GOTTLIEB MUFFAT (1690-1770)
Orgelwerke, Missa in F und Gregorianischer Choral (2001)
Gregorianischer Choral schaffte 1990 mit Enigmas "Sadeness" Zugang in die Charts. Wer sich aber für "ungeschminkte" Originale interessiert, sollte sich mal mit Gottlieb Muffat beschäftigen. Entweder findet ihr Dumpfbacken keinen Zugang oder euch fallen die Ohren endgültig ab. Nur Mut...
Ich bin total plemplem. Verschlimmernd kommt hinzu, dass ich daran nichts ändern kann. Wie auch? Die Kirchenorgel ist wohl das schönste und gleichzeitig schrecklichste Instrument, das der menschliche Geist je ersonnen hat! Und es übt eine Wirkung auf mich aus, die wohl am ehesten mit einem emotionalen Tornado zu vergleichen ist!! Ganze Gebirge scheinen da in mir einzustürzen. Ne danke. DEM kann ich mich "live" nicht ausliefern. Keine Chance. Noch sehr gut kann ich mich an mein letztes Orgelkonzert erinnern. Irgendwo in Wiesbaden vor schlappen 25 Jahren. Meine Damalige schleppte mich mit letzter Kraft aus dem Kirchlein....
Deshalb betrat ich auch - mehr oder weniger zitternd - im Sommer 2001 die Pfarrkirche (ehem. Benediktinerabteikirche) zu ST. MANG in Füssen. Dabei schielte ich immer wieder in zwei Richtungen. Erstens zur Orgel und zweitens zum Ausgang. Denn wenn dieses Wunderwerk auch nur ein einziges Tönchen losgelassen hätte, wäre ich sofort geflüchtet. Nix passierte und ich konnte weiterhin "ungestört" in den barocken "Erbaulichkeiten" des Baumeisters, Malers und Stukkateurs Jakob Herkomer (1648-1717) schwelgen. Dachte mir noch: Mensch, wenn Bachs "Toccata in d" durch dieses ehrwürdige Gemäuer tönen würde, dann würde dieses filigrane Meisterwerk wohl einstürzen... Beim nächsten Besuch 2002 entdeckte ich in einem Laden in Füssen eine CD, die nur wenige Tage nach meinem Besuch im Vorjahr in St. Mang aufgenommen wurde. Im August 2001 spielte Wolfgang Baumgratz Orgelwerke von Gottlieb Muffat an der historischen Chororgel (nicht zu verwechseln mit der großen Orgel auf der Westempore), die um 1750 von Andreas Jäger (Füssen) erbaut wurde. Wie gerne würde ich dieses wohl unbezahlbare Unikat einmal von innen betrachten, denn die Platzierung inmitten des Chorgestühls verbot eine Konstruktion mit sichtbarem Pfeifenprospekt!!! Schon damals gab es also so etwas wie eine minimalisierte Kompaktbauweise...
Die Musik ist und hat nichts "Gewaltiges", denn was Muffat komponierte, war eher von leiser "Gewalt"! Aus heutiger Sicht mag er im Schatten seines Zeitgenossen J.S. Bach geschrieben haben - wie sonst kann es sich erklären, dass er in Musik- nur wenig und in Personen-Lexika gar überhaupt keine Erwähnung findet! Gab und gibt es auch in der klassischen Musik eine Art Mainstream??? Eine seltsame Parallele zu heutigen "Erfolgsbands" (auch wenn der Vergleich natürlich ganz gewaltig hinkt!) tut sich mir auf: Wenn es damals schon Radios gegeben hätte, was wäre dann wohl rauf und runter gespielt worden? Bach, Telemann, Schütz, Monteverdi... usw.??? Die "Chartbreaker" sahnen die vordersten Plätze ab und die "Kleinen" bekommt man nur in "winzigen Clubs" zu sehen, wo sie sich für eine warme Mahlzeit die Seele aus dem Leib spielen...??? Na gut - wir werden es nie erfahren. Den gesamten Umfang von Muffats Werk leider ebenfalls nicht, denn vieles ist verloren gegangen... Nicht aber diese, mit "kleinen Grandiositäten" vollgestopfte CD, die den geneigten Zuhörer in eine Zeitmaschine versetzt. Wer längst vergessene Orte der Ruhe sucht, wird sie finden...
Keine Ahnung, ob die CD überall erhältlich ist. Meine Empfehlung: Den Musikhändler nerven! Nicht zuletzt deswegen, weil das Angebot an klassischer Musik in diversen Läden immer weiter zusammenschrumpft... oder unter www.musik-fuessen.de
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