Musik

HUBERT VON GOISERN LIVE

KONZERTNOTIZEN KEMPTEN 20.07.02 UND NEUMARKT 26.07.02


Zwei Abende voller Töne - Klänge ohne Ufer und weit wie das Meer...


Ich bin sicher, dass meine sprachlichen Möglichkeiten nicht ausreichen, um diese beiden Konzertreisen auch nur annähernd beschreiben zu können. Ich habe keinerlei Ahnung, wie und wo ich anfangen soll. Über eine Woche ist schon vergangen, aber der verdammte Goisern füllt mir noch immer das Hirn bis zum Anschlag aus! Wo soll ich bloß anfangen???

Reiner Zufall, dass ich als Rookie ausgerechnet zum besten Goisernkonzert kam, dass je stattfand. Dies glaube ich Beate -die man wohl als größten Hubert-Fan der Milchstraße bezeichnen kann- blind. Nu ja - ich habe ja schon viele Events gesehen, aber das ist Vergangenheit! In Kempten sah ich Hubert zum ersten Mal - und es war eines meiner besten Konzert-Erlebnisse überhaupt!!!

Gerade hatte ich das Review zu Poika fertig. Nichtsahnend machte ich mich auf den knapp 300km weiten Weg nach Kempten. Ach, was soll ich sagen - schon im Vorfeld war ich hinüber. Allein die Gnade, die beiden unvergleichlichen HvG-Aktivistinnen und Revoluzzer-Endloss-Quassel-Groupies MARY und BEATE kennenlernen zu dürfen, hätte mir für die Nacht schon gereicht!
Mary sammelte mich in Nersingen an der Autobahn ein. Per Berlingo-Taxi gings dann weiter Richtung Berge. In Kempten musste ich noch ein Kasterl Bier schleppen (mit Liebesbrief versehen), welcher als Lockmittel für Hubert gedacht war...
Zuvor kam noch die katastrophale Stadtrundfahrt mit Mary, die den Unterschied zwischen Geradeaus-, Links- und Rechtsabbiegen mitunter sehr frei ausgelegt hat...
Natürlich fanden wir per Auto die Freilichtbühne Burghalde NICHT! Erstmal zu Fuß ging's bergauf - und tatsächlich erreichten wir die Stätte, die mich so verändern sollte...
Bühne fertig, niemand da - nur der Oberkellner. Er verriet uns den fahrbaren Weg nach oben. Na gut - und wer kam dann so ganz unvermittelt über die Wiese gelacht? Beate selbst und dann auch noch persönlich!!! Es war zwar erst gegen fünfzehn Uhr - aber sie kommt halt immer so früh und eigentlich gehört sie schon fast zum Equipment.
Mary und ich verschwanden wieder im Tal, um das Auto mit dem Kasterl wieder zu besteigen. Den Weg fanden wir nun problemlos. Es ging vorbei an jeder Sperre und an den Security-Leuten, bis hoch zum Oberkellner, der jedoch nicht mehr auffindbar war. Daraufhin schleppten Beate und Mary den Weißbierkasten zielstrebig und mit Genehmigung der Roadies in die Garderobe von Hubert und seiner Musiker, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß "das Teil" für Hubert bestimmt sei!
Erst in Neumarkt - eine Woche später - erfuhren wir, dass Hubert die Sendung tatsächlich erreicht hatte...
Denn nach dem Konzert in Kempten kam der Heißerwartete zunächst NICHT zu uns...

Ach ja - ich wollte eigentlich ein Konzertreview schreiben...
U.a. wurden die neuen Stücke von Poika gegeben. Da ist jedoch keinerlei Vergleich mehr möglich... und presst die Maxi-CD auf die Konsistenz von Luftpostpapier zusammen! Was im Studio offenbar so auf die Schnelle produziert wurde, entpuppt sich auf der Bühne als ein jeder Beschreibung spottendes, komplexes Crossover durch alle möglichen weltlichen Klänge und Musikrichtungen. Elemente aus Jazz, Blues, und Funk werden ebenfalls ohne jede Naht eingebaut! Mit einem Donnerschlag nach dem anderen multipliziert Weltenbummler Hubert von Goisern sich immer wieder mit sich selbst, dass es nur so kracht.

Im Gepäck hat er eine Handvoll erstklassiger Musiker. Allen voran  Antonio Porto, der mit seiner kraftvollen Basslinie der Band eine felsenfeste Grundlage gibt. Weltklasse war sein Solo - ich behaupte gerne öffentlich, dass Stanley Clarke wohl ebenfalls laut Beifall gezollt hätte!!!!
Und der nimmermüde Ouirl an der Percussion-Front hat ja wohl alle Konventionen hinter sich gelassen!!! In anderen Bands ist dieses Schlagwerk-Zusatzbrimborium ja mitunter nurmehr exotisches Beiwerk. Bernd Bechtloff spielt aber ein Hauptrolle in Huberts großer Oper! Dieser geniale Zappelphilipp zaubert selbst aus einen Einmachglas oder aus einer Blumenvase noch rhythmische Wunderwerke!!!
Es ist völlig unmöglich, dieses Konzert in kurzer Zeit zu verarbeiten. Hubert von Goisern schaufelt Berge von Musik auf die Bühne! Jeder einzelne Song allerdings ein Gebirge für sich! (Hab' ich das nicht irgendwo schon mal geschrieben? Grübel, grübel...)
Seine "TRADitionellen" Wurzeln hat er mit einer geradezu schon beängstigenden Komplexität zu gewaltigen Bildern verwoben. Heimat und tausend Tropfen Erde, aus allen Teilen dieses Planeten, webt Hubert von Goisern in einem imaginären Webstuhl zu einzigartigen Einzelkunstwerken zusammen. Ach was - Mist - Blödsinn...  - wo war ich?
Es gibt Stücke, die sehr simpel beginnen, dann aber regelrecht eskalieren!!! Die Musiker - die unterschiedlicher gar nicht sein können - nähern sich in dramatischer Weise an, verlassen ihre jeweiligen Schienen und werden plötzlich EINS! In diesem Moment, wo sie nur noch auf einem Gleis fahren, bricht ein ebenso lauter, wie tonnenschwerer Alpen-ICE los, der fast die Bühne zu verlassen droht. Mich hätte nicht gewundert, wenn hier oder da die ganze Bühne explodiert oder einfach ins Weltall verschwunden wäre!!!! Eine derart progressive Offenbarung durfte ich noch nie...

Über-Ich: Schnauze Thomas! Das ist ja unerträglich!
Thomas: Aber ich wollte doch nur...
Über-Ich: Es reicht!!!!
Thomas: Ich werde wieder sachlich, OK?
Über-Ich: Von mir aus - ich geh' jetzt ins Bett!

Probleme gab's leider auch: Marlene. Die Geige bediente sie tadellos. Nicht der geringste Fehler. Jeder einzelne Ton (waren es auch noch so wenige - grins), fügte sich harmonisch ins Gesamtbild ein. Bravo! Aber sonst stimmte eigentlich nichts. Dieses kindliche Schmalspur-Gewippe und das rätselhaft-gönnerhafte Dauergegrinse in Richtung Hubert, gingen nicht nur mir auf sämtliche verfügbaren Kekse! Erinnerte mich irgendwie an ein Konzert von Tristania 1999. Die hatten da auch so einen Roboter, oder war es doch keiner...
Und dann der Gesang - och nöööööööö - also da war Zabine, ohne dass ich mich jetzt den wehmütigen Nachrufen anschließen möchte, um Lichtjahre besser!

Nach Kempten war mir klar, dass ich nächsten Freitag (26.07.02) noch einmal weit fahren muss...
Mir hat auch dieses Konzert sehr gut gefallen, auch wenn das in Kempten um einen Tick besser gewesen zu schien. Aber diesmal hat die Sängerin wirklich genervt. Ich möchte wetten, dass Hubert für die Tour im nächsten Jahr das Ersatzbänklein schon entsprechend besetzt hat.

Dennoch war Neumarkt anders. Mary und Beate Neumarkt Hallehatten ihre Strategie geändert. Diesmal gab es das Kasterl nicht im voraus, sondern nur ein Zettelchen mit Gedicht und dem Hinweis, Hubert möge sich den Kasten nach dem Konzert doch am Ausgang PERSÖNLICH abholen, sonst würden wir die Ampullen selbst abkippen...!!!!!!!
Also diese beiden gottverdammten Alpentangas sind wirklich total durchgeknallt! Natürlich hat niemand so recht geglaubt, dass Hubert wirklich kommen würde. Nach dem Konzi wurde die Anlage abgebaut, bis schließlich nur noch eine Handvoll Leute verloren durch die Halle schlenderten. Und wir drei Hardliner lungerten am Ausgang rum.
Ja und gegen 1.30 Uhr geschah das Unfassbare... HUBERT KAM WIRKLICH ZU UNS!!!
Ob er wohl während des Konzerts den einen oder anderen Blick auf Marys "Spicker" ("Denk' an das braune Bier") geworfen hat? Prost Hubert!
Er erkundigte sich nach seinen Bierchen, worauf wir wie die aufgescheuchten Hühner zum Auto gackerten. Beate und ich schleppten den Kasten, Mary übernahm die Verantwortung.
Hubert wartete tatsächlich am Ausgang, bedankte sich, nahm eine Ampulle, öffnete sie mit der Rückseite seines Filzschreibers (gell Mary - oder war es DOCH das Feuerzeug?!), nahm einen beherzten Schluck und hielt mir dann die Flasche vor die verdutzte Nase mit den Worten: "Mogst a an Schluck?".
Booooooaaaaaaaaah - mir wurde ganz anders - aber dann war das Eis gebrochen. Ich gab die Pulle an die Mädels weiter - hernach gab's einen netten Smalltalk (Mit der Bemerkung "Möge der Saft mit Euch sein", outete Hubert sich als Mel-Brooks-Sympathisant!!), Fotos und Autogramme - u.a. auf verschiedene Kleidungsstücke - was ich hier aber nicht näher ausführen möchte....
Eine Unterschrift auf Mary's Bob Marley T-Shirt verweigerte Hubert, da er diesen nicht "entjungfern" wollte... und er fügte noch an "um den is schad"!!!

Ja - was soll ich noch sagen? Mir fällt nichts mehr ein, außer der Erkenntnis, dass nach diesen beiden Konzerten NICHTS mehr ist, wie es vorher war...


Thomas Lawall, Maria Diemer - 04.08.2002 (Überarbeitung im November 2004)
alle Fotos: © Mary

 

 

Besetzung:

Bernd Bechtloff: Percussion
Antonio Porto: Bass
Marlene Schuen: Geige
Burkhard Frauenlob: Keyboard
Bernhard Wimmer: Schagzeug
Gerhard Überbacher: E-Gitarre
Hubert von Goisern: Ziehharmonika, Gitarre, Flöte, Trompete, Mundharmonika...

 

 

 

 

Weitere Fotos vom Konzert (© Mary)

 

 

 

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