Fuchsteufelswild Ein Fall für Josef Sandner
von Roland Krause
320 Seiten © 2012 Piper Verlag GmbH, München www.piper.de krimikrause.wordpress.com ISBN 978-3-492-30108-4
Die Sanne, Sandners Tochter, hat früher keine Folge von Pippi Langstrumpf verpasst. Das war gelebte Anarchie, was der Obrigkeit selbstverständlich ein Dorn im Auge war. Die Freund- und Helfer-Fraktion, vertreten durch die beiden "uniformierten Kasperln", hat unser kindliches Gemüt damals besonders beeindruckt. Lustig wird es, wenn sich die beiden in einer Analogie in der Gegenwart manifestieren, was gar nicht so selten vorkommt. Merkwürdigerweise sieht einer immer wie ein "blahder Ochsenfrosch" aus und der andere wie ein "elendig langer Spargel". In dieser Situation befindet sich der Sandner nun ganz aktuell, nachdem er den Grainer auf seinem Hof besucht hat. Fahrzeugkontrolle. Die "gwamperte Amphibie" will wissen, was er in diesem abgelegenen Gebiet zu suchen hat ...
Es ist nur eine erste Ermittlung, die Spur einer Ahnung vielleicht. Eigentlich befindet er sich mitten in einem Wellnesswochenende in Bad Kohlgrub, welches ihm von seinem Freund, dem Gerichtsmediziner Doktor Aschenbrenner zum vierundvierzigsten Geburtstag geschenkt wurde. Wie es ein unglücklicher Zufall will, erreicht die Münchner Dienststelle die Nachricht von einem Mord, der mit seinem Kurort in Zusammenhang steht.
Die Eltern des Mordopfers Toni Brandl leben in Bad Kohlgrub, und wenn Hauptkommissar Sandner schon mal da ist, kann er auch gleich die unangenehme Pflicht übernehmen, die Eltern vom Tod ihres Sohnes in Kenntnis zu setzen. Diese machen sich gerade, fein herausgeputzt, für den sonntäglichen Kirchgang auf den Weg und zeigen sich, zur großen Überraschung Sandners, wenig beeindruckt. Während die Mutter verhaltene Trauer zeigt, ist ihr Mann der Meinung, dass "des hat ja so kommen müssen". Weitere Auskünfte könnten sie keine geben, da sie sowieso keinen Kontakt gehabt hätten. Alsdann machen sie sich auf den Weg zur Kirche. Auf alles war der Sandner vorbereitet, aber auf eine solche Reaktion dann eher nicht. Nicht einmal was passiert sei, haben sie gefragt ...
Während in München erste Ermittlungen laufen, beginnt Hauptkommissar Sandner ebensolche und ohne weitere Absprache in Bad Kohlgrub. Beim Pfarrer fängt er an und im Wirtshaus "Vogelwirt" macht er weiter. Ein "verruckter Hundling" soll er gewesen sein, der Toni Brandl. Nach Indien wäre er einst gegangen mit der Anni. Die sei aber zurückgekommen und hätte sich bald darauf erhängt. Eine "Blitzsaubere" wäre sie gewesen, "grad schad drum". Ihre Mutter hätte der Schmerz über den Tod ihrer Tochter ins Grab gebracht. Ihr Vater, der Grainer, längst ein gebrochener Mann, würde noch leben.
Auch wenn es in München erste Erkenntnisse gibt, sieht sich Sandner gezwungen, die Fahrt nach Hause noch etwas hinauszuzögern. Er hat das untrügliche Gefühl, dass der "Münchner Superbulle" in Bad Kohlgrub noch etwas gebraucht wird ...
Donnerwetter! Ich fragte mich nach der Lektüre des genialen Vorgängers, wie man so einen Roman wohl toppen könnte. "Der Sandner und die Ringgeister" konnte mit seiner gänzlich unkonventionellen Art begeistern, wobei mir diese rabenschwarze bayrische Kriminalklamotte als nicht reproduzierbar erschien. Weit gefehlt und ein großer Irrtum. Roland Krause kann sogar mühelos noch einen draufsetzen! Seine Art zu schreiben ist wirklich urwüchsig, und seine Sprachgewalt passt in die Landschaft, die er beschreibt. Und die ist ihm wichtig.
Durch den Sandner erzählt er uns von jener Gegend, die man findet, wenn man etwas hinausfährt. Dort, wo man jedes "Fleckerl Erde betasten möchte", und dort, wo "Feld, Wald und Wiese in einer Art dominieren, die dir das Herz aufgehen lässt"! Wenn es dagegen um so fundamentale Dinge geht wie universelle Sinnfindung, für welche die an Weisheitssucht erkrankten Stadtmenschen gerne weite und teure Reisen nach Indien unternehmen, kann der bodenständige Hauptkommissar nur müde lächeln, denn "wie man in Indien einen besonderen Sinn finden kann, den es in den Garmischer Bergen nicht gibt, hat sich dem Sandner bisher nicht erschlossen".
"Fuchsteufelswild" ist ein großer Spaß und eine Bereicherung zugleich. Gnadenlos räumt Roland Krause, scheinbar so ganz nebenbei, mit vielen geistigen Verblendungen auf, die uns an allen Ecken und Enden auflauern und uns das Hirn verkleistern bzw. "spirituell abfüttern". Erstaunlich sicherlich für den, der einen "simplen" Kriminalroman erwartet hat, in welchem sich doch bitte keine Weisheiten verstecken sollen oder gar - noch schlimmer - herzlich gelacht werden darf.
Wenn einem so viel Gutes wird beschert, könnte man doch glatt die Hauptgeschichte vergessen. Neben den pointierten Beschreibungen von Land und Leuten glänzt der Autor auch mit dem krassen Gegenteil, der Schilderung des Stadtlebens, insbesondere in München und ausgewählten Stadtteilen, die es übrigens sehr genau zu unterscheiden gilt. Neben den gutbürgerlichen Stadtgebieten mit all ihren Schattierungen, soll es auch unerwartet düstere geben, dort, wo ein Mord bestens zum "Umgebungsmenue" passen würde und gar eine "kreative Anpassungsleistung" wäre. Unvergleichlich sind seine messerscharf formulierten Personenbeschreibungen und Charakterverrisse, die ihresgleichen suchen!
Bitte einmal jährlich einen solchen Krimi. Danke! Die vielen Nieten, die man als Vielleser zwangsläufig zieht, wären somit sehr viel leichter zu verkraften.
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