CD-Review

CoZaDe "The long way home" (2005)

Worldmusic


 

Endlich mal eine Platte, die es mir wirklich leicht macht. "The long way home" ist supereinfach einzuordnen, eine passende Schublade ist ruckizucki gefunden. Man muss einfach die Quadratwurzel aus Folk Rock ziehen und das Ergebnis mit Acoustic und Reggae multiplizieren, davon eine Portion Jazz subtrahieren und zur Quersumme Roadmovie-Tracks addieren, das Ganze in die Country-Schnittmenge bringen und schließlich durch das Produkt von World-Music und trad. afrikanischer Musik dividieren...

Doch Vorsicht! Löst man diese simple Gleichung nicht sorgfältig genug auf, könnte das gesamte Universum explodieren... oder man stolpert eher zufällig über das völlig überraschende Ergebnis. Nach Abzug aller Eventualitäten könnte es schlicht "Relaxing music" heißen...

... aber ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht.

CoZaDe sind eine Individualisten-Kapelle, die es sich leisten kann (und will), Dinge zu tun, die einfach zu tun sind, bevor das alles hier den Bach runter geht... oder wir sowieso gehen müssen! Und bevor das geschieht, schicken sie ein Paket ab. Aber nicht nach Lummerland... sondern nach Hause. Doch es ist ein sehr langer Weg...!

Die multikulturelle Formation traf sich auf sehr ungewöhnlichen Wegen (s. Interview) und aus Spontanität und Idealismus entstand ein grenzüberschreitendes Projekt. Musiker aus der Türkei, Südafrika und Deutschland fanden einen gemeinsamen Weg, den sie auf eine Art und Weise umsetzten, als hätten sie nie etwas anderes getan!

Verwurzelt in bester Singer&Songwriter-Tradition bieten sie eine moderne und verweltlichte Variation des verstaubten Genres. So erleben wir zehn recht unterschiedliche Songs zwischen Verzweiflung und Hoffnung, Songs die glücklich machen und Songs die sehr traurig machen. Die Strukturen sind einfach, die Gesangslinien nachvollziehbar... die Ausdrucksmöglichkeiten der fünf Hauptdarsteller gehen bei aller dargebotenen Bescheidenheit aber ins Uferlose!

Einzelne Songs herauszugreifen ist fast eine Unverschämtheit, aber so in etwa muss ich ja schildern, was man mit "The long way home" auf die Ohren bekommt.

Der Opener "Sacred tree" erzählt die sehr persönliche Geschichte von einem Baum, der nicht nur real existiert, sondern auch eine Allegorie für einen Platz in uns selbst sein kann, der uns beschützt und wo man Mut und Energie tanken kann.

Im zweiten Song "Precious time wasted" weht uns der warme Wind Afrikas entgegen. Ich lasse mich von den Fragen treiben, denn wo das Leben uns hinführt, weiß ich sowieso nicht. Deshalb habe ich auch die Zeit, den eindringlichen "Chören" zu lauschen. Dani Ngwenya und Marion Wichterich in Höchstform sozusagen. Das ist ein Stück für die Unendlichkeit...

CoZaDe zelebrieren ein sensibles Kammerspiel und wissen mit ursprünglichen Klängen zu verzaubern. Damit bilden sie einen Ruhepol in diesen lauten Zeiten und eine Entlastung für unsere völlig überlasteten Sinnesorgane. Im dritten Song "Blue Sky" deshalb ein ganz einfacher Tipp: "You should watch the birds, they will show you how it's done." Ihr Anliegen präzisieren CoZaDe mit "Your Song", einem Loblied auf den Mut, den man wohl braucht, um Träume endlich zu leben. Alleine dieser Song würde schon die Höchstnote rechtfertigen...

"Have you been in Afrika" fragen CoZaDe und bringen uns, nach "Precious time wasted" und "Helele", die Seele Afrikas näher. Der Song erinnert mich spontan an "Akipenda" (HUBERT VON GOISERN "Gombe" 1998) und weitere Parameter fliegen in Richtung FEMI KUTI... wobei das jetzt aber echt unsachlich wird, denn der Erfinder des Afrobeats ist wohl eher ein musikalisches Unikat. (Das symbolisiert wieder einmal die Hilflosigkeit der Schreiberlinge und deren verzweifelte Suche nach unbesetzten Schubladen.)

"Tell it like it is" bricht leicht aus dem Ruder und kommt etwas rockiger auf die Matte. Marions ebenso gefühlvolle wie unvergleichliche Intonation bewegt sich gegen Ende des Songs in Richtung Chrissie Hynde (PRETENDERS). Ja, und den knackigen Reggae ("Drowning in my tears) habe ich auch noch vergessen...

... also trotz vornehmer Zurückhaltung haben CoZaDe ein recht abwechslungsreiches Paket geschnürt. Wer Ruhe findet und sich somit darauf einlassen kann, dem wird das Herz überlaufen!
"I only know (that I want to know)" bildet den ergreifenden Schluss. CoZaDe verstehen es, bittere Fragen in melancholisches Luftpostpapier zu verpacken. Ein sehr stiller Höhepunkt und eigentlich kein gutes Ende, aber nur auf den ersten Blick...

Fazit: Reale Träume. Zärtlicher Protest. Leiser Hoffnungsträger!

 

Bewertung: 12/12

Thomas Lawall - Juni 2006

 

 

Tracklist:

01. Sacred tree
02. Precious time wasted
03. Blue sky
04. Helele
05. Your song
06. Drowning in my tears
07. The long way home
08. Have you been in Afrika
09. Tell it like it is
10. I only know

Line-Up:

Dani Ngwenya: Vocals, guitars, keys
Marion Wichterich: Vocals
Patrick Mueller: Drums, percussion
Ufuk Kazdagi: Bass
Jack Wichterich: Keys, guitars, programming

 

 

 

 

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