Horvath und die verschwundenen Schüler Des Lehrers zweiter Fall
von Marc Hofmann
304 Seiten © 2021 Knaur Taschenbuch www.knaur.de ISBN 978-3-426-52548-7
Nachdem es in "Der Mathelehrer und der Tod" einen ebensolchen Lehrer erwischt hat, müssen wir uns im zweiten Teil der Reihe weniger mit jenen Andeutungen oder gar schon vollendeten Tatsachen abfinden, die in einem Kriminalroman im Allgemeinen erwartet werden. Marc Hofmann geht es jetzt gemächlicher und vor allem wesentlich unblutiger an.
Den Spieß der Erwartungen dreht er insofern um, als es ihm wichtiger ist, erst einmal seine Schülerinnen und Schüler und Teile des Kollegiums vorzustellen, sowie die Umstände zu erläutern, die zu einer Klassenfahrt in den Schwarzwald führten. Bis etwas "passiert", kann es also dauern. Der Beginn gestaltet sich vergleichsweise harmlos, denn das Verschwinden eines Schülers der elften Klasse ist zunächst einmal nichts besonderes.
Die übliche Mördersuche entfällt also, da sich zunächst keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen dieser Art ergeben. Die gesamte Situation ist diffus und völlig unklar. Das Tappen im Dunkeln ist im wahrsten Sinne des Wortes angesagt. Schauplatz ist eine Hütte in einem abgelegenen Teil des Schwarzwaldes, was die Sache zwar etwas vereinfacht, am Ende aber doch wieder nicht.
Während sich Gymnasiallehrer Gregor Horvath einmal mehr den Kopf zerbrechen muss, sind die ihm anvertrauten Schülerinnen und Schüler mehrheitlich damit beschäftigt, irgendwie mit dem schlechten Handyempfang zurechtzukommen. Pech, wenn man nicht schnell genug "Nein" sagen kann, während sich der eigentlich zuständige Klassenlehrer der 11c einen spontanen Kuraufenthalt gönnt, den er wohl bitter nötig hatte, so als ob er geahnt hätte, was Kollege Horvath nun ausbaden darf.
Mit federleichter, aber sehr spitzer Feder geschrieben, feuert der Autor, im wahren Leben wie "Kollege" Horvath Gymnasiallehrer, eine ganze Anzahl Breitseiten in Richtung "Jugend von heute". Indem er sie beispielsweise als "verantwortungslose Egozentriker und Narzissten" bezeichnet, mag er mit jener Momentaufnahme voll ins Schwarze treffen, ist aber gleichzeitig darauf bedacht, sich dem "Würgegriff des Zynismus" nicht wehrlos zu ergeben.
Als Kenner der Jugendszene und als einer, der die ihm Anvertrauten liebt, formuliert er keineswegs einseitig abwertend, was ihn als pädagogischen Überflieger mit Höchstnoten qualifiziert. Seine liebevollen Seitenhiebe weiß er zu relativieren, schließlich würden die Jugendlichen in einer "vollkommen irren Welt" aufwachsen. In diesem Kapitel holt der Autor zu einem globalen politischen Rundumschlag aus, ohne jedoch (auch hier) die Fassung zu verlieren.
So gelingt Marc Hofmann ein weiterer sehr unterhaltsamer Kriminalroman mit einem gerüttelt Maß an Tiefgang. Also wieder nichts von der Stange, sondern eine gelungene Mischung aus lockerer Krimiunterhaltung und Anspruch. Deshalb stört es auch gar nicht, wenn hier und da der "Lehrer" mit ihm durchgeht. Literarische Zitate von Eichendorff, Wondratschek, Brecht, Mann oder Poe fehlen ebenso wenig wie ein wenig Nachhilfe in deutscher Grammatik, was sich bereits im Untertitel des Buches andeutet.
Apropos, nach dem "zweiten Fall" kommt bekanntlich der dritte, dem wiederum der vierte folgt. Ob es dereinst in weiteren Fortsetzungen vielleicht zu einem Mord während einer schulischen Veranstaltung, dem Verschwinden der Elternbeiratsvorsitzenden oder gar zu einer Entführung Horvaths kommen könnte? Wer weiß. Das Potential ist vorhanden!
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