HUBERT VON GOISERN “POIKA ” (MCD 2002)
Ambivalenter Kult-Goisern
Ja, was ist DAS denn? Mit dem Cover kann ich ja rein gar nix anfangen!!! Gespannt war ich allerdings doch, denn in der Vergangenheit war Hubert von Goisern ja immer für eine positive Überraschung gut! Diesmal sollte es aber zunächst anders kommen... Im "Booklet" gähnt die Leere. Na dünner geht's eigentlich nimmer! Also gut - rein die Scheibe und - oh Schreck oh Graus: Das erste Stück ist ein Schuss in den Ofen! Uff, jetzt ist's raus. Meine Endgültige hat mich zwar vorgewarnt bzw. ich soll doch erst mal die Live-Umsetzung von "poika" abwarten. Mach' ich aber nicht, denn ich schreibe hier was über eine CD - nicht über ein Konzert! Denn da sind die Karten bekanntlich ganz anders gemischt!
Die mitunter hypersensible (und damit alles andere als "grenzenlos" denkende) Fangemeinde muss nicht gleich vom Melkschemel fallen, wenn ich jetzt ein paar knackige Formulierungen ins Gebirge jage! Hey - bei TOM UND MARYS wird etwas anders getextet und so wird das auch bleiben! Zurück zur Tagesordnung. Also, so ähnliche Schrummel-Balladen habe ich unlängst im Festzelt der Karnickelzüchter in Sinsheim gehört. (Ich bin da halt mal hin, weil mein Zwerghäslein -Peter Hase- ein Augenproblem hatte und ich dummerweise nicht mehr im Besitz der Gebrauchsanweisung war...). Nach Lummerland täte das Liedlein auch ganz gut passen. "Wuffdawuffda... eine Insel mit zwei Bergen..." Palim - Palim - also diese musikalische Handarbeit ist mir dann doch ein wenig zu preiswert gestrickt (auch wenn der Text durchaus Sinn macht!!!). Und sowieso hasse ich diese einfältige Mitmachmucke so ganz allgemein wie die Pest. Habe es nie verstanden, weshalb ich mich animieren lassen soll - egal von wem - meine sämtlichen Gliedmaßen außer Kontrolle geraten zu lassen und rumzuhoppsen wie eine ferngesteuerte Unterhose! Ich höre lieber zu und applaudiere dann ganz brav oder auch nicht...
Gaaaaaanz anders beim 2. Stück und ich SCHREIE vorweg: DAS hatte für mich, nach nur einmaligem Hören, bereits KULTSTATUS erworben! "volxjammer" symbolisiert die Rückkehr zum Grundgedanken des alpinen Goisern-Rocks!!! Nach seinen weltmusikalischen Exkursionen, die uns fast rund um den Erdball gebracht haben, ist Hubert wieder zu Hause angekommen. Nicht, dass mir das nicht gefallen hätte, aber diesmal könnte er ruhig ein wenig länger bleiben!!! Die Dramaturgie des Stücks ähnelt der in Solide Alm. Doch irgendwas ist anders. Ganz anders!!! Ich will es mal so formulieren: Also angenommen, aber NUR angenommen, die Alpinkatzen wären eine Art Vorschulgruppe zur musikalischen Früherziehung gewesen, DANN IST DAS JETZT DIE HOCHSCHULREIFE!!! Aber die Katzen waren ja schon höchstes Niveau... und DOCH ist hier ein geradezu unglaublicher Reifeprozess erkennbar. Ach Scheiße - ich versuch's anders (räusper). Mit den legendären (schluchz, heul...) Alpinkatzen setzte Hubert seine Vision der Synthese von Rock- und Volksmusik tadellos um. Das war schon ziemlich revolutionär damals - reichte ihm aber bekanntermaßen nicht. Seine Träume wurden "Grenzenlos" und "flüchteten" in alle Welt... Aus den unendlichen Weiten der Weltmusik ist Hubert nun zurück in die Heimat gefallen. Das manifestierte sich bereits vor gut einem Jahr mit dem Album "Trad", einer radikalen Reduktion auf das Wesentliche. Das Ende? Nein! Denn jetzt ist der Kreis geschlossen und es geht wieder los, wie dereinst! Doch nun ersetzt Hubert von Goisern die jugendliche Spielfreude der Alpinkatzen durch eine seltsam klare und absolut erwachsene Präzision!!!!!
Anführer ist, wie gehabt, die Zieharmonika und diese führt in nie dagewesener Intensität ein seltsames Vehikel...: Verhalten geht die Fahrt vom Gipfel hinab. Unterwegs springen nacheinander die Musikanten auf und gesellen sich zunächst recht zurückhaltend dazu. Die Spannung knistert und man merkt - die Leutchen haben irgendwas vor. Richtig, denn plötzlich verwandelt sich das Gefährt in einen - die ganze Paßstraße ausfüllenden - Tieflader und die geile Band startet mit einem Donnerschlag einen urgewaltigen Blues durch die Walhalla, dass alle umliegenden Gipfelkreuze erzittern!!! Grenzenlos genial ist wohl die (synthetische) Hammondorgel und das wuchtige Gitarrensolo - das Stück könnte ewig so weitergehen, aber es kommt, wie es kommen muss - unten im Tal legt der Sattelschlepper eine gnadenlose Vollbremsung ins Gelände! Schade - schon vorbei!
Das clownesk-balladige Intro von "über's wasser" erinnert an Herman Van Veens langjährigen Tastenbegleiter Erik van der Wurff, der einige seiner Lieder recht ähnlich beginnen zu pflegt... Hubert von Goisern entwickelt daraus aber einen sanften Gebirgsreggae, der so ganz nebenbei auch noch eine nette Kurzgeschichte erzählt: Ein Bub, mit eindeutigen Absichten, schleicht um das Haus der Angebeteten und wirft ihr ein Steinchen aufs (Haus-)Dach. Die Torte hört aber nix und ist am Morgen tieftraurig. (Hmmmmmm - eigentlich unlogisch, denn wenn sie nix gehört hat - weshalb sollte sie dann traurig sein???) Na ja, egal - jedenfalls hat sie keinen Bock, so eine Pleite nochmal zu erleben und gibt dem Geliebten deshalb den entscheidenden Hinweis: "I häng den schlissl nem di diar"...
Tja - alles in allem eine MCD mit Ecken und Kanten. Versöhnlich stimmt mich aber die sichere Gewissheit, mit dieser ambivalenten Scheibe den SCHLÜSSEL für den nächsten Longplayer in der Hand zu haben!!!!!!!!!!!!!!!!!
So. Und morgen fahre ich "weit, weit weg..."
|