Ich wohne seit nunmehr 11 Jahren auf dem grossen Südkontinent, in einem Dorf in der Nähe der Hauptstadt Canberra. Und Dezember ist bei uns natürlich Hochsommer. Da kommt dann alles zusammen - Hauptpflanz- und Erntezeit im Garten, Einkochen und Einfrieren, und dann noch Weihnachten...
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Surfing Santa Claus
HIER gibt’s ein kleines Video zum Thema!
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Australier haben ein irgendwie gespaltenes Verhältnis zu Weihnachten. Es ist heiss. Die Sonne knallt meistens erbarmungslos vom Himmel, wenn nicht gerade ein mächtiges Gewitter tobt. Das Radio spielt "I'm dreaming of a white Christmas..." Die Strassen sind dekoriert mit aufblasbaren Plastikschneemännern und Nikoläusen. In dem Versuch, Weihnachten den örtlichen Verhältnissen anzupassen, kommt der Weihnachtsmann auf dem Surfboard, nicht auf dem Schlitten.
Unser hiesiger Landrat hat dieses Jahr einen Wettbewerb ausgerichtet mit dem Thema "Wer hat die 'schönste' (sprich: am meisten blinkende, bunteste und kitschigste) Weihnachtsdekoration am Haus". Mehrere Häuser im Dorf sind so festlich geschmückt wie ein Las Vegas Strip-Club.
Manche Australier mit Sehnsucht nach traditionellen Weihnachtsfeiertagen haben versucht, Weihnachten in den Winter zu verlegen, also in den Juli. Das hat aber lediglich dazu geführt, dass Weihnachten jetzt vielerorts zwei Mal gefeiert wird!
Aber Spass beseite, Weihnachten im Sommer ist für einen Einwanderer oder eine Einwanderin aus dem hohen Norden eine emotionale Herausforderung. Natürlich weiss ich, dass sich in Deutschland auch vieles geändert hat und meine romantischen Kindheitserinnerungen sich wohl kaum mehr mit der Realität decken. Trotzdem... Für mich verbindet sich mit Weihnachten eine Zeit der Ruhe und Besinnung, ein Zusammenfinden der Familie, ein Duft nach Weihnachtsplätzchen, Tannennadeln und Kerzenwachs...
Meine Versuche, dies hierzulande nachzugestalten, sind irgendwie nur teilweise gelungen. Weihnachtsplätzchen backen ist eine wenig erbauliche Tätigkeit, wenn es draussen und in der Küche über dreissig Grad sind. Ausserdem verträgt die Butter die Temperatur nicht, die Plätzchen schmecken einfach seltsam bei dem Wetter. Ich backe trotzdem, aber meistens in einer Mammutsitzung kurz vor dem Fest.
In einem Jahr hatte ich schöne rote Kerzen aufgestellt, nur um feststellen zu müssen, dass die sich aufgrund der Hitze innerhalb weniger Stunden seitwärts verbogen hatten.
Richtige Tannenbäume gibt es kaum, meist sind Kiefern zu bekommen. Die aufzustellen hat allerdings wenig Zweck, da die Bäume bei dem Wetter ihre Nadeln noch schneller verlieren als in Deutschland. Entsprechend steht bei uns im Wohnzimmer eine "kanadische Tanne" made in China. Auch meine Suche nach weihnachtlich wirkenden elektrischen "Kerzen" für in den Weihnachtsbaum ist bisher kläglich gescheitert. Es gibt nur bunt blinkende Lichterketten.
Bei den Dingern halten die Lämpchen nicht lange und Ersatz ist auch nur schwer zu finden. Da musste ich dieses Jahr eine neue kaufen. Die hat winzig kleine LED Lämpchen. Toll, dachte ich, zumindest ist das umweltfreundlich, da extrem energiesparend. Leider sind die Lichter trotz ihrer Stecknadelkopfgrösse so grell, dass das Wohnzimmer jetzt in weihnachtliches Disko-Licht getaucht sind. Aber wenigstens kann man bei dieser neuen Lichterkette die Blinkroutine abstellen! Da es Hochsommer ist, wird es erst sehr spät abends dunkel, da hat man ohnehin wenig Gelegenheit, den Lichterglanz im weihnachtlich geschmückten Zimmer zu geniessen.
Und schliesslich bleibt für uns noch die Frage, wie man die nicht zusammenpassenden Traditionen irgendwie zusammenbringen kann. Mein Mann ist gebürtiger Australier und möchte lieber auf seine herkömmliche Art feiern. Da kommt natürlich Santa, durch den Kamin, und zwar am Morgen des 25. Dezember. Man muss ihm etwas zu essen und zu trinken hinstellen, und wenn die Kinder aufstehen, dann liegen da nur noch die Krümel auf dem Teller und das geleerte Weinglas (Santa hat offensichtlich ein Alkoholproblem, bei den Mengen, die er in jedem Haus zu sich nehmen muss...). Und man muss die grossen Weihnachtssocken aufhängen, in die Santa dann auch noch was reinpackt. Zu essen gibt es Schinken, Christmas Pudding mit Brandy Custard und Mince Pies. Typisch australisch ist es auch, zu Weihnachten ein Grillfest zu veranstalten. Beliebt sind dabei, neben den üblichen Fleischmengen, frische Prawns, die auf dem Grill gebraten werden. Ein typisches Weihnachtsobst sind Mangos, die im subtropischen Norden des Kontinents wachsen und die die Australier zu Weihnachten in grossen Mengen kaufen und essen.
Wir feiern, als Kompromiss, Weihnachten auf Heiligabend, aber mit einer Kombination von Traditionen. Das Christkind kommt, aber Santa ist sein Helfer, denn sonst sagen die Kinder auf die Frage der Nachbarn "What did Santa bring you this year?" - "Nothing, he doesn't come to us..."
Wir finden als Familie zusammen, unsere drei Kinder kennen es nicht anders und finden es trotz allem wunderschön. Und das ist letztendlich die Hauptsache.
Frohe Weihnachten! Chervil / Dezember 2007
chervil-earth.blogspot.com
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