Blind Review Nr. 5

Interpret, Albumtitel und Erscheinungsjahr sind nicht bekannt

Schlagzeug meets Klassik



Selten habe ich mich so auf die Auflösung eines Rätsels gefreut, wie auf dieses hier. Kann auch gar nix schaden, denn ich erwarte reichlich musikalischen Nachhilfeunterricht ...

Track 1 beginnt donnernd mit einem gar düsteren Solo! Mit dominatem Schlag stellt sich hier nämlich ein Meister am doppelt gemoppelten Trommelwerk vor ... doch seit wann beginnt eine Metal-Platte mit einem Schlagzeugsolo?
Alsbald ertönen ebenso klagende wie weibliche Gesangsfetzen, die, zunächst stark in den Hintergrund gemischt, dennoch die weitere Marschrichtung deutlichst korrigieren. Auf die sog. klassische Musik trifft also ein Instrument, welches in seiner Gesamtheit nie eine wesentliche Rolle in selbiger spielen durfte!

Bald drängen sich Stimme und Cembalo in den Vordergrund und bringen die Felle zum Verstummen. Gar lieblich trällert die begnadete Sängerin in höflich, fast feiner englischer Art und weiß zudem die sie begleitende kleine Besetzung in kongeniale Schwingungen zu versetzen.
Gegen Ende darf der Schlagwerker sich wieder einbringen und besonders in Verbindung mit der aussagestarken Querflöte erinnert das Ganze an eine Session mit Mitgliedern aus dem FRANKFURTER KURORCHESTER, JETHRO TULL und EKSEPTION. Die zweifellos vorhandene musikalische Vorlage ist mir nicht bekannt.

Ganz anders beim zweiten Stück. Hier wurden Motive aus VIVALDIS "Vier Jahreszeiten" (2. Konzert, 3. Satz "L'Estate: Presto) einer grundlegenden Runderneuerung unterzogen. Vom Allerfeinsten sind jazzige Improvisationen mit Querflöte und Klarinette, die gemeinsam mit dem Wahnsinnsknaben am Schlagzeug eine wahrlich freie Interpretation zaubern. Das könnte von mir aus stundenlang so weitergehen ...

Fast war ich geneigt, die ganze Platte in Richtung Vivaldi anzusiedeln, doch in diesem Bereich kenne ich mich einfach zu wenig aus. Deshalb befinde ich mich ab Track drei sogleich wieder in unbekanntem Gebiet. Die marschähnlich aufgebaute Nummer geht mir im weitesten Sinne mozartähnlich ins Gehör, wobei ich hier irren kann. Nicht irren würde ich aber wohl in der Annahme, dass dem guten Amadeus die ganz und gar nicht unoriginelle Nummer durchaus gefallen würde.

Gediegen geht es im vierten Stück weiter, und zwar in Bach'scher Qualitätsstufe, mit Klarinette (oder Oboe) und sehr verhaltenen Percussionseinlagen. Mühelos begibt man sich in vergeistigte Sphären, die mich nicht selten, auch und gerade vom Gesang her, an verschiedene Messen erinnern. Als Vorbilder würde ich auch diverse Bach-Kantaten in Erwägung ziehen.

In Track 5 könnte es sich um ein flottes mittelalterliches Tanzgedöns handeln, welches mit den Fellbespannten sowie mit allerlei weiterem Schlagwerk ordentlich auf Vordermann gebracht wird. Am Ende begeistert ein frei interpretierter Gesang, der sich geschickt und außerordentlich kunstfertig um das Haupthema herumschlängelt.

Nach dem großen Finale schlägt der sechste Track in etwa die gleiche Kerbe, wobei die Diva hier ebenfalls zu Höchstleistungen aufläuft, ja brilliert! Ich schätze, Mozarts Zauberflöte könnte sie eben mal so nebenbei trällern ...

... was sie im letzten Stück noch einmal unterstreicht, obwohl sie hier einige Gänge herausnimmt. Ebenso seine Dominanz der Knüppelschläger, der sich zuletzt sehr vornehm zu verabschieden weiß.

Einen Kritikpunkt hätte ich zu vermelden. Mit gut 35 Minuten ist die Scheibe ein wenig zu knapp geraten. Dafür bekommen Breitwandohren aber eine Menge geboten. Ich tippe, dass es sich hier entweder um ein modernes Kammerorchester mit Schlagzeug handelt oder um das Soloprojekt eines Schlagzeugers mit einem ebensolchen.

Fazit: Klassik on drums. Na endlich!

 

Bewertung: 12/12

Thomas Lawall - September 2008

 

 


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