Blind Review Nr. 10/Loes.

Auflösung des Blind-Reviews Nr. 10
 

COSMIC VOICES OF BULGARIA - Mechmetio



Nun machen wir hier in der Blindverkostungs-Sparte auch mal eine kleine Weltmusik-Ecke auf!

Wir lauschen dem archaischen, geheimnisvollen Zusammenklang jener 21 Frauenstimmen, die gemeinsam seit 20 Jahren als "Cosmic Voices", einem bulgarischen Frauenchor, die Welt bereisen und besonders auch westliche Hörer in ihren Bann ziehen.
Im Heimatland sind die Damen ebenfalls beliebt, weil es ihnen offensichtlich gelang, die traditionellen Gesänge ohne Kitsch und ohne lieblos unterlegte Pop-Beats ans Publikum zu bringen. (Dies gelingt osteuropäischen Folkloreinterpreten durchaus nicht immer).

Wie klingt denn nun aber ein traditioneller bulgarischer Frauenchor? - Das ist nur schwer zu beschreiben. Mit unseren westlichen Hörgewohnheiten kommen wir hier absolut nicht weiter, die Stimmen klingen nicht zart oder schmeichelnd-weich, die Harmonien klingen in unseren Ohren eben NICHT sofort "harmonisch", der Gesang ist nicht "schön gemacht".
Vielmehr hören wir einen kehligen, klaren, scharfen, aber stets differenzierten Klang, der auch mal ins Klagende oder Meckernde abdriftet.
"Alles, was ich als Frau kann, das kann meine Stimme." - so beschreibt eine der Sängerinnen das stimmliche Repertoire. Dazu gehören Schreien, Kreischen, Jammern, Quaken genauso wie lustiges Plappern oder liebliches Summen.
Ich persönlich empfand die Stimmen in der Tat als "außerirdisch" (cosmic), weil irgendwie metallisch, was sicher auch durch die enge, gepresste Stimmgebung bedingt ist - mit dieser Assoziation lag ich denn offenbar auch gar nicht so falsch, denn die Sängerinnen selbst setzen ihren metallischen Stimmklang in direkten Bezug zum Läuten der Kirchenglocken."Unser Gesang wird gegossen, nicht gedrechselt" ist die treffende Einschätzung hierzu.
So übrigens stelle ich persönlich mir den Gesang der Engel vor - kein Eiteitei-Singsang, sondern eine archaische Gewalt, die mit dieser Welt rein gar nichts zu tun hat. Und die uns doch gut tut.

Noch etwas zur Technik: Der Chor ist nach unseren Maßstäben ungewöhnlich strukturiert, das Spektrum reicht von extrem tiefen bis hin zu übersinnlich hohen Stimmen, die sich zu einem Klangkörper vereinen. Die Polyphonie klingt in unseren Ohren auch deshalb ungewohnt, weil die Tonabstände im Zusammenklang geringer gewählt werden als es bei uns üblich ist. Die komplexe Rhythmik und ungewöhnliche Stimmtechnik tragen das ihre zum Erstaunen des Hörers bei. Ab und an rücken Einzelstimmen in den Vordergrund, um dann wieder ganz im Chor aufzugehen.

Auf der vorliegenden CD "Mechmetio" unternehmen wir eine Reise durch alle geografischen und musikalischen Regionen Bulgariens, es wird traditionelles, aber auch modernes Repertoire geboten - frei von Kitsch, künstlerisch wertvoll und doch eingängig.
Ich selbst habe diese Musik zum ersten Mal im Radio gehört, es ist schon einige Jahre her. Irgendein knochentrockener Kultursender stellte die CD vor - und die Hörproben zogen mich sofort in ihren Bann. Natürlich fühlte ich mich sofort hip und ganz an der Spitze der kulturellen Entdecker, mal was ganz neues und abgespacetes... Wobei wir hier im Westen es ja gerne mal "Entdeckung" nennen, wenn wir nach jahrhundertelanger Ignoranz endlich auch bemerkt haben, dass andere Kuluren über eine ebenso reiche musikalische Tradition verfügen wie wir selbst.

Wer sich also für die unterschiedlichsten Weltmusik-Sparten interessiert und Spaß daran hat, auf persönliche Erkundungstour durch fremde (Hör-)Welten zu gehen, der kann mit dieser CD gar nichts falsch machen. Gute-Laune-Musik ist es allerdings weniger, sie verbreitet eher eine sakrale, andächtige und bisweilen ergreifende Stimmung.

Meine Bewertung innerhalb des "neuen" Genres: 12/12 Punkte, weil ich auch keine Ahnung habe, was man da hätte besser machen sollen. Ich vermisse nichts und schwelge nur.


Titel:

01. Zkasnila e Lalitza / Lalitza is late
02. Tih viater vee / Soft wind is blowing
03. Vetcheriai Rado / Rada, finish your dinner
04. Barem se ergen nahodih / I've had enough of the bachelour life
05. Dragana i slaveia / Dragana and the Nightingale
06. Listni se goro / Forest, Put forth leaves
07. Lepa Maro Sofianko / Beautiful Mara from Sofia
08. Stoeneh
09. Kazhi, kazhi, Angio / Tell me, tell me, Ancho
10. Sednalo e Djoreh / Djoreh ist sitting
11. Pilentze pee / A bird is twerping
12. Bre, Petrunko / Hey, Petrunko
13. Lale li si / Are you Tulip or a Hyacinth
14. Kaval sviri / Wooden flute is playing
15. Polegnala e Todora / Todora is taking a nap
16. Mechmetio / Mechmetio, my big love

Dirigentin: Vanya Moneva

Cosmic Voices:

Lidia Apostolova, Boginka Arsova, Anitsa Asparouhova, Mitra Biserova, Liliana Galevska, Pavlina Gortcheva, Natalia Ivanova, Nadya Jordanova, Nadka Karadzhova, Svetla Karadzhova, Dobrinka Karanlukova, Rena Kostadinova, Stoyanka Lalova, Verginia Ovtcharova, Bojka Prisadova, Ivanka Shishkova, Yanka Taneva, Margarita Tsvetanova, Mariana Tsvetanova, Tvetanka Varimezova, Christina Ventcheva


Anja-Maria, Juni 2009

 

 

 

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