Literatur

Sektion 3 | Hanseapolis
Präludium


von Miriam Pharo


320 Seiten
© ACABUS Verlag, Hamburg 2012
www.acabus-verlag.de
www.miriam-pharo.com
ISBN 978-3-86282-149-5



Cyd ist "ein Baum von einer Frau" und sie kommt schnell zur Sache. Eng ist es hier im Labor von Paavos 24/7-Resto. Inmitten von diversen Lebensmitteltanks, die beweisen, dass Paavo für die Herstellung seiner Gerichte ohne Zentrifugen und Rotationsvaporatoren auskommt, macht er seine Freundin Cyd mit Aldo bekannt. Der Wirt von "Paavos Galaxie" hat gewisse Verbindungen, die sich nicht nur für Aldo als außerordentlich lukrativ erweisen könnten.

Cyd nimmt ihre "GCS-Konsole" in Betrieb. Die "Marienthaler Nadel" erscheint als schwebendes Konstrukt und Cyd lenkt sofort die Aufmerksamkeit auf den oberen Teil des Gebäudes. Dort befindet sich die Kunstgalerie von Malte Hill, dem Chef von "Green Foundation". Der zwiebelförmige Raum befindet sich in den obersten Stockwerken in 700m Höhe. In einer Vergrößerung ist das eigentliche Ziel zu erkennen: Die "Affrodite". Die von dem großen Cyberstar "Yuquo" geschaffene Skulptur eines Berberaffenweibchens ist ein Vermögen wert. 75.000 Eurodollar gibt es als Anzahlung und die restlichen 225.000 bei Übergabe der Skulptur. Aldo muss nicht lange überlegen und übernimmt den Auftrag. Das Geld könnte er sehr gut gebrauchen, zumal er im Moment in einigen Schwierigkeiten steckt. Aldo Farouche ist auf der Flucht ...

In CupolaV, dem komplett restaurierten und inzwischen von einer Polymer-Domkuppel überdachten Venedig passierte Seltsames. Eigentlich hätte Aldo der VIP-Zugangscode zum Dogenpalast ein Vermögen einbringen sollen, doch es kam anders. Sein Hehler ging am Ort der Übergabe unvermittelt auf ihn los, wofür er keine Erklärung fand. Seit Jahren hatten sie ihr Geschäfte ohne Probleme abgewickelt und nun ging Pantalone ohne jede Vorwarnung auch noch mit einem Laser auf ihn los. Aldo musste sofort reagieren. Ein massiver Kerzenständer, der sich in greifbarer Nähe befand, löste sein Problem umgehend und endgültig ...

Dem Mörder auf der Spur sind die Ermittler Elias Kosloff und Kollegin Louann Marino. Die Spur führt von "Venezia a Cupola", der von dem Medienkonzern "Glob4Kic" zum Freizeitpark umgestalteten Lagunenstadt, nach Hanseapolis. Dort beginnen die beiden praktisch bei Null. Einmal mehr ist altmodische Polizeiarbeit angesagt. Der vermeintliche Mörder ist schnell gefunden, doch nicht so, wie man es sich vorgestellt hat. Die Detectives vom Morddezernat von Hanseapolis haben einen weiteren Mordfall zu lösen, denn Aldo Farouche ist tot.

Er wird in seinem völlig verwüsteten Appartement gefunden. Der oder die Täter suchten etwas, und es schien von großer Wichtigkeit gewesen zu sein. Selbst Waschbecken, Toilette und sogar die Duschkabine waren herausgerissen. Doch offenbar fanden sie nicht, was sie suchten. Aldos Leiche gibt weitere Rätsel auf, denn er ist in einer dicken, rötlichen Salzkruste eingeschlossen. In der Gerichtsmedizin wird die kristallisierte Leiche geöffnet. Die obere Speiseröhre gibt einen erstaunlichen Fund frei - einen kleinen rötlichen Kristall, von einer gelben Aura umgeben. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass dieser Kristall nicht nur aus unbekanntem Gestein besteht, sondern offenbar nicht von der Erde stammt ...

Miriam Pharo skizziert mit diesen Ereignissen erst den Anfang der spektakulären Fortsetzung ihrer Reihe um die Sektion 3 | Hanseapolis. Eine Besonderheit stellt die Einteilung des Romans in 24 Kapitel dar, die eine Anlehnung an die 24 Präludien von Chopin nicht abstreiten. Inhaltlich kann ich eine Orientierung an Chopins Musik, im Gegensatz zur Autorin, aber keinesfalls nachvollziehen. Die "Grundstimmung" ist eine völlig andere. Immerhin ist die Idee recht originell und dürfte seinesgleichen suchen.

Bereits der Umfang von "Präludium" lässt erahnen, was sich inhaltlich schnell bestätigt: Diese Fortsetzung ist keinesfalls ein müder Abklatsch von "Schlangenfutter" (2009) oder "Schattenspiele" (2010). Ganz im Gegenteil, denn die Autorin setzt mit dem dritten Teil ihres Zukunftsthrillers nicht nur auf eine oberflächliche Erweiterung auf über 300 Seiten, sondern inhaltlich auf eine sprichwörtliche Multiplikation der Ereignisse der beiden Vorgänger!

Wenig verändert zeigt sich der Aufbau ihrer Erzählstruktur, wobei auf den zweiten Blick vielleicht eine größere Verdichtung und Dramatisierung der Handlung zu erkennen ist. Verantwortlich hierfür ist ihr ungebrochener Ideenreichtum, der einfach zu diesen Maßnahmen zwingt. Von diesem Standpunkt aus gesehen ist es gar verwunderlich, wie es überhaupt zu schaffen ist, eine derart vielschichtige Story auf "nur" 300 Seiten zu pressen. Überraschende Wendungen gibt es ja zu Beginn schon reichlich, wobei die Handlung diesmal regelrecht zu explodieren scheint. In alle Richtungen!

Auch in "Präludium" geizt Miriam Pharo nicht mit Besonderheiten im Detail, weshalb ein Glossar wiederum angeboten wird. Dieses beinhaltet aber bei weitem nicht Erläuterungen für alle technischen "Kleinigkeiten", die ihren Vorstellungen von der Zukunft entsprechen. Herauszufinden, was ein "Getränke-Replikator mit Kaffee-Modul", ein "Long-life-Kaugummi", ein "Endokorsett" oder eine "Luftboje" ist, bleibt dann das Vergnügen des Lesers. Ein Paradebeispiel in Sachen Wohnsituation ist die Beschreibung von Cyds Loft im hundertdreiundvierzigsten Level des Humbolt-Towers auf S. 98-100!   

Somit ist und bleibt die Reihe nicht nur ein lesenswertes SF-Abenteuer, sondern geht weit darüber hinaus. Spannende Geschichten gibt es viele, aber der Blick in die Zukunft ist bei Miriam Pharo nicht nur eine Art zeitversetzte Bühne, die eine gewöhnliche Story insofern aufzuwerten versucht, indem sie sie einfach in die Zukunft verlegt. Hier darf es etwas mehr sein!

Die Lebensweise der Menschen, wie und wo sie leben (oder hausen) müssen, der Umbau und die Entwicklung von Städten wie Hamburg oder Venedig, die Umgestaltung ganzer Regionen, veränderte Umweltbedingungen, die besagten technischen Einzelheiten und Weiterentwicklungen schaffen die perfekte Illusion einer möglichen Zukunft, wie sie teilweise sein oder lieber nicht sein sollte. In jedem Fall erreicht die Autorin aber gleich mehrere Dinge. Neben der Erzählung einer spannenden Geschichte regt sie darüber hinaus die Phantasie ihrer Leserinnen und Leser an. Heute schon erfahren, was morgen sein könnte. Hier gibt es Antworten!

Und noch etwas fällt positiv auf, was auch einmal erwähnt werden sollte. Der nicht unbedingt sehr glücklichen Covergestaltung der beiden ersten Bände folgt nun erstmals ein wirklich tolles Titelbild, welches man meiner Ansicht nach nun wirklich nicht besser machen könnte. Erstmals erhält der Inhalt des Werkes nun auch eine optisch gleichwertige Entsprechung auf dem Buchcover. Dem kann ich jetzt abschließend nur noch ein unzweifelhaft zweideutig auszulegendes "Weiter so" hinzufügen!

 

Thomas Lawall - August 2012

 

 

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