CD-Review

PLACE4TEARS - the silent flame (y fflam fud) (2006)

Dark Wave


... and more. Tja, meine sehr Verehrten, D-A-S ist das Rundumsorglos-Paket für die Open Minds unter den dunkeln Wellenreitern! "the silent flame", ein romantischer Overkill, unterscheidet sich nicht unwesentlich vom kongenialen Vorgänger. Vor der Umbenennung in 2005 nannte sich die Band BLURRED LIPSTICK. Das 2004 erschiene Album "heavenly fields" definierte sich als reines Dark-Wave-Projekt ... und das war auch gut so. "the silent flame" kommt etwas "flotter" auf's Parkett und geniert sich keineswegs, auch mal "poppige" Tönchen erklingen zu lassen. Doch das ist alles relativ.

Grundgedanke des aktuellen Albums sind natürlich ebenfalls die dunklen Gefilde, aber nun darf's halt ein wenig mehr sein. Auch das ist gut. Zur ohnehin endlosen Weite der Dark-Wave-Schublade gesellen sich weitere Laden, sodass sich insgesamt ein recht nettes Kommödchen daraus entwickelt - was man jetzt (schon wieder) nicht falsch verstehen darf! Hmpf! Jedenfalls liebe ich diese Möbelstücke, denn spannender kann eine Entdeckungsreise nicht sein. Was ist nur in dieser Schublade drin ... und in dieser ... und in der anderen ...

Vordergründig findet man bekannte Paramenter. Ob sie nun Shoegaze, Heavenly Voice, New Wave, Post- und Horror-Punk, Easy Listening oderwasweißfüreinlistening heißen, dürfte angesichts des Gesamtwerks nicht von Belang sein. Natürlich erleichtern sie die Orientierung, und der Band ist das auch recht, doch letztlich ist nur eines wirklich wichtig:

Geschieht etwas mit mir, wenn ich diese Musik höre ...

... oder lässt mich das kalt???!!! Entstehen Bilder in meinem Kopf, oder bleibt die imaginäre Leinwand leer? Wenn letzteres passiert, wandert die Platte ins Regal und liefert sich dem gnadenlosen Staub der Zeit aus. "the silent flame" wird dieses Schicksal wohl verwehrt bleiben, denn diese Bilderkanone ist nicht dazu geschaffen, um auch nur annähernd zu vermitteln, wie man Vergessen überhaupt buchstabiert!

Das Werk des Dark-Wave- und Gothic-Multiinstrumentalisten Tyves Oben raubt uns den Atem und fesselt durch eine Flut von Bildern, die weder einen Anfang noch ein Ende haben. Sie sind frei und ungebunden ... und doch zahlen ALLE eine Pacht an eine gewisse Dame. Jeder kennt sie. Aber keiner will etwas mit ihr zu tun haben. Tyves und sein Orchester aber sehr wohl. Die Tante heißt Ambivalenz!

Wer jetzt protestieren will, kann das ruhig tun. Der oder diejenige soll mir dann aber bitteschön mal erklären, welche Welten z.B. zwischen dem völlig entrückten "the legend of the robbed fire" und dem dann doch eher "bodenständigen" Track 11 "the sun might come up" liegen! Allein über zuletzt genannten Song könnte ich Romane schreiben. Das geht aber zu weit, denn (nicht nur) in diesem kann ich mich verlieren. Hört sich irgendwie positiv an ... aaaber ... da ist diese verdammte Melancholie, die permanent an der Sonne zu knabbern scheint ...              
PLACE4TEARS polarisieren und nehmen vorsätzlich Platz neben und zwischen allen verfügbaren Stühlen! "lovesick" und "septembers breath" sind unendlich traurig - "who knows" sind uralte Fragen, verpackt in einem altmodischen Sience-Fiction-Szenario - "be a queen" ein bizzares Klagelied: "Life is too short to be a queen ... "
"the legend of the robbed fire" ist ein völlig geniales Instrumental, ein Märchen nicht von dieser Welt und ein Soundtrack, für den schnellstens ein monumentales Drehbuch erfunden werden sollte!

Merkwürdige Töne gibt's auch. "tödliche freiheit" ist wohl der schrägste davon. Aber mutig zugleich! Vorschnell könnte sich der geneigte Hörer entsetzt abwenden und einen vermeintlichen Dilettantismus mit dem Wunsch nach individueller Selbstverwirklichung und -darstellung verwechseln! Also Herrschaften, bitte genau hinhören!

Und nebenbei gesagt, kommt die fulminöse Eigenproduktion in einer sehr exquisiten Emballage auf die Matte. Hat sie eigentlich gar nicht nötig ... und genau deshalb macht sie es auch! Weniger als ein DVD-Case durfte es nicht sein ... und das Booklet ist nicht nur eins, sondern verdient auch diese Bezeichnung!

Wo war ich? Ach hier! Öhm ... was hat das Dark-Wave-Kino sonst noch zu bieten? Das wagt ihr noch zu fragen? Ja, was soll ich denn noch alles erzählen? Hmmm, von walisischen Einflüssen vielleicht, die uns bereits im zweiten Track "riding the waves home" in Gefangenschaft nehmen ... oder "the call of the mermaid", den ich einst ebenfalls hörte, als ich diese Klippen hinab sah ... oder etwas über das bereits zitierte "lovesick", einer Verarbeitung der Weheduverlässtmich-Thematik ... oder gleich vom grandiosen Finale gar?
Ja klar, am Ende gibt es für den aufmerksamen Zeitgenossen des irdischen Werdegangs ein wahres Schmankerl vor die Glocke. "tears of avalon" war ja schon in "heavenly fields" eine stille Größe, doch in der neuen Version wurde sie nicht nur um das Doppelte verlängert, sondern auch noch mit einer gewissen Stimme bereichert. Niemand geringeres als SEAN BOWLEY, Kopf der australischen Dark-Ambient-Kapelle EDEN, gab sich die Ehre und intonierte das Stück auf eine recht endgültige Weise! Uns zum Wohlgefallen und zur Pracht ...

Aber damit nicht genug, denn dieses grandiose Finale ist keinesfalls die Summe der vorangegangenen 17 Tracks! Er ist großartig, aber er steht für sich alleine. Wie übrigens alle anderen auch. Also Leutz, diese Schatzkiste birgt genau so viele Überraschungen ... wie sie Rätsel aufgibt! Gut so. Und nun suche ich nach einer Steigerung des Begriffs "Spannung" ... und/oder einem Klon mit "Freudiger Erwartung" ... denn ein bis mehrere Spatzen pfeifen von den Dächern, dass das nächste Werk bereits den Zirkus unserer Evolution betreten hat. Oh Mann ... "Down in the Middlewood" heißt die demnächst Wohldurchlauchtigste, und sie macht uns i-r-r-e vor Neugier ... 

Yesterday is gone. Schon klar. Aber trotzdem wollen wir wissen, was hinter all den verschlossenen Türen ist! "Nobody knows"?

Na, wer weiß ... ?!

Fazit: Vornehme Ambivalenz. Lichtblitze in der Dunkelheit. Die entrückende Leichtigkeit des Scheins.

 

Bewertung: 11/12
("the sun might come up", the legend of the robbed fire": 12/12
"tears of avalon" 12+/12)

Thomas Lawall - Februar 2007

 

 

 

Line-Up:

Tyves: Guitars, bass, synthesizers, programming, lyrics, vocals, backing-voice
Schuchy: Guitars, backing-voice
Sabine: Vocals, backing-vocals, backing-voice
Julia: Vocals, backing-vocals, backing-voice
Lars: Drums/percussion (live)

www.place4tears.com
www.myspace.com/place4tears
www.noexplicitlyrics.co.uk.tt
www.myspace.com/noexplicitlyrics
www.blackchristmas.co.uk.tt
www.myspace.com/darkchristmas

 

Tracklist:

01. my private end
02. riding the waves - le grand bleue
03. the call of the mermaid
04. keep me back
05. dream sequence - no doubt you're murdered
06. tödliche freiheit
07. lovesick - lost wishes
08. yearning
09. who knows?
10. be a queen - where's the cold in your eyes?
11. the sun might come up
12. illusion
13. yesterday's gone
14. be mine - servus cerberus
15. septembers breath
16. princess valium
17. the legend of the robbed fire
18. tears of avalon (feat. SEAN BOWLEY)

 

 

 

 

 

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