CD-Review

WINDS "The Imaginary Direction of Time" (2004)

Metallischer Klassik-Prog


So, meine sehr verehrten Damen und Herren Leser, da hammer jetzt eine der besten Platten des Jahres 2004! Angekündigt hatte sich dies ja bereits mit dem ersten Longplayer "The Reflection of the I", der mir bekanntlich ganz schön das Gemüt verbogen hat. Die Erwartungen waren entspechend hoch...

... und "What is Beauty?" bestätigt dies auf den ersten Ton. Mit einem gediegenen Streichelpart beginnt das Kammerspiel und alsbald werden in das berauschende Opus metallische Elemente eingebunden... richtig gehört: Nicht umgekehrt!
Die Saiten-Elemente sowie die Rachmaninow'schen Klavierpassagen stehen in scheinbar krassem Widerspruch zur Gitarren- und Schlagwerkarbeit, welche sich gerne in Lichtgeschwindigkeit präsentieren. Diese an sich unvereinbaren Welten ergänzen sich in einer Art und Weise, die man schlicht als absolute Harmonie bezeichnen muss. Harmonie aber nicht im Sinne von Friede Freude Eierkuchen, sondern in der ursprünglichen Bedeutung von Eintracht.

Bereits nach dem kurzen Klavier-Solo "Sounds Like Desolation" muss ich etwas Ungewöhnliches tun - nämlich abbrechen und wieder von vorne beginnen. Ich kann nämlich einfach nicht glauben, was ich da gehört habe! Sowas ist mir jetzt noch nicht passiert!!
Ach ja, den Gesang habe ich vergessen. In dieser eigentlich unmöglichen Gemeinschaft bewegt sich ein Sänger, der eigentlich ein Geschichtenerzähler ist und deshalb gerne etwas in den Vordergrund rücken darf. Dieser gediegene Rufer scheint der Vermittler der Gegensätze zu sein. Er vermag die musikalischen Welten zu vereinen - ist das Bindeglied! Also Leutz, das ist der Sound der Zukunft...

Schon bei Track 3 "Theory of Relativity" bin ich restlos bedient und zwar im positivsten Sinne des Wortes. Doch was jetzt kommt, multipliziert sich mit den jeweils vorangegangen Tracks... und verzweifelt such' ich armer Tor nach einer Schublade...
Schon in der Morgendämmerung des aufkeimenden Bewusstseins versuchte der Neander- oder was weiß ich für'n Taler, das ihm Unerklärliche einzuordnen bzw. zu definieren. Da steht er wieder - der schwarzglänzende Quader - der irgendwie gestern noch nicht da war. Ich strecke meine Hand aus und berühre ihn. Fühlt sich warm an, doch das ist alles. Mehr kann ich nicht sagen...
Inzwischen sind wir weiter (ha), können uns artikulieren (haha) und genau (hahaha) sagen, was wir meinen, denken und fühlen... öhm ja... deshalb wage ich einen Vergleich, wie es ihn noch nicht gegeben hat. Ich sehe CHAMBER in einer stählernen Rüstung und... neee... Ende.

Track 5 "The Fireworks of Genesis" reizt wieder zum Zwischenstop, denn das geht mir zu abrupt zu Ende. Also nochmal die Genesis... und wer weiß, was mir "Under the Stars" noch zumutet. Muß doch erst die "Fireworks..." verdauen. Gelingt aber nicht, denn so schnell kann ich nicht arbeiten. Mein Zwischenspeicher ist einfach zu klein. Bis ich diese riesigen Datenmengen im eigens neu eingerichteten Ordner abgelegt habe, ist bereits die Hälfte des übernächsten Songs abgelaufen. Halt, nicht so schnell... obwohl's doch eigentlich gar nicht so schnell ist. Also hier muß einiges neu definiert werden, und es tut gut zu spüren, äh - dass hier die Worte etwas knapp werden. Erstaunen braucht aber keine Romane! Bewunderung auch nicht! Wann kommt der von mir zitierte Nobelpreis? Dieser ist allein für "Under the Stars" fällig!!

"A Moment for Reflection" klimpert und streichelt sich zu Beginn gegenseitig, bis der nun inzwischen obligatorische Break die Kammer mit einer zerbrechlichern Prog-Metal-Rauhfaser beklebt. Klarstellen muss ich, dass hier aber weder "Prog" noch "Metal" stimmt oder irgendwie passt. Die Tapete schon besser, denn diese Musik (welch banale Umschreibung) tapeziert mir das Großhirn neu...!

"Time Without End" leitet eine latente Bewusstlosigkeit ein  -  ich tippe wie im Rausch. Ha, da unten ist die Tastatur - komme nicht mehr dran - schreibe jetzt mit der Kraft meiner Gedanken, die längst nicht mehr Herr meiner Sinne sind. "The Final End" ist unvermeidlich, aber ich falle nicht, sondern schmachte "Beyond Fate"!

"Silence in Despair" holt mich auf den Teppich zurück... um mich in die winzige "Infinity" zu entlassen... ach, was bin ich durch den Wind(s)... und der noch winzigere hidden track macht die Bruchlandung perfekt.

Fazit: Das ist der "simpelste Bombast", den ich je gehört habe. Kammermelancholische Intelligenz für die Ewigkeit. Großartig!


Thomas Lawall - Dezember 2004)
 

 

Tracklist:

01. What Is Beauty?
02. Sounds Like Desolation
03. Theory Of Relativity
04. Visions Of Perfection
05. The Fireworks Of Genesis
06. Under The Stars
07. A Moment For Reflection
08. Time Without End
09. The Final End
10. Beyond Fate
11. Silence In Despair
12. Infinity

Line-up:

Lars Eric Si: Gesang, Bass
Carl August Tidemann: Gitarren
Jan Axel von Blomberg: Drums
Andy Winter: Piano

Bandpage:

http://www.winds.ws

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