Garmischer Mordstage
von Roland Krause
288 Seiten © Emons Verlag GmbH www.emons-verlag.de ISBN 978-3-7408-1450-2
Eine freudige Überraschung war es, als mich "Garmischer Mordstage" ohne jede Vorwarnung erreicht hat. Sofort stiegen die Erwartungshaltungen wieder in die Höhe, denn nach "Ein abgezockter Sauhund" (2020) und den in der damaligen Rezension zitierten (und nicht zitierten) wunderbaren Vorgängern durfte man einiges erwarten. Sicher wieder ein Kriminalroman mit Anspruch und Format, der sich wohltuend von der breiten Masse entsprechender Veröffentlichungen abhebt ...
... was sich prompt schon nach dem Lesen einer halben Seite, und im weiteren Verlauf erst recht, bestätigt. Na Gott oder wem auch immer sei Dank, dass es sich nun wieder lohnt, das Lesetempo drastisch zu reduzieren. Roland Krause bleibt sich weitgehend treu, indem er es einfach nicht lassen kann, NICHT in fulminanten Bildern zu schreiben. Das kann er wohl auch gar nicht, was eine pure Freude ist!
In der Stadt zu bleiben geht auch nicht unbedingt, weshalb es jetzt von München raus aufs Land, genauer gesagt ins Werdenfelser Land, geht. Raus aus dem Trubel ... in einen anderen. Dort gibt es Menschen, die gerne schon mal genauso durchgeknallt sind wie artverwandte Stadtmenschen.
Da wäre zum Beispiel die Tierärztin Laura Schmerlinger. Die aus guten Gründen Geschiedene "gönnt sich" gerne mal einen handfesten Burschen, kompensiert das dadurch entstehende Gerede des ach so sozialen Umfeldes aber durch ihren guten Ruf, den sie sich durch ihre berufliche Leistungen erworben hat.
Nicht weniger interessant ist die Figur des Ben Wiesegger, der nach zwanzig Jahren in seinen Heimatort Garmisch zurückkehrt. Den in den USA einst so "erfolgreichen" Journalisten erwarten eine ganze Reihe von Komplikationen, angefangen im eigenen familiären Kreis. Zudem geistert ein hässliches Eifersuchtsdrama aus ferner Jugendzeit immer noch in jenen Köpfen herum, die sich gerne eine alternative Sicht der Dinge zurechtbasteln. Alles in allem unschöne Zutaten für aktuelle Spekulationen im Zusammenhang mit einem skurrilen Tod eines Gasts der elterlichen Pension.
Wie aus gut informierten Kreisen zu erfahren war, wollte sich der Autor diesmal literarisch etwas zurückhalten. Davon merkt der, vielleicht durch seine Begeisterung geblendete, Rezensent rein gar nix. Eine vernünftige Erklärung dafür gibt es aber auch nicht. Vielleicht ist es einfach diese extrem nette Art Krauses, die Dinge zu erzählen und zu beschreiben. Der geistreiche Schalk im Nacken spielt ganz sicher auch eine Rolle und die schon erwähnte Bilderflut sowieso. Das geistige Auge der Leser/innen zwingt immer wieder zum Verweilen, sozusagen auf Standbild zu schalten, um Situationen oder Charaktere in ihrer Gesamtheit erfassen zu können. Viel mehr kann man mit dem Erzählen einer Geschichte wohl nicht erreichen.
Noch ein Hinweis am Rande. Roland Krause versteht sich auch und besonders in der Zweckentfremdung von Verben. Ein sehr nettes Beispiel ist "brotzeiten", welches in einem durchaus unüblichen Zusammenhang vorgetragen wird. Eines der Highlights, die, wie gesagt, schon ganz am Anfang unheimlich Laune machen. Weniger Laune macht es, wenn der Roman zu Ende ist. Och nö, das darf nicht wahr sein. Schon gar nicht, wenn hier der Auftritt von serienreifen Charakteren beendet wird. Das kann es nicht gewesen sein mit Bens und Lauras Lebenswegen, die man nur viel zu kurz begleiten durfte, und weshalb sich am Schluss tatsächlich eine Art Ernüchterung einstellt.
"Garmischer Mordstage" ist das erste Buch, das der Rezensent im Urlaub gelesen hat. Das hat es noch nie gegeben, denn in selbigem wird grundsätzlich kein Buch gelesen, geschweige denn eine Rezension geschrieben. Zudem passten Urlaubsort und -land rein gar nicht zur literarischen Umgebung. In diesem Fall aber siegte die Neugier. Premiere. Bingo. Volltreffer!
"Ein Krimi, der es in sich hat - schräg, humorvoll und hochspannend" lesen wir auf der Rückseite des Buchumschlags. Lieber Emons Verlag, das ist eine sehr charmante Untertreibung!
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