Menschenfischer
von Helene Henke
368 Seiten © 2015 der Originalausgabe bei Droemer Verlag www.droemer.de ISBN 978-3-426-30405-1
... was sich nun bestätigt, um an meine Rezension von "Totenmaske" nahtlos anzuknüpfen. Doch die Beziehung zu Leon gestaltet sich nicht unproblematisch. Der Mainzer Kommissar und die jüngste Bestatterin Deutschlands pflegen eine Fernbeziehung der gelegentlichen Art. Man versucht sich, zwischen dem im Hunsrück liegenden Birkheim und der Rheinmetropole einzupendeln, was sich mitunter bereits an den beruflichen Ausrichtungen, Verflechtungen und Interessen reibt und zu scheitern droht.
Auch Zoes Vergangenheit ist und bleibt ein immerwährendes Problem und blockiert ihr Leben entscheidend. Ein Wiedersehen mit ihrer Mutter bahnt sich an. Nach elf Monaten in der psychiatrischen Klinik in Simmern ist ein erster Besuchskontakt vereinbart worden. Zoes Wiedersehensfreude hält sich in Grenzen. Immerhin wurde ihre Mutter als dreifache Mörderin verurteilt, nachdem sie Boris Nauen, der Zoe einst beinahe vergewaltigt hatte, und seine beiden Freunde umbrachte.
Hätte sie ihren Beruf nicht, den sie mit Leidenschaft ausübt, würde es um Zoe nicht gut stehen. Doch ausgerechnet in ihrem Umfeld gibt es wieder ernsthafte Vorfälle, die mit einem grausigen Leichenfund ihren Anfang nehmen. Forstarbeiter entdeckten zwei stark verweste Kinderleichen. Die beiden neun und dreizehn Jahre alten Mädchen kommen zunächst in die Gerichtsmedizin nach Mainz, bis sie nach der Freigabe in Zoes Bestattungsunternehmen gebracht werden.
Leider ergeben sich einige unerwartete Komplikationen, die insofern eskalieren, als die Leichen der Kinder kurz vor der Beisetzung gestohlen werden. Zu allem Überfluss verschwindet auch noch Zoes junge Praktikantin Alina spurlos ...
Auch im zweiten Fall stellt uns Helene Henke das ganz erstaunliche Fachgebiet der Thanatologie vor, in welchem ihre Hauptfigur Zoe Lenz längst zu einer, wenn auch sehr jungen, Kapazität herangereift ist. Selbst ihre Mainzer Kollegen kann sie mit ihren Fähigkeiten, diesmal im Zusammenhang mit dem "Wiederaufbau von Gesichtern", beeindrucken.
Leserinnen und Leser dürfen sich neben den ausführlichen Schilderungen, was Zoes berufliche Leidenschaft betrifft, beispielsweise auch auf die 20seitige Dokumentation einer Obduktion einstellen. Eine fast ebenso umfangreiche Nachhilfestunde gibt es auch in Sachen Einbalsamierung, die im Bestattungswesen der USA und Großbritanniens üblich ist, und sich grundlegend von der von den alten Ägyptern praktizierten Form der Mumifizierung unterscheidet.
Auch mit weiteren Themen, die man im Alltag gerne ausblendet, darf man sich auseinandersetzen, selbst wenn man die äußere Gestaltung von Särgen und deren Innenausstattungen gerne in den Bereich des Unwichtigen und Unnötigen verbannt. Interessant ist zudem, wie unterschiedlich sich auch Funktion und Ausstattung von Leichenwagen unterscheidet.
Helene Henke schafft es, an Qualität und Intensität des Vorgängers anzuknüpfen und einen Kriminalroman vorzulegen, der ebenso mit atmosphärischer Dichte und Hochspannung, fundiertem Fachwissen und einer ungewöhnlichen Besetzungsliste glänzt.
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