Das schafft keine Kamera ...
Ein Bericht über Maximilian O. Deister, Grafik-Designer + Illustrator AGD, seine Arbeiten und seinen markanten Slogan
Von M. Siegmund
Das schafft keine Kamera ... Um diese kühne Aussage zu prüfen und eventuell zu bestätigen, bedarf es der näheren Betrachtung einer Vielzahl von Bildern, die im weiteren Teil des Porträts Maximilian O. Deister gezeigt werden sollen.
Ein Porträt, das nicht nur visuell aufzufassen, sondern mit einem Lebenslauf versehen, der an dieser Stelle und in diesem Umfeld, das überwiegend rational und an Technik orientiert ist, ein kleines „Ambiente“ darstellen soll.
Deister lebt und arbeitet in Reinheim-Zeilhard bei Darmstadt. In seinem Hause, das außen und innen seiner ganz individuellen Lebensphilosophie entspricht, gibt es mehrere Arbeitsplätze in verschiedenen Räumen. So ist es ihm möglich, an diversen Aufgaben nahezu zugleich zu arbeiten und unterschiedliche Lichtverhältnisse auszunutzen. Überall und rundherum Bilder, Bilder. Das ganze Haus scheint eine einzige Galerie zu sein. Porträts von Politikern wie Heinemann, Brandt, Scheel, Erhard, Bahr, Porträts auch von Böll und Zuckmayer und vielen anderen bekannten und unbekannten Zeitgenossen – nach dem Leben gezeichnet. – Ein Haus mit besonderer Atmosphäre, mit vielen Büchern, einem stattlichen Plattenarsenal, Raritäten am Kamin, kurz, ein Haus, das ein einziges Studio darstellt. Hier ist Arbeit ohne Hektik möglich.
Maximilian O. Deister gehört zu der Generation, die den Krieg miterlebt hat. Mit 17 Jahren war er bereits Soldat in Russland und Frankreich, später in amerikanischer Gefangenschaft in den USA.
Wie belastend diese furchtbaren Erlebnisse insbesondere für sensible Menschen in dieser Altersphase gewesen sind, mag jeder ermessen, der den Krieg ebenfalls erlebt hat oder genügend Vorstellensvermögen über die Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten von Kriegen schlechthin besitzt. –
Es gibt Bilder von M. O. Deister aus dieser Zeit – Zeichnungen und Aquarelle- -, die diese Erlebnisse eindrucksvoll wiedergeben. – Sie haben ohne Zweifel zur Gesamtentwicklung seiner Persönlichkeit und der Schulung seiner künstlerischen Fähigkeiten bis zur heutigen Könnerschaft „Das schafft keine Kamera“ beigetragen.
Der Weg dahin war schwer, zumal die Ausbildung durch das dazwischenliegende Kriegsgeschehen unterbrochen wurde.
Maximilian O. Deister, 1924 in Köln geboren, malte und zeichnete, solange er sich erinnern kann. – Ein Akzent, der sich konsequent durch sein gesamtes Leben zieht, in der Kindheit, in der Schulzeit, immer ... Das gibt es ..., Picasso tat ähnliches.
Als 16jähriger wurde er bei einer großen Wanderausstellung mit 14 Federzeichnungen und 7 Aquarellen „Reichssieger“. Ein erster entscheidender Erfolg für Maximilian O. Deister. –
Es folgte eine regelrechte Lehrzeit als Tiefdruckretuscheur bei der damaligen „Kölnischen Illustrierten“. – Als dann die Zusage für ein Stipendium an der Kunstakademie Düsseldorf eintraf, lag zugleich der Einberufungsbefehl zum Militärdienst auf dem Tisch, 1942. –
1946 landete M. O. Deister in Hildesheim, nachdem er die amerikanische Gefangenschaft hinter sich hatte. Wie tausend andere auch stand er vor dem absoluten Nichts. Da aber zeichnen, malen, Gesehenes zu Papier bringen sein Metier waren und sind, begann er wieder unermüdlich künstlerisch zu arbeiten. Viele Aktstudien entstanden, Porträts und Landschaften in allen Techniken. – Die Aussicht, davon als Maler leben zu können, war aber denkbar gering. –
Dann knüpfte er erste Kontakte mit Verlagen. Ungezählte Buch- und Zeitschriftenillustrationen, Buch-Schutzumschläge mit handgezeichneten Schriften entstanden, für ein paar Mark.
Ein Wandgemälde in der Apsis der Elisabethkirche in Hildesheim wurde von M. O. Deister geschaffen, für ein Honorar von 250,-- DM, - 1949, kurz nach der Währungsreform ein „Honorar“, das nur abschätzen kann, wer die damalige Situation kennt.
1952 wurde Deister auf eine Zeitungsanzeige hin, die einen jungen Gebrauchsgrafiker für eine Frankfurter Werbeagentur suchte, für 550,-- DM eingestellt. Wenig aus heutiger Sicht, zumal bei 10 – 12 Stunden täglicher Arbeitszeit. Von Werbung hatte Deister damals keinen Dunst. Aber helle Augen und Ohren.
Nach zwei Jahren Agenturarbeit mochte er nicht länger zu diesen Bedingungen arbeiten. Er machte sich 1954 selbständig. Klinkenputzen bei Agenturen, Verlagen und Firmen gehört zum selbstverständlichen Ritual all derjenigen, die sich „verselbständigen“ wollen. Auch für Maximilian O. Deister eine Erfahrung, die ihm dann allerdings Aufträge verschaffte, die aufgrund seines Könnens fast selbstverständlich waren. In 25 Jahren seiner Tätigkeit in Frankfurt arbeitete er u. a. für Ford, Underberg, Sandoz, Stück u. v. a. m. Die farbige Anzeigenserie für Dunlop, die Anfang der 60er Jahre bei J. W. Thompson entstand, ist manchem noch bekannt. Da wurde bereits deutlich, dass die Kamera das so nicht schafft. –
1971 wieder eine Zäsur im Leben von Deister. Von der Agenturhektik in Frankfurt hatte er die „Schnauze voll“! – Das sagt sich leicht -, aber der mutige Sprung in eine gänzlich neue Umgebung am Rande des Odenwaldes ließ alte Kontakte verkümmern. Dafür entstanden allerdings ganz neue Verbindungen, im gesamten Bundesgebiet.
Die Früchte der Eckes-Fruchtsaftdosen, die in jedem Supermarkt zu finden sind, zeichnete Deister. Die eindrucksvolle BASF-Chromhand samt Flutlichtstadion zur WM ´74, eine Arbeit von M. O. Deister.
Wieder neue Arbeitsgebiete taten sich auf. Es wurden Aufgaben an ihn herangetragen, die besondere technische und architektonische Kenntnisse erforderten. – Aufgaben, von Deister als Herausforderung angenommen. – Nach Konstruktions- und Bauplänen entstehen perspektivische Darstellungen von Geräten, Maschinen, Fahrzeugen, ja von ganzen Industrieanlagen wie dem Großkraftwerk Abu-Dhabi am Persischen Golf, dem Kraftwerk Moneypoint/Irland oder dem Kraftwerk in Dänemark, Hafenanlagen mit riesigen Schiffsentladern in Rotterdam, Offshore-Anlagen mit tobender See und dem größten Schwimmkran der Welt. – Utopien bzw. Vorstellungen ins Bild gesetzt! – Das kann selbstverständlich keine Kamera. Hier kann nur Kreativität, Phantasie und darstellerisches Können einen Eindruck von „Zukunft“ vermitteln. – M. O. Deister hat diese Möglichkeiten zur Perfektion entwickelt. Einige Abbildungen mögen hier für sich sprechen.
Um perspektivische Ansichten mit Querschnitten von Dächern und Fußböden zu zeigen, wo Wärmepumpen Häuser und Schwimmanlagen beheizen, in denen die gesamte Anlage sichtbar wird, Rohre verlaufen und verschiedene Dämmschichten dargestellt werden, bedarf es der perfekten Zeichnung. – Auch das schafft keine Kamera.
Für Caparol, Deutsche Amphibolin-Werke, gestaltete Deister neben kompletten Anzeigenserien, die ohnehin zum Arbeitsgebiet eines jeden guten Grafik-Designers gehören, Prototypen von Stil- und Profanfassaden, Hochhäusern und Bungalows, mit den jeweiligen Stilrichtungen angespaßten Farbvarianten, als Vorschläge für Stadtsanierungen.
Es folgten Illustrationsaufgaben für Poclain, BBC, die illustrierte Anzeigenserie für Demag, nicht zu vergessen den „Merian“-Stich für Merck-Darmstadt. Jeder Strich ist von Deister. Wer kann so was heute denn überhaupt noch? Es folgen die großen perspektivischen Darstellungen des gesamten Firmenkomplexes Ellen-Betrix, Illustrationen für Chevron, Veba-Oel, die weltbekannte Illustration mit dem sympathischen Mann von Mannesmann, Illustrationen für diverse Brauerein, für Original Hanau-Quarzlampen, Farbwerke Hoechst, Stinnes-Reederei, Sonnen-Bassermann, Carrera, um nur einige zu nennen.
In Berlin, Kurfürstendamm, sollte ein ganzer Gebäudekomplex restauriert und saniert werden. Die ehemals stilgerechte Fassade bot ein Bild des Jammers, weil sie in den 50er Jahren in der bekannten Modernisierungswut total verschandelt wurde. Nur nach alten Amateurfotos ließ Deister die Fassade in liebevoller Kleinarbeit neu erstehen. Man übertrug ihm außerdem die farbliche Gestaltung aller Fassaden des gesamten Gebäudeblocks.
Ein weiterer Schwerpunkt in Deisters Gestaltungsskala: Der Fotorealismus. Eine Technik, die heute im Einsatz der werblichen Mittel, gleichgültig in welchen Bereichen, nicht mehr wegzudenken ist. – Deister hat hier ebenfalls Perfektion erreicht.
Mit heiteren Cartoons, ca. 600 Illustrationen, visualisiert Deister ein Diabetiker-Schulungsprogramm für Boehringer-Mannheim, das es Patienten sicher erleichtert und erträglicher macht, ihre Krankheit „anzunehmen“ und ihr Leben darauf einzustellen. – Kein nüchterner Filmvortrag und keine Kamera könnte dies leisten.
Es ist beachtlich, welche Vielzahl an fertigen Arbeiten und in Arbeit befindlichen Entwürfen in unterschiedlichsten Techniken und Stilrichtungen M. O. Deister noch vorzeigen kann: Illustrationen für Miami mit Luxushotels, Villen, malerischen Häusern mit Arkaden, Restaurants, Yachthafen, Palmen, Blumen, Menschen und Booten und Seglern, mit Buchten, Inseln und Meer. Alles nach Bauplänen. – Zukunftsbilder einer Landschaft, die eine Kamera auch nach deren Entstehen so nicht erfassen könnte.
Eine Summe von Werken, geschaffen von einem einzigen Künstler. – Dennoch nicht verwunderlich: Hier hat einer den rechten „Biß“, die totale Hingabe und zugleich die Möglichkeit, seinen schöpferischen, zeitgemäßer gesagt, „kreativen“ Impulsen und Inspirationen zu folgen, sie einzusetzen und auszuleben. – Beneidenswert! –
Der Service geht allerdings viel weiter. Deister berät und betreut seine Auftraggeber, er entwickelt ganze Kampagnen, gestaltet Prospekte, Plakate, Anzeigen, vom Layout bis zur Reinzeichnung – einschließlich Text und Typo. Er poliert Firmenerscheinungsbilder auf mit allem, was dazugehört: Signets, Schriftzüge, Geschäftspapiere usw. bis hin zur Neugestaltung von Gebäuden in Form und Farbe, innen und außen. M. O. Deister hat auch hierin im Laufe seiner Tätigkeit eine Unzahl von Aufgaben gelöst und verwirklicht.
Wir vom Verlag haben eine Auswahl von Darstellungen getroffen, die in erster Linie den provokatorischen Slogan „Das schafft keine Kamera“ auf den Prüfstand stellen.
Möge jeder Betrachter eine Bestätigung für sich selber finden.
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