Smaragdjungfer
von Mara Laue
272 Seiten © Sutton Verlag, 2011 www.sutton-belletristik.de ISBN: 3-978-86680-872-0 www.mara-laue.de ISBN: 978-3-86680-870-6
Viel gibt es am Tatort nicht mehr zu tun. Lediglich die Spurensicherung wird noch einige Tage beschäftigt sein. Paula Rauwolf ist wieder unterwegs. Die Kriminalkommissarin fährt jenen Wagen, dessen Bedeutung sie für den Moment völlig vergessen hat. Auf dem Rückweg zur Dienststelle lässt sie ihren Gedanken freien Lauf. Etwas stimmt nicht mit diesem Jerome Kastor. Und mit diesem ganzen Fall sowieso nicht. Wieder heißt es, nicht aufzugeben, bis alle Fragen beantwortet sind ...
Die Ausgangsposition der Wilhelmshavener Kommissarin ist alles andere als einfach. Sechzehn Monate war sie wegen einer Suspendierung und dem Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik nicht mehr im Fachkommissariat 1. Der Empfang durch die Kollegen gestaltet sich außerordentlich unfreundlich und man hat einige subtil arrangierte Überraschungen für sie auf Lager. Ihr neu zugewiesenes Zimmer wurde früher als Abstellkammer benutzt. Doch das ist erst der Anfang.
Die Ereignisse rund um den Tod ihres Kollegen und Geliebten Christopher hat tiefe Wunden gerissen und das in vielerlei Richtungen. Paula macht aber nicht den Fehler, auf die infantilen Breitseiten, die ihr entgtegenschlagen, offensichtlich zu reagieren. Sie weiß, dass Gegenmaßnahmen von ihr erwartet werden. Diejenigen, die das erwarten, straft sie aber mit Ignoranz, der einzigen und in diesem Fall wirkungsvollsten Waffe.
Fast ein größeres Problem scheint ihr brandneuer Kollege zu sein. Grundsätzlich arbeitet Paula in ihrem Büro lieber alleine. Nun hat man ihr nicht nur zwei Schreibtische, sondern auch einen Zimmergenossen zugeteilt. Mit Kriminalhauptmeister Lukas Rambacher kommt sie auf Anhieb nicht klar, weshalb sie sich umgehend jedes persönliche Gespräch verbittet. Der Neue wird es nicht einfach haben ...
Und schon sitzt sie wieder in dem alten Ford, den Christoph einst in seiner Todesnacht gefahren hatte. Ein anderer Wagen würde nicht zur Verfügung stehen, versicherte Paulas Vorgesetzter Jakob Roemer, fragte aber gleichzeitig, ob ihr dies irgendwelche Probleme bereiten würde. Die Antwort hätte er sich aber denken können, denn auch hier würde sich Paula keine Blöße geben.
Auf dem Weg zum Tatort, dem ersten, den sie mit ihrem neuen Kollegen besucht, drängen sich Erinnerungsfetzen an die Oberfläche. Einst sollte der Wagen eine schützende Deckung im Kugelhagel sein, aber damals war es bereits zu spät ...! Doch der neue Fall drängt die Vergangenheit vorerst wieder in den Hintergrund. Am Tatort bietet sich ein Bild der Verwüstung. Mordopfer Jasmin Stojanovic muss sich mit Händen und Füßen gewehrt haben, doch letztlich hatte sie keine Chance. Das Motiv für das Verbrechen ist schnell gefunden. Ein Schmuckkästchen mit blutverschmiertem Inhalt scheint keine großen Rätsel aufzugeben. Praktisch zudem, dass der Täter, Jerome Kastor, bereits am Tatort verhaftet werden konnte ...
Mara Laue beginnt ihren neuen Kriminalroman im Prinzip wie den im Frühjahr 2011 erschienenen Vorgänger "Schwarze Dame Tod". Sie versetzt den Leser mitten ins Geschehen, indem sie eine ebenso gnadenlose wie kurz geschnittene Mord-Szene jeweils gleich an den Anfang stellt. Diese rasante "Kamerafahrt" erzeugt Hochspannung sozusagen aus dem Stand. Von Null auf Hundert in wenigen Sekunden. Fast vergisst man, zu atmen!
Schnell unterscheidet sich "Smaragd Jungfer" aber dahingehend, dass die Figuren genauer und sehr viel intensiver gezeichnet werden und sich der Story nicht unterordnen müssen. Der Braunschweiger Kriminalhauptkommissar Ralf Zell ist mit der Kollegin aus Wilhelmshaven nicht zu vergleichen. Ihr Nachname ist Programm. Paula Rauwolf ist eine Kämpferin. Ein Stehaufmännchen - zäh und unnachgiebig. Eine, die noch den aufrechten Gang pflegt, während andere längst den Kopf eingezogen haben. Respekt vor der Obrigkeit hat sie nicht - selbst Weisungen von "ganz oben" interessieren sie nicht. Paula ist einzig der Gerechtigkeit und ihrem Diensteid verpflichtet. Sie hat ohne Ansehen der Person zu ermitteln ... was nicht jedem gefällt.
Der ungeliebte Kollege Lukas Rambacher ist genau genommen ein ebensolches Original. Pech, dass er seine Vorgesetzte im falschen Moment kennenlernt und fast mit jeder Aussage in einen der zahlreich zur Verfügung stehenden Fettnäpfe tritt. Dabei gibt es in der Vergangenheit beider einige nicht unerhebliche Parallelen ...
Die Autorin entwickelt für ihre Protagonisten nicht nur ein Plus an Charaktertiefe, sondern zwingt ihre Geschichte in einen sehr straffen Zeitrahmen. Dieser Kunstgriff multipliziert Spannung mit sich selbst. Bis Seite 78 erleben wir einen einzigen Tag, der vollgepackter eigentlich nicht sein kann! Der potentielle Leser mag es erahnen: Mit dem nächsten Tag wird das nicht besser werden! Am Ende werden es ganze fünf Tage sein!
So "lange" ist man aber mit der Lektüre von "Smaragd Jungfer" nicht beschäftigt. Den zweiten Leseabend wollte ich eigentlich etwas langsamer angehen, aber bereits gut 100 Seiten vor Schluss war klar, dass ich nach den völlig überraschenden Wendungen und der sich abzeichnenden Eskalation auf gar keinen Fall das Licht ausmachen würde, bevor nicht die letzte Seite verschlungen ist!
Aufregend, aufwühlend und superspannend. Paula Rauwolf ist eine gnadenlose Ermittlerin und eine wirklich starke Frau! Und nach allem was war und noch kommen wird, hat sie sicherlich noch nicht das letzte Wort gesprochen! Mara Laue gibt Gas. Das kann ja heiter werden ...
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