Literatur

anatolien blues

von Dinçer Güçyeter


52 Seiten
Erste Auflage September 2012
Veröffentlicht im Elif Verlag
www.elifverlag.de
ISBN 978-3-000-37890-4



Die Gedichte haben fast alle etwas gemeinsam. Sie sind einfach zu lang - was freilich nicht im Entferntesten etwas mit Qualität zu tun hat. Während die Gedichte Dinçer Güçyeters in "ein glas leben" im Zeitraum von 2002-2006 entstanden sind, umfasst "anatolien blues" die Jahre 2007-2011.

Während er im Vorgänger eine jeweils kürzere Form wählte, holt er im vorliegenden Band zu einem literarischen Rundumschlag aus. Vielleicht fordern diese Zeilen noch weitaus mehr Aufmerksamkeit des Lesers heraus. Als gälte es, die trägen Massen aufzuwecken und sie mit dem eigenen Spiegelbild zu erschrecken.

Die gehaltvollen Tiefschläge und Höhenflüge des Autors haben Romanpotential und sprengen somit den gegebenen Rahmen. Vorstellbar sind sie mitunter auch als Text für ein lyrisches Roadmovie - eine Irrfahrt mitten durchs Leben. Auf jeden Fall aber sind sie (Schreib-)Kunst, jedoch eine solche, die ohne Kompromisse auskommt!

Zu "anderen Rassen" gehört er. Spätestens in "beichte" wird klar, welcher Art er ist. Dinçer Güçyeter schreibt, was er will und was er ist. Indem er auch schreibt, was er nicht will und was er nicht ist, lässt er das dramatisch-diametrale Gegenteil nicht aus. Sichere Häfen sind ihm fremd und er liebt die tosende See:

"... das schlagende Meer ist meins, aber nicht das sichere Boot ..."

Mit edler Vernunft steht er auf Kriegsfuß. Ohne Rast ist er und ohne Ruhe. Immer auf der Suche vielleicht - obwohl er im Grunde gar nichts finden möchte:

"was für ein alberner puder
dieses finden"

Deshalb warten zwangsläufig immer neue Reisen auf ihn. Sein ganzes Leben wird zum Abenteuer:

"die nächste Reise wartet hinter meinem Rücken"
("auf, wieder ...")

Aber seine Zeilen sind auch oft genug ein Abgesang auf geistigen Stillstand und den traurigen Alltag der mit Blindheit Geschlagenen und besonderes Augenmerk wirft er auf jene, die das Leben nicht einmal bemerken.

Doch ein Entkommen scheint kaum möglich zu sein, denn schließlich ist er eben doch einer von ihnen:

"den Menschen fern
und doch weine und tanze ich mit euren Liedern"
("kieselsteine")

Das sind Worte aus Sehnsucht und der unbändigen Lust zu leben. Das Leben wird es nicht kümmern. Es sattelt permanent sämtliche zur Verfügung stehenden Pferde, um die endlose Reise fortzusetzen. Diese ausschweifenden, erdigen, radikalen und ehrlichen Worte bleiben jedoch.

 

Thomas Lawall - September 2014

 

 

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