Literatur

Zwei Theaterstücke


von Martin Schörle


120 Seiten
© 2016 Engelsdorfer Verlag Leipzig
www.engelsdorfer-verlag.de
ISBN 978-3-96008-408-2



"Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten" nennt sich das erste "Theaterstück", welches im Prinzip eher einem kabarettistischen Vortrag gleicht. Der Monolog des "Vollblutverwaltungsgenies" Hans Fredenbek, der in direkter Ansprache ans Publikum seine kleinkarierten Lebensweisheiten zum Besten gibt, und sich immer weiter in Belanglosigkeiten verliert, ist nicht nur langweilig, sondern zieht sich auch noch.

Da helfen auch Gags aus der Mottenkiste nicht. Mit bemühten Ansprachen wie "Mal ganz unter uns Neurotikern ... ähm ... Pastorentöchtern" konnte man Mitte des vorigen Jahrhunderts sicherlich einige Lacher einstreichen, während sich die heutige Zielgruppe allenfalls bei einem Altennachmittag mit Kaffee und Kuchen einfinden würde.

Jene würde dann auch auch die Gags mit Inge Meysel, Maria Hellwig und Jopie Heesters verstehen, wobei sich Hans Fredenbek spätestens im "Exkurs ins Seelenleben der Frau" bis auf die Knochen blamiert: "Bei Frauen spielt sich alles in der linken Gehirnhälfte ab, Männer haben auch eine rechte."

Immerhin gibt es vereinzelte Brüller, beispielsweise in Sachen "vollkommene Beamtenbefriedigung". Der Vollblutbeamte ist stets in seinem Element - Probleme bereiten lediglich Feiertage, die Wochenenden und der Urlaub. Was soll man mit so viel Freizeit anfangen? Da taugt selbst eine "fiktiv in der Taverne erstellte Jahreserträgnisaufstellung" kaum als Ersatzbefriedigung.

Das zweite vorgestellte Stück spielt dann in einer ganz anderen Liga und erinnert an die Idee Bernhard Aichners, die Handlung in "Kaschmirgefühl" komplett in den Rahmen eines Telefongesprächs zu packen. Martin Schörles "Einladung zum Klassentreffen" hat völlig andere Vorzeichen, wenn auch das "Resultat" ein nicht ganz unähnliches ist.

Marina Winkler, Lehrerin für Mathematik und Sport an einem Gymnasium, erhält, in einem Zugabteil sitzend, den Anruf des ehemaligen Klassenkameraden Carsten Heymann. Die schlichte Nachfrage nach der Möglichkeit eines Treffens mit den Ehemaligen erfährt die eine oder andere überraschende Wendung, zumal man zwanzig Jahre nichts voneinander gehört hat.

Hier entwickelt der Autor stets das richtige Timing und jede Pointe sitzt! Das liegt nicht etwa daran, dass er plötzlich eine andere Sprache nutzt, sondern diese jeweils an der richtigen Stelle auf das Wesentliche zu reduzieren weiß. Von überflüssigem Redeschwall, welcher im ersten Stück jeden möglichen Lacher im Keim erstickt, befreit, bleibt die Handlung stets in voller Fahrt.

Man kommt ins Gespräch und vom Hundertsten ins Tausendste, unterstrichen von einigen Rückblenden, bühnentechnisch ebenso einfach wie wirkungsvoll in Szene gesetzt, die einige Schlaglichter in die Vergangenheit werfen, wie beispielsweise eine Hotelszene mit Marinas geschiedenem Ehemann oder einer aufschlussreichen Therapiestunde.

Am Ende gibt es eine doppelte Pointe und insgesamt ist der Wunsch, "Einladung zum Klassentreffen" in einem geeigneten Theater einmal zur Aufführung zu bringen, durchaus berechtigt.

 

Thomas Lawall - Februar 2020

 

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