Literatur

Horvath auf der Flucht
Des Lehrers dritter Fall


von Marc Hofmann


288 Seiten
© 2023 Knaur Taschenbuch
www.knaur.de
ISBN 978-3-426-52884-6



Da kann man doch wieder mal sehen, mit wie viel Freizeit selbst Gymnasiallehrer gesegnet sind. Wie sonst könnte es möglich sein, dass ein aktiver Lehrkörper, der in Sachen Deutsch und Englisch unterrichtet, jetzt bereits den dritten Fall seiner Horvath-Reihe zu präsentieren in der Lage ist. Zudem sind ja Lehrer, wie Marc Hofmann selbstkritisch anmerkt, "grundsätzlich nicht begeistert von Veränderungen", weshalb schon deswegen die Bücherschreiberei weitergehen muss.

Und das ist nicht unbedingt ein Nachteil, denn was sich in den beiden Vorgängern "Der Mathelehrer und der Tod" und "Horvath und die verschwundenen Schüler" bereits ankündigte, bestätigt sich jetzt eindrucksvoll. Das Potential für Fortsetzungen ist vorhanden! Auch am Stil hat sich wenig geändert, zumal dieser unbedingt, aus oben genannten Gründen und wenn man erst einmal "verbeamtet" ist sowieso (für Einsteiger: Das zuletzt genannte Adjektiv hat nichts mit gewissen SF-Serien zu tun!), erhalten werden muss.

Wie dem auch sei, bugsiert sich Gregor Horvath in eine gigantische Zwickmühle, die er, jedoch in abgeschwächter Form, gut kennt. Die Balance zwischen den Interessen der Schüler/innen und denen der Eltern erfolgreich und nachhaltig zu halten ist eine Kunst. Wobei nicht selten die Problematik eher auf dem Verhalten und den Erwartungen der Eltern zu suchen und zu finden ist. So auch in des Lehrers drittem Fall.

Der Einstieg in die jeweiligen Vorgänger gestaltete sich zwar ebenfalls knackig bis spektakulär, doch im dritten Fall geht es bereits im Prolog voll zur Sache. Action ab der ersten Seite. Bezeichnenderweise heißt der Schüler, der sich hier außerordentlich handgreiflich zeigt, Thor. Seine Handlungen erfordern ein Eingreifen Horvaths und an dieser Stelle reichen seine Worte nicht mehr aus...

Das allein lässt Schlimmes erahnen, was für beide Seiten nicht folgenlos bleiben kann. Fiktiv ist ein solches Szenario heutzutage leider nicht mehr, was (nicht nur) der Rezensent in einigen, teilweise selbst erlebten Fällen bezeugen kann. Folglich muss die Romanform noch einen draufsetzen.

Gregor Horvath muss sich nun mit einigen Konsequenzen herumschlagen, die sich aber mit sich selbst multiplizieren, als der Vater eines Schülers ermordet wird. Die zuständigen Behörden sehen in Gregor Horvath nicht nur einen Verdächtigen, sondern unterstellen ihm auch eine Gelegenheit und ein Motiv für die Tat. Das kann der Gymnasiallehrer selbstverständlich nicht auf sich sitzen lassen und leitet -natürlich- eigene Ermittlungen ein.

Das ist immer noch spannend und unterhaltsam zugleich, wobei der Anspruch auch wieder nicht zu kurz kommt. Dieses Mal ist es Kafkas "Prozess", der die Gedankenwelt Horvaths begleitet und der ständig, vielleicht sogar zu oft, parallel geschaltet wird. Passend zur Gesamtsituation dürfen sich seine Schülerinnen und Schüler mit den Unterschieden zwischen moralischer und juristischer Schuld beschäftigen. Literaturverweise auf Freud, Brecht, Christie, Platon, Dostojewski oder Wilde sorgen ebenfalls für (periphere) Bereicherung.

Bezüge zu Band 1 und 2 existieren ebenfalls, mit der besonderen Betonung auf dem zweiten, denn hier wäre noch eine gewisse Sache offen. Ebenso offen ist Horvaths weiterer Umgang mit moderner Technik. Dank Corona musste sich wegen der Schulschließungen zwangsläufig etwas ändern. Sogar ein Handy, wenn auch ein älteres Modell, befindet sich jetzt in seinem Besitz. Zu den "schockierenden Entwicklungen" gehören die Anschaffungen eines Druckers mit Scanner!

Zu den Spezialitäten des Autors gehören unter anderem die Entwicklung entsprechender Gegengewichte, die seine Hauptfigur als Ausgleich und zum allgemeinen Seelenheil dringend benötigt. Diese befinden sich auch und vor allem auf sprachlicher Ebene, sowohl auf grammatikalischer Ebene als auch in der Wiedereingliederung altertümlicher Ausdrucksweisen in seinen aktuellen Wortschatz, was auch "fürderhin" für Erheiterung sorgen dürfte.

Es ergeht somit eine dringende Leseempfehlung für alle diesbezüglich orientierten Krimifans, unter besonderer Berücksichtigung jener, denen ein nicht verwendeter Genitiv den Schlaf zu rauben in der Lage ist.

 

Thomas Lawall - März 2023

 

 

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