Letzte Bootsfahrt Ein Altaussee-Krimi
von Herbert Dutzler
368 Seiten © Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien 2013 www.haymonverlag.at ISBN 978-3-85218-933-8
Der Gasperlmaier hat wahrlich schon viel gesehen, was jedoch nicht bedeutet, dass er alles zu ertragen in der Lage ist. Zudem ist er ausgerechnet heute wahrlich indisponiert. Die Beerdigung der Voglreiter Friedl stand auf dem Programm, und beim anschließenden Leichenschmaus im Schneiderwirt war er in Sachen Bier und Schnaps schon weit vorangekommen.
Da diese nun samt der Unterlage aus Rindfleisch und Semelkren den Rückwärtsgang einzulegen gedenken, fällt dem Ausseer Polizeiinspektor der Anblick der halbnackten Leiche besonders schwer. Am Hals tastend fühlt er keinerlei Puls mehr und gleichzeitig erwägt er, den Toten insofern aus seiner wahrlich missligen Position zu bringen, indem er ihm wenigstens die heruntergelassene Hose wieder hochziehen könnte. Dies scheint auch zu gelingen, doch leider fehlt der Hosenknopf, der abgerissen vor der Kloschüssel liegt ...
Eines scheint festzustehen. Der Breitwieser Ferdinand ist nicht ohne Fremdeinwirkung gestorben. Doch zunächst steht Gasperlmaier vor einem Rätsel. Da die Haare des Opfers nass sind, ist immerhin klar, dass er kaum ins Klo gefallen sein kann, und danach erst die Spülung benutzt hat.
Die erste Vernehmung der Ehefrau des Ermordeten ergibt mehr Fragen als Antworten. Diese scheint in esoterischen Sphären zu schweben - nicht einmal die Hand darf man ihr reichen. Generell lehnt sie dies ab und ganz besonders, wenn sie sich einen Rosenquarz an die Herzgegend hält. Man würde schließlich die Aura stören oder gar das Chakra beschädigen. Aktuell geht es ihr um die Stärkung des Herz-Chakras, welches "das Zentrum der bedingungslosen Liebe" beherbergt. Eine leidvolle Aufgabe sei es für sie gewesen, ihren Mann bedingungslos zu lieben ...
Herbert Dutzler geht den in seinem ersten Kriminalroman beschrittenen Weg unbeirrt weiter. In "Letzter Kirtag" stellte er uns mit der Figur des Ausseer Polizeiinspektors Gasperlmaier einen kauzigen Zeitgenossen vor, der seinesgleichen sucht. Auch in dem dritten Band seiner Krimireihe hat der bodenständige Ermittler nichts von seinem Charme verloren. Der Meister der unvollendeten Sätze beeindruckt durch seine unbeirrbar bodenständige Art sowie durch die außerordentlich nüchterne Herangehensweise, was die zu tätigende Ermittlungsarbeit betrifft. Eigentlich muss er gar nicht viel tun, der Gasperlmaier, denn die ebenso attraktive wie resolute Kollegin Frau Doktor Kohlross vom Bezirkskommando Liezen übernimmt einen nicht unbeträchtlichen Anteil zur Aufklärung der sich ausweitenden Mordserie.
Herbert Dutzler verleiht seiner Hauptfigur den spröden Charme eines ganz normalen Zeitgenossen, dem eigentlich sämtliche Komplikationen, die das Leben so bringt, zuwider sind. Seien es nun die wachsenden Probleme mit seinen Kindern, die er kaum noch zu Gesicht bekommt, oder Frauen im Allgemeinen, ob Ehefrau, Mutter oder Kollegin, die ihn allesamt bevormunden und einfach alles besser wissen, lange und unnötige Unterhaltungen und überhaupt die ganzen Komplikationen, die sich in Zusammenhang mit seinem Beruf ergeben.
Im Prinzip genügt ihm ein gemütlicher Platz im Wirtshaus, ein gepflegtes Bier und eine deftige Brotzeit. Was braucht man zum Leben eigentlich mehr? Eine schöne Landschaft, eine Heimat, vielleicht. Und er lebt in einer solchen, die sogar bei Regen schöner ist, als andere bei strahlendem Sonnenschein. Doch Herbert Dutzler wäre kein guter Krimi-Autor, wenn er dem Gasperlmaier diese Ruhe gönnen würde.
Immerhin stellt er ihm eine Kollegin zur Seite, die ein diametral entgegensetztes Charakterprofil entwickeln darf, und in Verbindung mit seinen Kollegen oftmals ein herrliches Gruppenbild mit Dame abgibt. Der bodenständige Inspektor und die stöckelbeschuhte Dame aus der Stadt: Ein Duo infernal. Absolut lesenswert ist auch wieder die sich daraus zwangsläufig ergebende Situationskomik, die der Autor wie gewohnt sehr direkt aber fein gewiegt zu dosieren weiß.
Spektakulär unspektakulär. Oft kopiert, nie erreicht: Der Gasperlmaier.
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