Der letzte Kick - Vier Brücken und ein Ufer-Los
Neue Installationen von Steffen Lawall
Nach unserem Beitrag "Kehrlichter und lange Besen mit kurzem Sinn" wissen wir Neues aus Reutlingen zu berichten. Außer Besen nix gewesen? Von wegen - der Wahnsinn geht weiter. Inzwischen ist der Stuttgarter Künstler beim "letzten Kick" angekommen. Zum Thema "Ball-Kunst" hat Steffen Lawall eine wiederum ausgesprochen eindringliche Installation geschaffen, die bei div. Ausstellungen im Großraum Stuttgart zu bewundern war und ist.
Zunächst löste das Thema beim Künstler heftigste Abwehrreaktionen aus. Diverse Würg-Reflexe mündeten zunächst in das Vorhaben, sich im Jahr der Fußball-WM (2006 - falls sich jemand erinnert) ins künstliche Koma versetzen zu lassen, um der allgemeinen Ball-Hysterie zu entkommen. Doch große Geister sind seit eh und je in der Lage, Frust in Trotzreaktionen zu verwandeln, um somit das Unvermeidliche in Kreativität zu verwandeln. Auf die existentielle Frage, wie man die vielen überflüssigen Fußbälle wieder loswerden könnte, entwickelte der Künstler eine ebenso überraschende, wie schlicht logische Konsequenz. Da Fußbälle bekanntlich zu dick sind, um sie im Klo runterzuspülen, müssen sie vorher einfach etwas zerkleinert werden.
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Fast kommt man zwangsläufig auf ein altes aber bewährtes Hausmittel zurück ... den "Leder-Wolf". Der Rest ergibt sich wie von selbst. Die Bälle werden einfach hineingestopft und anschließend dreht man völlig durch. "Der letzte Kick" erblickte das Licht der Welt. Mit der einen oder anderen Kiste Prosecco wurde die eine oder andere Vernissage zur rauschenden Ball-Nacht. Steffen Lawall erwägt nach zahllosen erfolgreichen Ausstellungen nunmehr in einer Kochshow für Fußballhasser oder als Spielverderber im Sport-Studio aufzutreten.
Auch zur Jahresaustellung Pfullinger Künstler hat der Installateur, als ehemaliger Ureinwohner dieser beschaulichen Siedlung, einen Beitrag abgeliefert. Zum Thema "Brücken" wagte er wiederum, erstaunlich Naheliegendes in eine Art paradoxen Widerspruch zu stellen. "Entfunktionalisieren" heißt das Gebot der Stunde. Die Kunst ist längst aufgebrochen, um sich selbst und das gesamte Universum in Frage zu stellen. Der Blick über den eigenen Tellerrand hat sich zu einer Reise ohne Wiederkehr entwickelt. Alltagsgegenstände werden nicht nur um ihrer selbst willen verfremdet, sondern sie werden ihrer eigentlichen Funktion beraubt und vollkommen isoliert. Dies entspricht aber keineswegs einer freiheitsberaubenden Einzelhaft in einem unbekannten Kontext, sondern vielmehr um eine uferlose Weiterentwicklung des eigenen Selbstverständnisses, was im Klartext nicht nur Manipulation oder gar schlichte Bearbeitung bedeutet, sondern vielmehr Veränderung und eine grundlegende Neuordnung.
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"Vier Brücken und ein Ufer-Los" präsentiert sich als universales Kunstwerk, und ist in seiner Gesamtheit auf den ersten Blick gar nicht zu erfassen. Das vermeintliche Chaos ist durch Scharniere verbunden und eröffnet der gemeinen "Brücke" neue Horizonte. Dem Normalfall beraubt, überbrückt das Objekt sich selbst sowie einen übergeordneten Weg, der den Betrachter gleichermaßen befremdet wie beglückt. Irritiert stellt man fest, dass diesen Brücken jedes Ufer zu fehlen scheint. Das Schicksal hat es nicht gut mit ihnen gemeint. Wir alle kennen dieses Gefühl. Doch der Irritation folgt die Erkenntnis, dass Schicksal nur ein Wort ist. Wir müssen loslassen, dürfen weder rasten noch ruhen und uns dem Leben nicht ergeben, denn ein Fehlen gewohnter Bezugspunkte wird in letzter Konsequenz unzählige Wege zu neuen Ufern schaffen ...
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