CD-Review

THE 3RD AND THE MORTAL "Painting on glass" (1996)

New-Age-Prog-Metal-Phantasie


Warum gibt es eigentlich nicht so eine Art musikalischen Nobelpreis?...

Kalt war's im Januar 1996. Eiskalt. Und am 22. wurde es noch kälter. "Painting on glass" erblickte das Licht der Veröffentlichung. Und bei mir gingen dann endgültig alle Lichter aus. Die letzten kläglichen Reste von in Spurenelementen noch vorhandener guter Laune, lösten sich in die Unendlichkeit auf.
Ich tauche jetzt ein in dieses wüste Patchwork von Emotionen. Sechs Jahre Zeit der Verarbeitung sollten genügen, um endlich wenigstens ein paar vernüftige Zeilen über dieses Album zusammenzubringen, obwohl ich nicht glaube, das jemals schaffen zu können, denn es unterscheidet sich von ALLEN anderen...

Ich fange mal von hinten an. Track (sorry) 14 "Horizons" beginnt zwar (wiedermal) in Moll, dennoch sieht es fast nach einem versöhnlichen Ende aus - haaaaach nein - "whispering fingertips..." - es gibt kein Happy-End...
Hätte ich mir denken können, denn mit "Magma" beginnt "Painting on glass" nicht gerade verheißungsvoll. Gleich das erste Stück lässt nichts Gutes ahnen. Bösartige Geräusche, die mich an meinen letzten Alptraum erinnern. Und plötzlich kann ich diesen grauenhaften Traum betreten! "The pulsation of my blood..."
"Commemoration" beginnt mit Posaune(!) und ich als ehemaliger Free-Jazz-Sympathisant stelle mich auf ein ebensolches Event ein (höhö - das Kratzen einer verdellerten LP erinnert mich doch an was...) - aber Nein - plötzlich knallt die Gothic-Gitarre rein und Ann-Mari singt vom Himmel herab...
Das ist eine (knapp) Sechs-Minuten-Oper!

Seltsam mittelalterlich verklärt wirkt "Crystal Orchids". Die Sängerin scheint in irgendeinem Nebenraum zu klagen. Dumpf klingt es durch die dicken Mauern. Geniale Idee!
Ganz anders wieder in "Persistent and Fleeting". Das ist gepflegter Endzeit-Horror, der sich in Prog-Gefilden "verliert". Ann-Mari singt, schreit und kreischt, dass es einem augenblicklich das Blut in den Adern gefrieren lässt!
AUA! Und schon wieder heißt es umdenken. "White Waters" gönnt eine akustische Verschnaufpause - ach ne - doch nicht - das Ende ist wieder so seltsam... Genauso wie das sphärische "Aurora Borealis".
...Bang (!!) "Dreamscapes" ... "symbols gracefully painted on glass..." und hier beginnt dieses Soundwunderwerk - nach wunderschönem Gesang - zu eskalieren - spätestens mit dem Häppchen Kirchenorgel... und unvermittelt weiter zu...
..."Aurora Australis", einem weiteren "Fragment" dieses außergewöhnlichen Werkes.
"Azure" ist ein Keyboard-Traum, der dann nur noch zum Flennen ist! Das darf nicht wahr sein!! Zeitmaschinen gibt es DOCH!!! Ich sehe in diesem Stück meine Geburt, mein ganzes Leben und das Ende!

(Lufthol...) "Veiled Exposure" ist wohl eine der schönsten Balladen, die es auf diesem verlorenen Planeten gibt und dennoch liegt über alledem eine grauenhafte Sinnlosigkeit...
"Stairs" sind die düsteren Stufen, die ich letzte Nacht wieder hinunter gerannt bin, um dem Wahnsinn gerade noch zu entkommen...
"Eat the distance" kommt genauso rätselhaft wie das Didgeridoo! Diese Soundcollage sprengt endgültig alle Horizonte! Da hilft nur noch eins: Flachlegen, zuhören und wegfliegen. Irgendwohin! Das ist keine Musik mehr - das sind vertonte Bilder!
"Vavonia part II" zerstört mit gnadenloser Wucht die Bilder gleich wieder - und ersetzt sie durch neue! "Behind your door..." - ach, wie abgrundtief schön ist dieser Gesang und doch schwebt da wieder so ein gigantisches Schwert über allem...
AUS! - Da ist es wieder - Das Ende vom Anfang oder der Anfang vom Ende: "Horizons" - was soll ich noch sagen, wenn ich einfach bloß noch laut schreien möchte! Sechs Jahre habe ich gebraucht, um das zu verkraften...

Ähem, ich reiß' mich jetzt mal zusammen und sage jetzt noch was zur Musik. Also, wenn ich so in den Spiegel schaue, dann kommt mir mein Leben wie so eine Art Achterbahn vor. Ein wildes Sammelsurium von Eindrücken und Erfahrungen. Ein...äh ja... Durcheinander...ja genau! Dies und noch viel mehr wurde in "Painting on glass" vertont...

... Warum gibt es diesen Nobelpreis nicht??!!


Thomas Lawall - November 2002
 

 

Tracklist:

01. Magma
02. Commemoration
03. Crystal Orchids
04. Persistent and Fleeting
05. White Waters
06. Aurora Borealis
07. Dreamscapes
08. Aurora Australis
09. Azure
10. Veiled Exposure
11. Stairs
12. Eat the Distance
13. Vavonia part II
14. Horizons

Line-Up:

Rune Hoemsnes: Drums and percussion
Bernt Rundberget: Bassguitars
Ann-Mari Edvardsen: Vocals, keyboards
Trond Engum: Electric and acoustic guitars
Geir Nilssen: Electric and acoustic guitars, keyboards
Finn Olav Holte: Guitar treatments, acoustic guitar, keyboards, tapes

Für Fragen, Kritik und Anregungen steht unser Forum zur Verfügung

Home News Literatur Gedichte Kunst Philosophie Schräg Musik Film Garten Küche Gästebuch Forum Links Impressum