HANS SÖLLNER
Live in der Sinsheimer Stadthalle am 1. April 2003
Ohne Band, aber mit viel Wut im Gepäck, reiste der bayrische Querschädel nach Badisch-Sibirien. Tom und Mary waren dabei und sind sich ziemlich sicher, dass der Hansi nun wieder 'ne ganze Menge Feinde mehr gewonnen hat... Irgendwie schien er an diesem Abend nicht gut drauf zu sein. Kein Wunder, denn die ständigen Prozesse wegen diverser Beleidigungen und die damit verbundenen Kosten müssen auch bei einem Hans Söllner Spuren hinterlassen. Eigentlich wollte er ja deshalb auf jede Namensnennung verzichten, bis er nach der fünften Zugabe doch noch zu einem globalen Rundumschlag ausholte...
Roter Faden des Abends waren seine über alles geliebten grünen Staatsdiener. Um neue Anzeigen zu vermeiden entschied er sich, nicht mehr "einzelne Polizisten als Arschlöcher zu bezeichnen", sondern einfach zu behaupten "Sie san ALLE Arschlöcher". Mit dem Eingang von "ca. 250000 Anzeigen" rechnet er nicht. Fast wurde es etwas eintönig, denn nach jedem Song folgte ein Vortrag über die "hirnlosen Befehlsausführer". Reichlich öde, alle über einen Kamm zu scheren. Söllner sollte aufpassen, nicht zu einer Art Stammtisch-"Partysan" zu mutieren. Auch wenn der Beifall tobt, ist das nur mehr pure Effekthascherei! Die ständigen Wiederholungen brachten aber auch einige Highlights hervor. Da sich dieser Menschenschlag "seit 30 Jahren nicht verändert hat", vermutet Söllner die Existenz "unterirdischer Labors", in denen Polizisten im Reagenzglas gezüchtet werden. Je nach Bedarf und späterem Verwendungszweck. Z.B. "schmeiß'n s' einfach noch a Lenkrad ins Reagenzglas, wenn's später mal a Fahrer werden soll...". Der Brüller des Abends waren die Polizisten, die neuerdings mit dem Mountain-Bike durch München radeln. Selbstverständlich haben die Fahrräder keinen Sattel! Die Räder werden "gentechnisch eingepflanzt und bei der Geburt einfach rausgschiss'n"! Krass!!!
Eindringlich auch seine Warnung "Koch werden kann jeder... aber Polizist jedes Arschloch" und deshalb auch seine inbrünstige Bitte, ja fast ein Flehen, diese Menschen zu "beschäftigen, damit sie von der Straße weg sind". Beispiele: Langhaarperücke aufsetzen und sich verdächtig benehmen. Polizeiautos nachfahren, Warnblinkanlage ständig einschalten, Hausdurchsuchungen zum Muttertag verschenken...
Selbstverständlich fehlen auch seine Loblieder auf das Kraut -"dass noch niemand umbrocht hot"- nicht. So gröhlte das Publikum denn auch kräftig mit bei "Edeltraut, oh Edeltraut, du host a sauguats Kraut obaut" oder "Mei Vadda hot an Marihuana-Bam". Tips für den Praktiker gab es auch. Bei drohenden Hausdurchsuchungen sollen in der Wohnung "Sollbruchstellen" eingerichtet werden. Also jeweils "1 Gramm" in Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer usw. verteilen. Das schaffe Verwirrung und mache zudem die "süchtigen Köter" völlig irre! Diese Thematik trat allerdings etwas in den Hintergrund, womöglich wegen der "Hundertschaft" vor der Halle (die wir leider verpasst haben), die ihn motivierte, ständig wieder in diese Richtung verbal zu kontern. Derb beleidigt zogen sich die Damen und Herren offensichtlich in alle Himmelsrichtungen zurück, um sich auf den verschiedenen Autobahnzubringern wieder zu sammeln... Dort wurde dann nach Konzertende umso heftiger kontrolliert!
Regelrecht erfrischend war dann der Themenwechsel in Richtung Kinder, obwohl es hierbei ganz und gar nichts mehr zu lachen gab. Ob es nun um seine eigenen oder um die Interessen aller Kinder dieser Welt ganz allgemein geht - hier gehen Söllners Emotionen völlig durch und dies bringt er mehr als glaubwürdig rüber. Er mahnt uns alle, es als Lebenszweck zu sehen, diese Welt, die am Abgrund steht, für unsere Kinder zu erhalten! Im Grunde wäre es so einfach...!!! Und wir sollen endlich respektieren, "dass' von Anfang an schon Menschen san un nit später erst wern"...!!! "Laß de Kinder nimma schrein" war deshalb für mich der Höhepunkt des Abends.
Auf Söllners Begleitband "Bayaman´ Sissdem" mussten wir leider verzichten, denn er behält sich bei dieser Tour vor "undmit/oderohne" aufzutreten. (Im Prinzip eine Zumutung, denn beim Kauf einer Eintrittskarte wollen wir es eigentlich etwas genauer wissen!) Musikalisch "reduziert" bewegte er sich irgendwo zwischen Bob Dylan und Hannes Wader. Solo erzeugte er eine fast heimelig, gemütliche Atmosphäre. Dennoch wirkte er, auf seinem Stühlchen zusammengekauert, mitunter seltsam isoliert - der wahre Rufer in der Wüste! Cool das eigenwillige Queroutfit mit langen blonden Dreadlocks und schlichter Trainingsjacke á la Marley. Noch cooler die dunkle Sonnenbrille, die allerdings den Kontakt zum Zuhörer reichlich bremste.
Dennoch ging die Rechnung auf, weil das Provinzpublikum, in Altersklassen von ca. 5-65 Jahren erschienen, sich zu wahren Begeisterungsstürmen und gar Zwischenapplaus hinreißen ließ. 700 Leute in der ausverkauften Stadthalle - das will für Badisch-Sibirien schon was heißen! Söllner quittierte diese Leistung nach dem 2-stündigen Konzert mit "einer" Zugabe. Die allerdings dauerte eine halbe Stunde und gipfelte im zitierten Rundumschlag: "A Drecksau bleibt a Drecksau, das ist international... Hitler..." und dann nannte er noch zwei Namen. Den eines Amerikaners und eines Engländers...
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