Literatur

Tod im Eichsfeld

von Astrid Seehaus


192 Seiten
2. Auflage 2012
© Sutton Verlag, 2012
www.suttonverlag.de
ISBN 978-3-86680-992-5



Frank Rothe ist frustriert. Jessi ist und bleibt anstrengend. Dass er sich in der Wohnung ausgesprochen unwohl fühlt, kommt erschwerend hinzu. Von einer älteren Dame gemietet, die der "Rosa-Plüsch-Fraktion" angehört und entsprechend eingerichtet wurde, kann es nicht mehr als eine Übergangslösung sein. Vorerst bleibt nur die gelegentliche Flucht. Dumm nur, wenn seine 16-jährige Tochter in ihrer momentanen Null-Bock-Phase nicht mal mehr Lust auf einen Kinobesuch hat. Chatten mit Freundinnen ist wichtiger, als mit dem Vater einen "Krampfabend mit Rollstuhl im vollen Kino" zu verbringen.

Die Probleme scheinen ihm über den Kopf zu wachsen. Jessi, an den Rollstuhl gefesselt, verlässt mehr und mehr der Lebensmut. Rothe ist am Ende seiner Weisheit und scheint die Kontrolle zu verlieren. Soll er eine härtere Linie fahren oder weiterhin als zartfühlender Hobby-Psychologe agieren? Das Haus in Erfurt ist verkauft, weil ein Ortswechsel zumindest einen Funken Hoffnung versprach. Manuela ist schon lange tot und nichts hält ihn mehr dort. Vor neun Jahren starb seine Frau. Die Trauer aber bis heute nicht ...

Volles Haus im "Norddeutschen Bund", dem Kollegentreff in Heiligenstadt. Schnell kommt Rothe als Neuer im Team ins Gespräch. Die neuen Kollegen geben sich betont locker, bleiben im Dialog aber zunächst an der Oberfläche. Im Landkreis Eichsfeld scheint es eher beschaulich zuzugehen. Mehr als einen Fall von Grabschändung gibt es aktuell nicht zu vermelden. Zudem wäre die Aufklärungsquote nirgends höher als hier. Nicht mal einen Mord hätte es im letzten Jahr gegeben ...

Mit zunehmendem Bierkonsum werden die Kollegen etwas redseliger. Bis das Thema etwas ernster wird und die Stimmung zu kippen droht. Rothe hatte in Erfurt um Versetzung gebeten. Ungewöhnlich schnell kam man seinem Gesuch nach, da in Heiligenstadt eine Stelle frei wurde. Rolf Kahlhorst war bei allen Kollegen ausgesprochen beliebt. Im Alter von 36 Jahren war er gegen einen Baum gefahren und auf der Stelle tot gewesen. Trunkenheit am Steuer soll nicht nachweisbar gewesen sein. Die Kollegen haben eine andere Erklärung parat. Unzweideutig geben sie der Kollegin Simone Nolte die Schuld, die eine Beziehung mit ihm abrupt abgebrochen hätte. Einfach weggeworfen hätte sie ihn, was aber nichts Neues wäre, denn sie könne die Finger nicht von den "Kerls" lassen. Frank Rothe kann den Ausführungen nicht folgen, denn seine ersten Eindrücke von Simone Nolte sind andere. Nüchtern, kühl, unnahbar und kalt sieht er sie. Und er sieht und fühlt noch andere Dinge ...

Einen Mord suchen Krimi-Fans auf den ersten Seiten vergeblich. Es braut sich eher einer zusammen. Astrid Seehaus fällt nicht mit der Tür ins Haus. Vielmehr baut sie durch verschachtelte, aber nicht unübersichtliche Bezüge eine sich stetig steigernde unheilvolle Stimmung auf. Ein Mord scheint unausweichlich, ja fast eine logische Folge der Dinge zu sein, die sich da zusammenbrauen und in der Vergangenheit bereits angestaut haben. Ein sprichwörtlicher Sturm bricht los und das in mehrfacher Hinsicht.

Georg Stahlmann, größter Bauer am Ort, wird auf ländlich-rustikale Art und Weise aus dem Leben gerissen. Die Autorin strickt den Fall einfach und unkompliziert. Die ländliche Atmosphäre erinnert an "Bitteres Blut" von Willi Voss und einmal mehr wird die Verlogenheit bodenständiger Strukturen schonungslos offengelegt. Auf der anderen Seite weiß Astrid Seehaus, gewisse Sicht- und Betrachtungsweisen eindrucksvoll gegenüberzustellen ...!

In diesem Zusammenhang gebe ich gerne zu, nicht unbedingt (sofort) eine aus meiner Sicht plausible Erklärung für die Auszeichnung dieses Buches durch den Thüringer Krimipreis 2012 gefunden zu haben. Ich habe Bücher aus dem Programm des Sutton Verlags gelesen, die mindestens genauso gut sind wie "Tod im Eichsfeld" - wenn es da nicht ein ganz großes "Aber" geben würde!

Selbstverständlich gibt es eine überraschende Wende, so wie sich das für einen guten Kriminalroman gehört. Doch da ist noch etwas. Auf einer einzigen Seite ändert sich alles. Ich wage deshalb zu unterstellen, dass diese maßgeblich für den Erhalt des Thüringer Krimipreis 2012 verantwortlich ist! Das Vergnügen herauszufinden, um welche Seite es sich hierbei handelt, überlasse ich aber gerne der geneigten Leserschaft ...

Überraschung gelungen! Pflichtkrimi! Ein Kriminalroman mit gewaltigem Nachhall!

 

Thomas Lawall - April 2012

 

 

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