Literatur

Eisige Rache

von Elke Schwab


384 Seiten
© SOLIBRO Verlag, Münster 2013
www.solibro.de
ISBN 978-3-932927-54-6



Lukas Baccus und Theo Borg stehen vor dem Elternhaus des Ermordeten. Eine kleine Menschenmenge hat sich dort bereits versammelt und beobachtet die beiden mit Argwohn. Endlich würde etwas getan werden, denn man sei wohl kein Freiwild im eigenen Dorf. Theo gelingt es gerade noch, seinen nicht gerade gut gelaunten Kollegen davon abzuhalten, die jetzt laut schimpfende Menge aufzumischen. Schließlich wären sie Fremde im Dorf und damit "so was wie Außerirdische".

Die beiden Kriminalkommissare werden von der Mutter des Opfers bereits erwartet und umgehend ins Haus eingelassen. Ob der Mörder schon gefasst sei, will sie wissen. Da die Beamten verneinen, lässt sie ihrer Verzweiflung freien Lauf. Viele würden jetzt unterstellen, dass ihr Sohn eine Mitschuld an seiner Ermordung tragen würde. Jemand, der nicht arbeiten ginge, und trotzdem ein gutes Auskommen hätte, würde sich in der Dorfgemeinschaft nicht gerade viele Freunde machen ...

Oskar Lohse hastete in wilder Flucht durch den Wald, nachdem er mit seinem Wagen auf schneebedeckter Straße in den Straßengraben fuhr. Man hatte auf ihn geschossen, doch der Angreifer begnügte sich nicht mit einem harmlosen Unfall. Im Gegenteil, er nahm die Verfolgung auf. Eine einsame Waldhütte konnte Oskar Lohse gerade noch erreichen, doch es war zu spät! Die Hütte war zwar einsam gelegen, aber nicht verlassen. Das Geschehen wurde also mehr oder weniger beobachtet. Wie es der Zufall will, waren die unfreiwilligen Zeugen auch noch ganz und gar keine Unbekannten ...

... weshalb mir (spätestens) an dieser Stelle die Handlung etwas zu unwahrscheinlich konstruiert zu sein scheint. Zufälle gibt es immer wieder, aber ganz und gar keine solchen. Da ein Kriminalroman aber in aller Regel ein reines Phantasieprodukt darstellt und dieser bekanntlich keine Grenzen gesetzt sind, muss (kann) man als Leser die angedeuteten Unwahrscheinlichkeiten letztlich doch akzeptieren. Wenn allerdings ein Journalist an aktiven Ermittlungsarbeiten teilnehmen darf und dies von entsprechender Stelle auch noch abgesegnet wird, bleiben zumindest Fragezeichen.

Aber solange der ständige Antrieb weiterzulesen, um dieser haarsträubenden Geschichte um ein dunkles Geheimnis in dem kleinen Dorf Buweiler endlich auf den Grund gehen zu können, besteht, hat das Buch immerhin seinen Zweck erfüllt. Der Weg dahin gestaltet sich aber, ganz anders als im Vorgänger "Mörderisches Puzzle", wesentlich anstrengender. Irgendwie wirkt die Geschichte nicht homogen und die Charakterzeichnungen der Figuren insgesamt etwas kantiger und unausgewogener. Dies findet beispielsweise Ausdruck in den mitunter sehr aufgesetzt wirkenden Auseinandersetzungen des Ermittlerteams, die sich in ebenso völlig überflüssigen, wie kindlich-naiven Streitgesprächen verlieren.

Auch der Umgangston zwischen Lukas Baccus und Theo Borg ist mitunter nicht der feinste. Unter langjährigen Kollegen kann ich mir gewähltere Umgangsformen oder zumindest solche vorstellen, die sich weniger ruppig gestalten und auf den gelegentlichen Austausch von Kraftausdrücken der unteren Schublade verzichten. Stattdessen wünscht man sich ausgefeiltere und tiefergehende Charakterprofile: Weniger Story - mehr Mensch. Schließlich sollten die Figuren nicht wie Statisten in der eigenen Geschichte wirken.

Da lobe ich mir doch den Sachverstand sowie den schrägen Humor der Autorin, welcher (wie gewohnt) mit einigen nicht unwesentlich geistreicheren Formulierungen punkten kann. Ob es nun Räuber- und-Gendarm-Spiele sind, die einst den kleinen Lukas Baccus auf die Idee brachten, Polizist zu werden, ein vermeintlicher Auftrag des Verkehrsministeriums, der sich mit der gewaltsamen Beseitigung alter Rostlauben beschäftigt, einem "Methusalem-Komplott" oder der Neugründung der "RAF", die sich heutzutage unter völlig anderen Vorzeichen definiert! Nicht fehlen darf in diesem Zusammenhang auch der Kollege Dieter "Bischof" Marx, der mit seiner liebenswerten Salbaderei im Krimi-Genre wohl eine Ausnahmeerscheinung darstellt, und in der Baccus-Borg-Reihe eine oscarreife Nebenrolle besetzt!

Auch wenn es "sachlich" wird, kann "Eisige Rache" punkten. In der Gerichtsmedizin wird nicht mit Einzelheiten gespart, selbst der Unterschied zwischen "Schuhabdruckspuren" und Schuheindruckspuren" wird erklärt, in Sachen Waffenkunde gibt es die eine oder andere Nachhilfestunde und vermeintliche Kleinigkeiten, die Regelungen - laut "Schießstandordnung des deutschen Schützenbundes" - in einem Schützenhaus betreffen, werden ebenfalls nicht ausgespart.

Besonders angenehm fallen die Ausführungen der Profilerin und Psychologin Dr. Silvia Tenner auf. Als ob ihren Part jemand anderes geschrieben hätte, gestalten sich die Texte hier plötzlich ungleich interessanter und ungleich anspruchsvoller (was das "bodenständige" Ermittlerteam natürlich gleich wieder in Rage bringt). Man kommt in Versuchung, sich künftig die "Frau Doktor" als Erzählerin zu wünschen!

Elke Schwab lockert einerseits mit diesen "Zutaten" den Verlauf aus zäher Ermittlungsarbeit und einer ganzen Reihe von falschen Fährten auf, gestaltet sie interessanter und lebendiger und zeugt andererseits mit ihrem Humor von einem gewissen Abstand ihrer eigenen Geschichte gegenüber, welche sie aus jener respektvollen Distanz mit einem Augenzwinkern betrachtet. Sich selbst manchmal nicht ganz ernst zu nehmen, zeugt von Stärke. Und jene dürfte so ganz nebenbei auch bedeuten, dass in Sachen Baccus-Borg das letzte Wort noch lange nicht gesprochen ist

 

Thomas Lawall - Mai 2013

 

 

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