Blind Review Nr. 8

Interpret, Albumtitel und Erscheinungsjahr sind nicht bekannt



I lost my mind ...


Track 1

Mein erstes "Blind date" mit einer mir unbekannten Scheibe Musik. Die Spannung steigt. Ich habe ja schon ein paar Mal reingeschnuppert, aber jetzt muss ich den kompletten Durchgang wagen. Eingelegt und schon ... dachte ich bei den ersten paar Sekunden, es handele sich um eine Anleihe aus der berühmten Einleitung "Zarathustra" von Richard Strauss - mit fließendem Übergang zu einem modernen klassischen Orgelwerk. Weil ich mich sehr mit klassischer Orgelmusik beschäftige, kamen mir gewisse Passagen freier Improvisationen in den Sinn, die ich schon mal so ähnlich bei Konzerten hörte. Sofort ging es nahtlos-sirenenhaft in der Tonleiter nach oben und vor allem rhythmisch weiter. Alles instrumental. Peitschende Bassgitarrenkaskaden, getragen von Keyboardklängen.Es hätte so weiterfließen können, da endete urplötzlich das Instrumental. Okay, meine Ohren leben noch und erinnerten sich an Kaipa, Arena & Co.

Track 2

Oriental angehauchtes Intro, wie ich meine. Schnell gruben sich Percussion- und Keyboardklänge ihren Weg durch die Klangkulisse. Und schon meldete sich der Leadsänger mit prägnanter Stimme zu Wort "I lost my home, I lost my name, I lost my mind ...". Bedauernswertes Geschöpf: hat offenbar alles verloren, sogar seinen Verstand! Es ging u. a. ums Fliegen wollen, in den Himmel mit der Morgensonne oder so. Es war wohl eine Art Resümee, ein Rückblick auf sein (?) Leben oder ein Wunschtraum, dem er nachhing. Irgendwann war er schließlich "angekommen", wo auch immer. Mit einem instrumental-orientalischen Ausklang und der erneuten "Anrufung" der Morgensonne endete schließlich das Werk. Immerhin interessant, weil doch die meisten Rockmusiker Morgenmuffel sind und die Morgensonne nur in einem undefinierbaren Zustand kennen dürften. Naja, war nicht so mein Ding, weil es sich auch etwas zu lange hinzog. Jetzt will er wieder fliegen. Okay, ich (ent-)lasse ihn in die Weiten der universalen Morgensonne. Hoffentlich hat er wenigstens seinen Namen wiedergefunden und eine weiche Landung hingelegt. Damit er beim check out kein Problem bekommt ...

Track 3

Beginnt mit einer zwar kurzen, doch schönen balladesken Einleitung auf der akustischen Gitarre, bis schon sehr bald der Gesang einsetzt und in einen Chorgesang mündet. Es geht um "Skies", also den Himmel. Da scheint irgendwann mal ein Flugtrauma entstanden zu sein und er hört auch noch Stimmen in seinem Kopf ("Voices in my head"), die er am liebsten töten würde. Nun gut, Künstler eben, die manchmal die Grenze zum Wahnsinn touchieren. Der Song nimmt eine langsamere Wende. Gefällt mir! Aber gleich schreit mich seine offenbar wunde Seele an - er möchte schon wieder die Stimmen in seinem Kopf töten. Da kann ich ihm leider nicht helfen. Er sollte besser einen HNO-Arzt oder Neurologen konsultieren. Doch vielleicht ist sein Song die Therapie, die ihm am besten helfen kann. Soll er ihn halt oft genug inhalieren ...

Track 4

Es rockt weiter. Klingt jetzt wie eine zufällige, doch substanzhaltige Improvisation, vor allem durch die Keyboard- und Gitarrenklänge.  Die etwas schrägen Tonfolgen sind genau mein Fall! Zwischendrin wieder eine ruhige Klavieranleihe per Keyboard, quasi zur Erholung nach den komplizierten und komplexen Klangstrukturen. Nach dem ruhigen Interludium erwartete ich zu Recht wieder mehr "Unruhe", um den armen gestressten ‚Blind Reviewer' weiter zu verwirren. Nach gut 6 Minuten war das Ende der schönen rockigen Fahnenstange mit einem musikalischen Bogen zu den Eingangssequenzen erreicht. Mit Musikern, die ihr Instrumentarium perfekt beherrschen. Klasse!

Track 5

Eine Akustikgitarre mit sanften Keyboardakkorden, getragen auf einer sanften Hintergrundwoge, die einen Blick in die Weite freigeben. Leider für mich etwas kurz geraten, bevor der musikalische Ausblick mit kräftigeren Rhythmen einer anderen Richtung folgt. Nun meldet sich auch wieder der Sänger mit der markanten Stimme zu "Wort". Er jammert jetzt nicht mehr über den verlorenen Verstand, die ihn quälenden Stimmen im Kopf oder seinen verlorenen Namen. Offenbar hat er inzwischen das gefunden, wonach er suchte. Eine richtig gut geratene, ausführliche Komposition, sehr ausgewogen mit einem längeren spannenden Finale, durchsetzt u.a. mit einem ruhigen Pink Floyd-ähnlichen Intermezzo. Ein musikalisches Resümee von beeindruckenden 19 kurzweiligen Minuten. Wunderbar sanft der Ausklang, sagenhaft. Heee, das Stück ist mein absoluter Favorit auf dieser Scheibe!

Natürlich habe ich noch immer nicht den blassesten Dunst, mit wem ich es zu tun habe. Daher bin ich sehr gespannt auf die Lösung. Ob ich die Band überhaupt kenne? Unverkennbar aber Space-Psychedelic-Progressive-Rock-Einflüsse.

 

Bewertung: 9/12
(Abzüge für mein individuelles Empfinden, weil die Musik des öfteren mein Herz nicht erreicht ... aber das geht bei diesem Genre wohl nur bei Balladen)


Gerd Müller - Dezember 2008

 

 


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