Blind Review Nr. 15

Interpret, Albumtitel und Erscheinungsjahr sind (mir) nicht bekannt



Da Andreas als Frischling noch etwas unvorsichtig war, verriet er mir bereits im Vorfeld, dass er eine Blues-Scheibe ausgesucht hatte. Ich und Blues? Da geht mal eher wenig zusammen. Obwohl ich beim diesjährigen Burg-Herzberg-Festival zumindest eine Phase hatte, bei der ich angesichts der vorhandenen Beschallung überraschenderweise den Gedanken entwickelte: "Gibt's ja nicht, heute bin ich auf Blues!" Großartig ausgelebt hatte ich diese Neigung im weiteren Verlauf, warum auch immer, jedoch nicht. Ansonsten fallen mir zu dem Thema ein paar Stücke von The Tea Party oder Led Zeppelin ein, oder auch Gary Moores damalige plötzliche Wandlung zum Bluesrocker. Ach ja, und natürlich die wie immer brillante Stenkelfeldsche Hommage ans Genre...

Also mal zur eigentlichen Scheibe: Die zu vernehmende Mucke ist eindeutig ... Blues. Welch Überraschung! Ich wäre tatsächlich auch drauf gekommen ohne Highlanders Hinweis. Das Werk beginnt sehr entspannt mit Bass, Percussion, akustischer Gitarre und einer Stimme, die mich in manchen Momenten an Chris Rea erinnert. Das Gebotene ist glücklicherweise jedoch nicht mit dem schmalzigen Geseiere des Letzteren zu vergleichen, sondern groovt sehr entspannt und gar nicht unangenehm nach vorn und seitwärts. Besonders gefällt mir das Stück Nr. 2, das atmosphärisch beeindruckend dicht gewebt ist und mit etlichen, clever arrangierten Gitarrenspuren glänzen kann. Textlich haut der Mann am Mikro in die allzu typische Kerbe von Babies, die ihn verlassen haben, diversen Orten, die den Blues heraufbeschwören und den ganzen üblichen Floskeln, die bereits tausendmal verbraten wurden, für den Metalhörer vergleichbar mit den "Die for Metal"-Klischees, die Manowar seit Jahrzehnten in Endlosschleife aufwärmen. Garantiert nichts Weltbewegendes also. Macht aber nichts, denn ich vermute mal, dass das einfach so sein muss. In der ersten Hälfte des Albums gibt es eigentlich nur eine Nummer, nämlich die dritte, die ich eher lästig finde. Begleitet von Slide-Gitarre und wahrscheinlich einem Banjo wird dort gospelmäßig in zigfacher Wiederholung von "Jesus on the main line" schwadroniert, dass es einem langweilig-schunkelig ums Herz wird. Ansonsten geht es wesentlich erfreulicher entspannt-groovig wie anfangs beschrieben zu bzw. gibt es typische Bluesstandards in Form von lediglich klampfenbegleitetem Gesang zu vernehmen.

Track 8, ein zupfgeigenhanselmäßiges Instrumental, plätschert dann nochmal recht lau an mir vorbei, bevor die Scheibe eine überraschende Wendung nimmt: Plötzlich wird eine funky Gitarre gezupft und ein amtliches Drumkit beklöppelt. Klingt jetzt also quasi nach Funk-Blues-(Rock). Doch damit nicht genug, denn in den nächsten Stücken geht es mit dieser deutlich erhöhten Schlagzahl weiter, so dass man den Eindruck gewinnt, es mit einer ganz anderen Einspielung zu tun zu haben. Der Sangesbarde ist vernehmlich der gleiche wie zu Beginn, also scheinen die Songs tatsächlich zusammen zu gehören. Konnte sich da jemand nicht recht für eine Richtung entscheiden oder handelt es sich gar um eine Zusammenstellung zwei verschiedener Aufnahmen?

Ganz krass die Nr. 11, wo nun gerappt statt gesungen wird, was aber halb so schlimm klingt, wie man jetzt vielleicht vermuten könnte. Die Mucke groovt weiterhin recht kernig, vielleicht so Richtung Mother's Finest und hin und wieder gibt's sogar ein E-Gitarrensolo zu vermelden. Im letzten Track darf die Klampfe dann von Anfang an mit Verzerrung agieren, was mich zu der Vermutung veranlasst, dass wir es in diesem Fall jetzt tatsächlich mit BluesROCK zu tun haben. Irgendwie kommt mir das Stück sehr bekannt vor - na klar, das ist wieder der Eröffnungssong, diesmal im härteren Gewand, und der Kreis wird auf wundersame Weise geschlossen. Oder doch nicht ganz, denn nach ein paar Minuten Leerlauf spendiert man uns noch einen "hidden track". Auch dieser ist nicht mehr ganz unbekannt, denn es handelt sich um eine mit nostalgischen Knistereffekten verzierte Pseudo-Vinyl-Version des Tracks Nr. 6. Wer's braucht.

Von den erwähnten Ausnahmen abgesehen halte ich das Material für ein ziemlich begabt geschriebenes und eingespieltes Album, das auch produktionsmäßig recht amtlich rüberkommt. Allein die Tatsache, dass ich als eigentlicher Kostverächter mir die Scheibe zigmal problemlos anhören konnte und über weite Strecken den Eindruck habe, dass das Zeug irgendwie gut gemacht ist, verdeutlicht wohl, dass die Musiker Einiges drauf haben. Komisch nur diese Zweiteilung - ein homogenes Album klingt anders. Also tippe ich mal darauf, dass hier zwei EPs (o.ä.) auf eine CD gepresst wurden. Mit Bandnamen kann ich hier natürlich nicht aufwarten, aber mein Gefühl sagt mir, dass eher der Schriftzug eines Einzelkünstlers, nämlich jener des Knabens, der auch für den Gesang zuständig ist, das Cover ziert. Vom Akzent her dürfte Englisch nicht seine Muttersprache sein, weswegen ich mutig auf einen deutschen Staatsbürger mit USA-Erfahrung tippe. Aber wahrscheinlich liege ich eh völlig daneben.

 

Carsten Buchhold - November 2009

 


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