EATEN BY SHEIKS "IN MY HEAD" von 1997; SOLDOUT EDITION 2003/2004
Sommer 1997. Hitze, Größenwahn, Parties und das noch ausstehende Abitur bildeten den harten Kern meines Lebens-Drehbuchs - den Soundtrack dazu lieferten EATEN BY SHEIKS. In einem schrottreifen SEAT IBIZA, mit einem nassen Rottweiler auf dem Rücksitz, meinem damaligen Freund Olli mit mir im Cockpit und einem Ghettoblaster voller dicker Batterien auf dem Armaturenbrett fuhren wir heim vom Schwimmen im Baggersee. Von der Kassette (!) tönte "In my Head", das erste Album der Göttinger Lokalmatadoren EATEN BY SHEIKS, das sie in Eigenregie aufgenommen hatten. Dieses Bild ist stets meine erste Assoziation, wenn ich die Scheibe heute mal wieder einlege.
Die "Scheiche", wie sie hier in der Gegend genannt werden, waren damals auf allen Sadtfesten und in den gängigen Kneipen omnipräsent. Olli nahm Gitarrenunterricht beim genialen Bassisten der Truppe, "Gomez", mit bürgerlichem Namen Sebastian Albert, der eigentlich klassische Gitarre studiert hatte und ihm die erste, frisch getoastete Scheibe mit nach Hause gab. Man kannte alle Stücke auswendig, denn sie wurden ja quasi jedes Wochenende auf den Live-Events unter frenetischem Gehüpfe geübt. Der Gesang kam damals öfter mal durch ein Megaphon (warum, weiß ich eigentlich gar nicht, es war einfach so), und nach den Konzerten piepten einem immer so schön die Ohren. Zuhause durfte ich diesen Klängen auch fast täglich lauschen, denn Olli probte eifrig selbst an Gitarre und Bass und nahm natürlich gern die Vorlagen seines Meisters zur Hand. Was ich damit sagen will ist: dieses Album ist ein Stück meiner Jugend, ein ganz kleiner Ausschnitt aus einer Zeit im Leben, die ohnehin viel zu kurz ist. Die Platte hier als Blind Review vorzustellen, war ein kleines Experiment: was passiert eigentlich, wenn man ein nicht ganz reifes Erstlingswerk einem geübten Hörer allerlei Stilrichtungen vorlegt anstatt einer Horde ebenfalls nicht ganz reifer Zuhörer und Mithüpfer? Nun ja, zunächst einmal muss ich konstatieren: es passiert nicht besonders viel, außer dass der geübte Hörer sich wundert und mit viel Wohlwollen eben das Dargebotene zu Ende hört. So ähnlich muss es auch den wenigen "erwachsenen" Begleitpersonen der vielen jugendlichen Fans der Scheiche damals gegangen sein. :-)
Die Band hat sich seitdem übrigens deutlich weiterentwickelt und mehrere Metamorphosen durchgemacht, die ich gar nicht mehr alle verfolgt habe - kürzlich sah ich, dass die "Scheiche" nun auch offiziell Platten veröffentlicht haben. Das erste Album ist allerdings bei den gängigen Online-Portalen nicht erhältlich. Ich musste die CD für dieses Review sogar extra bei Gomez nachbestellen (hatte sie gar nicht mehr), und für mich war schon das Bonusmaterial, das es früher nicht gab, ein kleiner Schock, jedoch ein erfreulicher. Die Bandmitglieder leben und arbeiten mittlerweile in Hamburg, wer sich für ihre Musik interessiert, sollte auf der witzig gestalteten Website vorbeischauen.
Nun noch ein wenig zur vorliegenden Scheibe: "In my Head" wurde im Winter 1996 von den Scheichen zusammen mit Willi Dammeier vom "Insitut für Wohlklangforschung" in Hannover aufgenommen. Die Truppe machte damals etliche Experimente, Track 5 ist zum Beispiel im Vierspur-Verfahren produziert worden, teilweise wurden bis zu 28 Gitarrenspuren übereinander "gestapelt", Orgeltöne vom japanischen "magic-light-board" wurden unter die Titel geschmuggelt, manche Kompositionen wurden per Zufallsgenerator erstellt etc. Bei dieser Musik geht es um den Spaß der Bandmitglieder, soviel ist klar. Und mir hat genau das damals ebenfalls besonders viel Spaß gemacht. Wenn ich mal mit verklärtem Blick nach innen und in die Vergangenheit schauen will, dann mache ich mir Track 13 an, "Ragagregfruit", und hänge melancholischen, trotzdem irgendwie glücklichen Tagträumen nach. Insgesamt ist die Musik der "Eaten by sheiks" sicher eher etwas für Menschen, die experimentierfreudig sind, sie haben schon vieles durch - von Pop über Elektro, Indie-Rock ... und nun machen sie offenbar mit ihrer neuen Platte "Bold" auch einfach spannende Rockmusik. Das vorliegend besprochene Album gibt keinen guten Überblick über diese Entwicklung - es ist ein Debut, nicht mehr und nicht weniger. Wer die Jungs persönlich kennt, mag das Album und die Band aber ganz sicher.
Anja-Maria - November 2008
Bewertung: 8/12
Tracklist:
01. What is red? 02. Ragaprongfruit 03. Would you come 04. In my Head 05. The easiest thing 06. Swimming in a cup 07. Uppercut-Day 08. Sun in my eye 09. Weep Do 10. Forever 11. 3 rotten X 12. Hooverhead 13. Ragagregfruit 14. Bonustrack
Line-up:
Ricardo Cortez: Gesang und Gitarre Carl: Gitarre Sebastian Albert (Gomez): Bass Helge Knierim: Schlagzeug
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