Interpret, Albumtitel und Erscheinungsjahr sind (mir) nicht bekannt
OK, die Voraussetzungen sind gegeben: Ich kenne die Scheibe nicht. Und das geht auch völlig in Ordnung...
Mit punkigem Einschlag wird sogleich die Marschrichtung festgelegt. Schon ewig nicht mehr gehört, doch die nostalgisch angehauchte Freude verfliegt rasch, denn der erste Eindruck wird rasch relativiert. Die reine Lehre wird schnell und reichlich verwässert sowie songdienlich eingeebnet, wohl um einen größeren Kundenkreis anzusprechen. Also, das softrockige Einheitsgedudel höre ich den ganzen Tag im Radio. Ob BAB, WESTERNHAGEN, GRÖNEMEYER, PUR oder MAFFAY & Co. KG GmbH - die haben alle (mehr oder weniger) den gleichen Sound - zumindest aber alle den gleichen Schlagzeuger (lol). So hört es sich jedenfalls an ...
Mit der Stimme des Hauptdarstellers muss man ebenfalls klarkommen, denn seine seifige Intonation kommt wie durch eine Presswurst gequält. Durchaus angenehm rauh, aber irgendwie schmierig. Gut, dafür kann ja niemand nix und außerdem werden sicher nicht wenige Fans gerade auf diese Stimme stehen. Ich möchte mich eingangs allerdings gleich dem guten Rat des Barden anschließen, der den Herren der Schöpfung empfiehlt, mal etwas mehr Frau und nicht immer so männlich zu sein. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Scheibe sage ich deshalb einfach mal "Au"!
Mit der Wort- und Textwahl sieht es in der Tat, zumindest auf den ersten Blick, etwas anders aus, denn hier fällt die Band reichlich aus dem Rahmen. Weg ist die Radiotauglichkeit, was zunächst immer ein Pluspunkt ist. Gegen provokante Texte habe ich ebenfalls nichts, aber in diesem Fall kommt einfach wenig rüber, zudem der Anspruch an der eigenen Intoleranz zu ersticken scheint!
Im ersten Song bekommen die Rentner ihr Fett weg. "Rentner ja ja, für alles kriegst du Ermäßigung ... Rentner bumsen immer mehr, Rentner sind immer geil ....ja ja, ihr seid die Gefahr, ihr werdet mehr von Jahr zu Jahr ... man was ist die Sau so fett." Öhm, wer schreibt so einen Bullshit? Haben die noch alle Nadeln an der Tanne? Was ist denn das für ein frühpubertäres Gelaber? Ebenso unverschämt wie diffus und absolut unsachlich. Die Leere der inhaltlichen "Aussagen" wird noch dadurch unterstrichen, dass man ca. 100 - 200mal "der Rentner" hächelnd wiederholen muss. Hoffentlich sorgt die Band wenigstens für eine Vorbildfunktion und setzt genug eigene Kinder in die Welt, damit die Rentner nicht tatsächlich dereinst die Macht übernehmen. Derlei gute Taten würden sich gerade in unseren Landen ziemlich lohnen, da Millionen von Singles sowie karriere- und geldgeile Doppelverdiener Kinder nur noch als familiären Störfall definieren. Äh ... wie wäre es denn mit einem Song über Kinderhasser?
Im dritten Song wird behauptet: "Ein Mann der sich mit Roland Koch blitzen lässt, ist für immer verloren." Muhahahaaa, diesen Satz findet man dann so toll, dass man ihn (ebenfalls) permanent wiederholen muss. "Schade Dalai Lama, du hast es gemacht und dabei noch blöd gelacht." Meine Güte, geht's noch? "Ein Mann der sich mit Roland Koch blitzen lässt, kann nicht weise sein ... ist nicht religiös ... hat überhaupt nichts kapiert ... wurde vom Teufel verführt" Hä? Ich glaube, der Hobby-Zyniker hat erstens nichts von dem verstanden, für was der Dalai Lama steht und unterliegt zweitens der zweifelhaften Lust, permanent peinlichste Eigentore zu schießen. Wie eng, borniert und intolerant kann ein Weltbild sein ... mannomann!
Von preiswertem Rhythmus und hölzernem Geklöppel auf einer Kindertrommel begleitet, gibt es in in Track vier zur Abwechslung eine deftige Portion Aufklärung, denn uns erschlägt die überraschende Erkenntnis: "Wenn sich zwei lieben, kann daraus ein Kind entstehen." Wow, wer hätte das gedacht!
Ab der fünften Nummer, die im Prinzip nur noch aus Wiederholungen der zuvor gezeigten Leistungen besteht, kann man bereits mit dem Vorspulen anfangen, was ich dann auch getan habe, denn dieser Vorschulrock-Rock nervt ja nur noch ab. Track 10 nimmt Motorradfahrer aufs Korn: "Ich heize mit Blaulicht durch die Stadt, weil ich schon wieder was zu retten hab." Die Story dreht sich um einen von der Straße abgekratzten Motorradfahrer. Lustige, geschmackvolle Geschichte, echt. Die 11 kommt als (Duft-)Ballade und ist dann gar nicht mehr zu ertragen. Vorspulen ist wieder angesagt.
Und was kommt jetzt? "Verdamp lang her"? Nö, klingt nur so ... och nee, ich mag nicht mehr ... wobei dem nächsten Song ein Anspruch nicht abzusprechen ist. "Scheiß Film" (falls der Song so heißt) brandmarkt das zu großen Teilen sensationsgeile Kinopublikum, das nur noch pure Gewalt interessiert und amüsiert. Dafür gibt es zwei satte Hoffnungspunkte, auch wenn in diesem Song wieder gnadenlos pauschalisiert und alles und jeder in einen Topf geworfen wird. Die musikalische Untermalung ist, wie gehabt, Flachtauching pur ...
... denn es ist Musik von der Stange. Ohne jede Innovation und irgendwas Aufregendes. Ewig die gleich Suppe, ewig dieser glattproduzierte Brei - dabei wären jede Menge brauchbare Ansätze vorhanden, zumal trotz textlicher Irritationen ein gewisser Anspruch nicht zu leugnen ist. Würde man das Ganze etwas härter fahren und progressive Ideen (besonders die im letzten Stück) tatsächlich umsetzen, würden die Verkaufszahlen vielleicht fallen, doch man wäre vielleicht dem eigenen Weg und Selbstverständnis etwas näher gekommen. Na gut, ich weiß, der gemeine musikalische Sozialhilfeempfänger steht auf Wiederholungen - einfache Strukturen gehen halt in die Beine und einfacher ins Ohr ...
... aber bei mir gleich wieder raus. Deshalb ein wohlgemeinter Rat zum Schluss - ein Zitat aus dem Schatzkästlein des bandeigenen Textrepertoirs:
"Pack deine Statements wieder ein. Die braucht doch kein Schwein."
Fazit: Pseudoprovokante Gähnnummer. Neuer deutscher Placebo-Punk.
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