Unerwarteter Verlauf Gedichte
von Klaus Merz
80 Seiten © 2013 Haymon Verlag, Innsbruck-Wien www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-7093-5
"Im rückwärtigen Raum" leitet das Büchlein mit einer Ambivalenz ein, die schon nach den ersten wenigen Zeilen eine Denkpause verordnet, ja geradezu verlangt. In kleinem Rahmen beginnt Klaus Merz zu erzählen und steigert sich in wenigen Zeilen bis ins Unendliche. Ein wahrhaft "unerwarteter Verlauf" und gleichzeitig ein idealer Einstieg für die Leserinnen und Leser. Gleichwohl stellt das erste Gedicht auch Forderungen an die Leserschaft: Alle Türen müssen geöffnet werden.
Im Hinblick auf "Am Fuß des Kamels" und "Aus dem Staub" sind stilistische Änderungen nicht auszumachen. Klaus Merz bleibt seinem Motto treu und "erzählt" seine unendlichen Geschichten, reduziert auf das Wesentliche, wobei er die Kunst des Weglassens in "Unerwarteter Verlauf" vielleicht noch etwas zu präzisieren in der Lage ist.
Seine Gedichte erzählen dieses Mal "Vom helleren Licht hinter den Scheinen" ("Wechselkurs"), von einem Gang "für Augenblicke in Vaters Schuhen" ("Erbgang") oder von der vergeblichen Suche "Licht zu machen im finsteren Bilderreich" ("Am Mondsee").
In Momenten einer scheinbaren Belanglosigkeit entdeckt der Autor eine kleine Welt in der großen. Was mag sie wohl tun, jene Frau am Fenster? Auf was oder wen mag sie warten? Niemand scheint es zu interessieren ("Nach Homer").
Fragen bleiben, doch kehrt man schnell auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn reale Beobachtungen den verwirrten Geist defragmentieren. Manchmal reicht es, wenn ein "Junglenker" durch den Ort "röhrt" ("Hotel Tirol").
Klaus Merz mag sich nicht in Andeutungen und schwülstigen Metaphern verlieren, um Gebirge aus Rätseln stolz um sich zu scharen. Er bleibt klar und gegenständlich, wie jener Fremde vielleicht, der am Gehsteigrand eine "Messerschleife" ("Universität") aufbaut, jedoch zu einem anderen Zweck.
Um Sprache geht es und nichts weniger. Aber auch nicht mehr. Zu viele Worte braucht es sowieso nicht. Und im Besonderen schon gar nicht. Diese Verse füllen keine dicken Lehrbücher und dennoch lehren sie uns viel: Man braucht nur wenig, um zu verstehen.
Wenn ich den Meister der Ver-Dichtung richtig verstanden habe, ist seine Auseinandersetzung mit Sprache noch lange nicht beendet, was ich (auch) in seinem Gedicht "Beglaubigung" wunderbar bestätigt sehe.
"Gegen Abend die Singvögel schweigen bitt' ich noch einmal die Wörter zu mir."
Das Zitat ist unvollständig und wird es in dieser Rezension auch bleiben. Schließlich sollen Leserinnen und Leser noch eine Freude daran haben, den wunderbaren Schluss zu entdecken. Wobei es in "Unerwarteter Verlauf" viel zu entdecken gibt, besonders für jene, die es einmal auf den zweiten oder dritten Blick versuchen möchten. Fernab vom Gewöhnlichen werden sie Schätze finden.
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