grenznahen Kernkraftwerkes Temelin, findet im Linzer Landhaus statt.

Neben zahlreichen Sicherheitskräften sind auch Chefinspektor Thomas Neuhorn und sein Kollege Mark Sollstein anwesend. Die Veranstaltung verläuft zunächst in geordneten Bahnen, endet aber in einer Schießerei. Ziel waren die beiden Beamten der Linzer Kriminalpolizei, wobei es sich um zwei verschiedene Täter handelt. Weshalb ausgerechnet jene Ziel eines Anschlags wurden, ist zunächst unklar und wenig nachvollziehbar. Ebenso die Tatsache, dass Thomas Neuhorn dabei getötet wird!

Eva Reichl geht wieder einmal grundsätzlich andere Wege, indem sie also ihren Hauptdarsteller opfert, was loyale Leserinnen und Leser schockieren dürfte, obwohl es ihnen im Klappentaxt bereits verraten wird. Selbstverständlich hat sie noch mehr zu bieten, denn eine weitere, nicht unwesentlich weit entfernte, Handlungsebene spielt wieder eine maßgebliche Rolle, und hier herrschen ganz andere "Zustände".

Leider wirkt der simple Erzählstil der Autorin ebenso lieb- wie farblos, und selbst wenn mit großem Aufgebot an Polizeikräften ein größeres Anwesen gestürmt wird, entwickelt sich so etwas wie Spannung nur in Spurenelementen. Wäre die "göttliche Nebenhandlung" nicht, könnte man den Roman, der eine Idee von John Nivens "Coma" ausgeliehen zu haben scheint (sprachlich aber in keinem Fall mithalten kann), mühelos vergessen.

Seltsam auch, dass es die Autorin für notwendig befand, die Marke eines bekannten Energiedrinks auf acht Seiten insgesamt elf Mal zu erwähnen. Immerhin rettet ihr Humor den Krimi stellenweise, insbesondere wenn sie von den Hobbys des "Chefs" der Nebenhandlung spricht oder jene spaßigen Dialoge, die "dort" üblich sind! Insgesamt kommt "Tödliches Handicap" nicht an den erwähnten Vorgänger heran und an "Kasparows Züge" schon gar nicht.

 

Thomas Lawall - September 2017

 

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