Literatur

Der Sandner und die Ringgeister

von Roland Krause


320 Seiten
© 2011 Piper Verlag GmbH, München
www.piper.de
ISBN 978-3-492-27260-5



Josef Sandner, Hauptkommissar bei der Münchner Mordkommission, ist mit seiner Kollegin, der jungen Kommissarin Wiesner, unterwegs. Sie sind mit Frau Giese, der Leiterin vom Josephusheim, dem letzten Wohnsitz von Dennis Weiß, verabredet. Sandner läuft auf Hochtouren und konnte es kaum erwarten, das Präsidium zu verlassen. Das "hypothetische Geeier rund um traurige Faktenbrösel" ist nicht sein Ding. Er muss die Geschichten "beriechen, begaffen und erschmecken" ...

Unbeliebt wäre er nicht gewesen, trotzdem aber ein verschlossener Einzelgänger, berichtet Frau Giese. Der Vater lange tot und die Mutter eine Trinkerin. Freunde hätte er nur wenige gehabt, und in ihn hineinzusehen wäre unmöglich gewesen. Eine Therapie lehnte er ab. Für einen Moment wird die Heimleiterin unruhig ("da haben die Holzwürmer im Hintern rebelliert"), als die Sprache auf London kommt. Schlagzeug spielen wäre seine Leidenschaft gewesen. Zuerst in einem Übungsraum im Keller und später hat sich die Möglichkeit der Teilnahme an einem Unterricht in London ergeben. Die horrenden Kosten dafür übernahm der Vorsitzende eines Fördervereins, Bauunternehmer Auerhammer, persönlich. Komplikationen gab es mit der Freundin von Dennis, der fünfzehnjährigen Janine, die ebenfalls im Heim wohnte. Sie wurde schwanger, kam in eine Pflegefamilie, bekam dort ihr Baby und verschwand nach einem Jahr ...

Dennis Weiß ist tot. Er wurde erschlagen. Gefunden hat ihn eine ältere Dame - auf dem Friedhof und auf dem frischen Grab ihres Mannes! Dennis war Schlagzeuger bei der Gothic-Band "Nachtgoul". Ganz offenbar wurde er durch einen schweren Schlag auf den Hinterkopf getötet. Postmortem wurde ihm noch ein Pentagramm in die Brust geritzt ...

Das Wochenende hatte sich Sandner anders vorgestellt, zumal der Anruf vom Fund der Leiche nicht die erste sonntägliche Störung war. Hauswart Lehnharter klingelte am zeitigen Morgen und hielt ihm einen toten Gockel mit abgeschlagenem Kopf vor die Nase. "Nicht direkt Lebensgefahr, aber ohne Kissenbezug doch ein bisschen viel Natur am Morgen für den Sandner." Der Hausmeister berichtete, dass der Hahn vor seiner Tür gelegen hätte, und dass der Sandner schließlich Kriminaler sei und herausfinden müsse, "was das wohl für eine Hurendrecksau war". Nun war das Fass bereits vor acht Uhr morgens gestrichen voll ...

... und der Wutausbruch Sandners ein solcher, der seinesgleichen sucht! Dieses Buch übrigens auch. Die Lektüre traf mich ohne Vorwarnung. Die flüchtige Inhaltsangabe auf der Verlagsseite ließ zwar den Schluss zu, dass der erste Roman von Roland Krause womöglich nicht ganz ohne Humor auskommt, doch welches Feuerwerk an mitunter bösartigen Pointen mich erwarten sollte, ahnte ich nicht im Entferntesten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dieser ebenso schräge wie rabenschwarze Humor nicht jedermanns Sache ist, denn wer diesen nicht selten mit dem Vorschlaghammer austeilt, sollte mit Gegenwehr rechnen.

Wer jedoch neugierig ist, und sich den guten alten englischen Humor auf bayrisch (im Anhang gibt es eine -bitter nötige- Übersetzungshilfe) vorstellen kann, wird den Griff zu diesem Buch nicht bereuen. Ähnlichkeiten zu (mir) bekannten Werken gibt es nicht, wenn auch das Schimpfwort zu Beginn an den sechsten Band einer gar nicht mal so unbekannten Allgäuer Krimi-Reihe aus dem gleichen Verlag erinnert. Ansonsten gibt es hier aber keinerlei Ähnlichkeiten, denn bei Herrn Krause geht es ungleich deftiger zu. Seine geistreich-brachiale Figur des Josef Sandner ist ein hochkarätiger "Kriminaler", der seine Spontanität nicht immer und unbedingt unter Kontrolle hat. Das ist gut so, denn den (abgehärteten) Leser bringt er zum Lachen und umsomehr an Stellen, die gewöhnlich einen gewissen Ernst der Lage verlangen.

Roland Krause gibt seinen Figuren ungewöhnlich viel Raum zur Entfaltung. Das muss nicht immer ein Vorteil sein, denn in diversen Rückblenden und nach innen gerichteten Erkenntnisprozessen muss der ebenso verwirrte, wie sich vor Lachen schüttelnde Leser durchaus bemühen, den Faden der eigentlichen Handlung wieder aufzunehmen. Irrwitzige Personenbeschreibungen und Charakterisierungen nehmen aber genauso viel Raum ein, wie die kongenialen Beschreibungen der verschiedenen Schauplätze. Eine Blaskapelle ist nicht nur eine Blaskapelle, ein Bahnhof ist nicht nur ein Bahnhof und ein Fußballstadion nicht nur ein Fußballstadion ... denn hier weht an Wochenenden immer "ein Hauch von Bürgerkrieg", während Mannschaftswagen voll mit "Robocops" gegen marodierende Horden aufziehen. Gut auch die Idee, das "Fan-Gerammel" auf den Rasen im Stadion zu verlegen. Wenn dann auch noch für eine entsprechende Bewirtung gesorgt wäre, könnte man die Verkaufspreise von Dauerkarten sicher noch einmal nach oben korrigieren ...

Mein Fazit: Herrgottsakrament!

 

Thomas Lawall - Dezember 2011

 

 

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