Sissis Gold Ein Salzkammergut-Krimi
von Bernhard Barta
216 Seiten © Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien 2014 www.haymonverlag.at ISBN 978-3-85218-968-0
Im Regionalbus von Bad Ischl nach Gmunden sitzt nur ein einziger Fahrgast. Der Fahrer beschwert sich über das Wetter. Wie eine Sau würde er schwitzen. Doch der Mann reagiert nicht. Er möchte nicht, dass man sich vielleicht an seine Stimme erinnert. Einen Kaiserhut tief ins Gesicht gezogen, schleppt er einen Rucksack durch den Mittelgang des Busses.
Sein Opfer stand wie ein Soldat vor jener Vitrine. Und er fiel wie ein Soldat. Das Chloroform half natürlich ungemein. Alles Weitere lief mehr oder weniger entspannt. Jedenfalls für ihn. Für Heinrich Grün, den Waffenfabrikanten, dann eher weniger. Gezuckt hatte er schon, aber unerwartet lange hat er dem Unvermeidlichen getrotzt.
Ein schöner Schlamassel für Inspektor Gustl Brandner. Morde im Salzkammergut sind selten. Unvergessen natürlich der Fall der Hollywoodschauspielerin im letzten Jahr (Sissis Tod). Außer "Friede, Freude, Apfelstrudel" gibt es hier und da etwas Ärger wegen Wilderei oder einem Einbruch. Oder wenn Pfarrer Sams leicht angetrunken und ohne Blinker mit seiner alten Puch 150 unterwegs ist.
Dumm nur, wenn ausgerechnet jetzt seine Dienststelle nur mit Minimalbesetzung läuft. Schlimm genug, dass man dem Chef der Salzkammergutpolizei zu allem Überfluss noch den Ischler Posten unterstellt hat und somit den faulsten Wachtmeister der Gegend, welcher gerade und selbstverständlich wieder den Krankenstand pflegt. "Der Gamperl, der Depp!" Sekretärin Milli verweilt im Urlaub und Wachtmeister Birngruber bei einer Unfallaufnahme.
Gustl Brandner kann kein Blut sehen. Leider gibt es beim aktuellen Fall mehr als genug davon. Frau Dr. Fuchs, die zuständige Amtsärztin, sieht das völlig anders und zeigt sich regelrecht vom Zustand der Leiche fasziniert, denn schließlich wäre endlich einmal etwas Interessantes passiert. Die Obduktion scheint eine ebenso langwierige wie spannende Angelegenheit zu werden ...
Bernhard Barta setzt sein fulminantes Krimidebut nahtlos fort. Sein Gespür für skurrile Alltagssituationen stellt er einmal mehr unter Beweis. Seine Figur des Gmundner Originals Gustl Brandner zeichnet er wieder als ambivalente Persönlichkeit, hin- und hergerissen zwischen spektakulärem Polizeialltag und einer seltsamen Traurigkeit, die immer mehr von ihm Besitz zu ergreifen scheint.
Immer dann greift er stets zu dem alten Lederbuch, das er einst von seiner Großmutter erbte. In jener Stimmung entstehen stets seine Zeichnungen, die auch in "Sissis Gold" wieder den Text begleiten. Er ist ein Schöngeist und Menschenfreund und spielt eigentlich im falschen Film. Immer wieder brechen die Erinnerungen an sein früheres Leben auf. Die Kundschaft seines Wiener Antiquitätengeschäftes ging dereinst schon bei seinen Eltern ein und aus.
Bernhard Barta schreibt kantig, aber stets mit hohem Informationsgehalt verdichtet, etwas Geschichtsunterricht inclusive, wobei es ihm beliebt, mit seinen scharf formulierten gesellschaftskritischen Handgranaten, mitunter aus dem Hinterhalt, zu überraschen. Das ganze Ausmaß des Mordes an Heinrich Grün wird erst nach und nach klar und nur durch die Choreografie des zweiten Mordes übertroffen. Blanken Zynismus tobt er mit der Figur der Gerichtsmedizinerin Dr. Fuchs "Füchsin" aus, die er, so nebenbei bemerkt, das gesamte männliche Umfeld im Bezirk, "vom Richter bis zum Schokoladenvertreter", vernaschen lässt.
Weniger Glück in Sachen Liebe ist dann wieder dem mit bald 50 Jahren immer noch kinder- und beziehungslosen Inspektor beschieden, auch wenn sich in gewisse Richtungen Ansätze berechtigter Hoffnungen andeuten. Glück mag nur der Leser im Genuss dieser drastisch-originellen Literatur finden und immerhin die Hauptfigur ein wenig, wenn auch sehr isoliert und in ihrer ganz speziellen Begabung begründet.
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