Literatur

Schatten

von Ursula Poznanski


416 Seiten
© 2017 by Rowohlt Verlag GmbH
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-8052-5063-4



Die Vergangenheit ist auf der Überholspur. Beatrice Kaspari, Ermittlerin im Dezernat Leib und Leben der Polizei Salzburg, studiert Fotos des Tatorts. Der Name des Opfers kommt ihr bekannt vor, doch zunächst kann sie keinen Bezug herstellen. Als sie begreift, wer er ist, rollt eine Lawine vergangener Ereignisse auf sie zu.

Das Opfer hatte sie einst im Rahmen einer Körperverletzung aufs Präsidium vorgeladen. An das, was kurz vor der Vernehmung geschah, erinnert sie sich nur ungern. Schließlich entdeckt sie auf einem weiteren Foto einen Zeitungsausschnitt, der sie noch etwas weiter in die Vergangenheit führt. Aus dem vermeintlichen Routinefall wird eine Angelegenheit mit ungeahnter Tragweite ...

... den Ursula Poznanski mit durchaus ungewohnten Vorzeichen startet. Niemand scheint Mitleid mit Markus Wallner zu haben, nicht einmal Kaspari. Selbst sein Bruder bezeichnet ihn als furchtbaren Menschen. Auch seine frühere Lebensgefährtin Jessica Singer, die Mutter seiner Tochter, lässt die Autorin eine kapitale Breitseite abfeuern. Zwar begrüßt sie die Suche nach dem Mörder, ist sich aber andererseits sicher, dass er durch seine Tat "die Welt besser gemacht" hat. So ganz nebenbei wird der Kreis der Verdächtigen damit wesentlich vergrößert, zumal alle, die Wallner kannten, der gleichen Ansicht sind!

Ursula Poznanski zieht den Spannungsbogen durch die Vielzahl der möglichen Täter, sowie durch den mehrschichtigen Aufbau der Bezüge in der Vergangenheit, gleich zu Beginn bis zum Äußersten. Sollte man meinen. Doch damit nicht genug.

Nach "Blinde Vögel" und "Stimmen" gönnt sie ihrer Hauptdarstellerin noch immer kein geordnetes Familienleben. Mit ihrem Ex-Mann Achim steht sie auf Kriegsfuß und die gemeinsamen Kinder Jakob und Mina zwingen sie immer wieder zu unangenehmsten Konfrontationen mit dem Choleriker. Zwar festigt sich die Beziehung zum Kollegen Florin, doch mehr oder weniger ist das alles noch nicht offiziell.

Privat und beruflich stehen alle Zeichen auf Eskalation, wobei die Autorin ihre Vorliebe für ambivalente Szenarien wieder voll ausspielt und sei es nur ein Telefongespräch von Beatrice, welches sie mit ihrer Mutter, gezwungenermaßen an einem grausigen Tatort, führen muss. An anderer Stelle feilt sie gewisse Dialoge geradezu mit transaktionsanalytischem Ansatz, und erzeugt damit Spannung, die sich dem Unerträglichen nähert.

Den empathielosen Mörder stellt sie uns im Prolog vor, so dass eine Gänsehaut bereits vor dem eigentlichen Einstieg in die Geschichte garantiert ist. Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit widmet sie aber ihrer Protagonistin Beatrice Kaspari, die sie mit Bergen von unentdeckten Kapiteln ihrer Vergangenheit konfrontiert und Leserinnen und Leser auf jene aufregende Suche mitnimmt, ja völlig vereinnahmt.

Ihre Charakterisierungen zeichnen das ambivalente Seelenleben einer in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Frau. Zerbrechlich wie die Flügel eines Schmetterlings ist sie und doch stark wie ein Löwe. Verzweiflung kann sie leben und überleben und es scheint, dass sie an den Abgründen, mit denen sie Bekanntschaft schließt, immer noch wächst. Hofft man wenigstens ...

Fazit: Gnadenlos. Gut.

 

Thomas Lawall - Mai 2017

 

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