Live

HORNS UP Festival - 11.07.2009
Meckesheim


Tja, welch ein Kontrastprogramm - denn etwas voreilig habe ich vor geraumer Zeit meinen (jüngeren) Kinderchen versprochen, am 11.07.09 nach Mannheim zu fahren, wo auf der Freilichtbühne das Kindermusical "Ritter Rost" gegeben wird (hüstel). Meinen älteren sagte ich zu, das diesjährige HORNS UP nicht schon wieder verpassen zu wollen. Muhahaha ... auf die Termine hatte ich allerdings nicht so genau geschaut! Leider ging das Event in Mannheim - welches eigentlich ganz lustig war - erst um 16 Uhr los und endete um 17.30 Uhr. Dann gab ich meinem japanischen Reiskocher aber die Sporen, um der freundlichen Einladung des Kerwevereins Meckesheim (MKV 85), welcher gemeinsam mit AGORAPHOBIA das Festival veranstaltet, endlich Folge zu leisten ...

Schließlich traf ich gegen 18.40 Uhr ein und drängelte mich umgehend in die erste Reihe, da die Lokalmatadoren CYPECORE zu letzten Soundchecks anstimmten. Schon jetzt fiel auf, dass es sich beim Publikum um die lebhaftere Sorte handelt, denn dank der gröhlenden Horden verstand man schon vor dem Gig sein eigenes Wort nicht mehr. Sauber! Die Sinsheimer Core-Knaben legten alsdann nicht nur ein fundamentales Brett auf die Gemarkung, sondern auch ein völlig losgelöstes und barrierefreies Verhältnis zu ihren Fans. Die musikalischen Beiträge vom aktuellen Album "Innocent" überzeugten aus dem Stand, wobei die Spielfreude der jungen Kapelle offenbar keinerlei Grenzen kennt. Die Senkrechtstarter kann man dieses Jahr noch auf (mindestens) vier weiteren Festivals erleben, u.a. am 12.08.2009 auf dem Summerbreeze Open Air. Neben aller Härte haben die Jungs gar eine Botschaft: "The mission is to do something with your life..." Genau!
CYPECORE
Nach kurzer Umbauphase (jeweils nur schlappe 15 Minuten) enterten SCORNAGE die heiligen Bretter. Die Komiker mussten zunächst mit merklich aufgelockerterem Zuschaueranteil auskommen, da CYPECORE anscheinend für gar nicht mal Unviele der Headliner gewesen sind. Weil die restlos gutgelaunten Aachener aber eine Thrash-Lawine der krass-rabiaten Marke aufs Parkett kleisterten, haben sich Teile der Herde sehr schnell wieder in Richtung Bühne treiben lassen. Es war ein Fest für alle Old-School-Thrasher und die Jungs unterstrichen einmal mehr die Durchschlagskraft ihres aktuellen Albums "Born to murder the world". Aufgelockert wurden die Hasstiraden durch allerlei Verbalkomik von Frontmann Guido, der unter seiner immensen Matte (muhahaha) schier zu ersticken drohte. Auch der schwergewichtige Mann an der (phänomenalen) Leadgitarre brauchte Abkühlung, weshalb man ihm mitten in einem Solo eine Flasche Sprudel ins Hemd kippte. Der sympatische Dauerlächler und Basser Markus war mit seinem Funk-Tieftöner permanent unterwegs, wobei ihm gegen Ende der Vorstellung die Bühne zu klein wurde. Kurzerhand sprang er ins Fußvolk, um dort, unter tatkräftiger Unterstützung des Moshpits, munter weiterzuspielen (Beweisfotos s.u.). Sehr geile Nummer!
SCORNAGE
Gegen 21 Uhr waren Gastgeber AGORAPHOBIA am Start und sie brannten, ihrem Motto treubleibend, alles nieder. Das Wieslocher Death-Thrash-Hardcore-Orchester leistet sich mit Maik (Core Vox) und Phil (Death Vox) gleich zwei Opernsänger an der Front, welche alles zusammenschreien, was nicht bei 2 1/2 auf dem Baum ist. Um von der schier völlig ausrastenden Heerschar nicht zermalmt zu werden, flüchtete ich wiederum in die erste Reihe (die meistens ohne allzuviel Prügel davonkommt), wo es mir unter akuter Lebensgefahr gelang, das eine oder sogar andere Foto zu machen. Ursprünglich 1989 geründet, formierte sich die Truppe 2005 neu, da es 1993 bereits zu Ende ging. Die neue Formation um die beiden Ur-Gitarristen ist nunmehr aber nicht mehr aufzuhalten, wobei sie ihren brontalen Genre-Mix mit allem zur Verfügung stehenden Nachdruck präsentieren und so ganz nebenbei für allerhand Abwechslung sorgen. "The fire inside" sollte man sich unbedingt geben und das wird noch lange nicht der letzte Burner der Kapelle sein ...
AGORAPHOBIA
Dann kam eine Reggae-Band an die Reihe ... ja neee, das war nur das Intro für den flotten Kultbrocken HOLY MOSES. Also Herrschaften, diese Kapelle muss man einfach mal gesehen und gehört haben, sonst wandelt man einfach nur sinnlos über diesen Planeten. Frau Classen geht ja nun ebenso stramm wie unweigerlich in Richtung Fuffzich, was man ihr aber zu keiner Sekunde wirklich anmerkt. Die bierspuckende Trash-Metal-Furie "singt", als gäbe es kein Morgen. Ihre weibliche Konkurrenz - sofern vorhanden - rotzt sie locker an die Wand und so manchem gestandenen Sangesbarden zeigt sie, wo der Hammer tatsächlich hängt! Die Performance der Band wirkt wie aus einem Guss und gaukelt die Illusion vor, dass es die außerordentlich wechselhafte Geschichte der Hamburger Arschtreter nie gegeben hat. Das HORNS UP verwandelte sich in einen brodelnden Hexenkessel, sowohl vor als auch auf der Bühne, denn zum Finale holte die Krawalltorte gleich zwei Dutzend Leutchen aus dem Publikum auf die Bühne und dann ging es erst richtig los. Niemanden hätte es wohl gewundert, wenn sich plötzlich der Boden aufgetan hätte und das ganze Festival in einem rotglühenden Lavakrater auf Nimmerwiedersehen verschwunden wäre. Doch es nahm ein gutes Ende ... aber nicht bevor Sabina überschwengliche Dankesworte für 28 Jahre Fantreue ausgesprochen hatte und "To drunk to fuck" anstimmte - denn ohne diesen Track könne man die Bühne nicht verlassen! Dann verabschiedete sie sich noch von jedem einzelnen der Auserkohrenen on Stage ... und brav bis zahm winkend entschwand sie und mit ihr ein weiteres Kapitel der Musikgeschichte. Ganz große Oper!
HOLY MOSES
Gegen 23.30 kamen die Austausch-Headliner DISBELIEF zu potte, welche als Ersatz für MAROON antraten, die wegen Krankheit stornieren mussten. Keine schlechte Wahl, aber den wohl gehaltvollsten Act des Abends konnten DISBELIEFnicht mehr alle mitgehen. Die vorangegangene Action war dann wohl doch zu viel des Guten, was jedoch einen harten Kern nicht davon abgehalten hat, den Krachpoeten bis zum bitteren Ende Gesellschaft zu leisten. Die eher im mittleren Tempo angesiedelten Death(core)-Metaller wissen wie keine anderen, tiefgründige Brachialmelodik mit ebensolchen Texten zu kombinieren. Phantasie brauchen sie hierfür keine, denn die Geschichten, die das Leben schreibt, sind eh die schlimmsten! Das achte Album "Protected hell" weiß hiervon ein Liedchen zu singen. Somit klang der Abend eher nachdenklich aus, was -zumindest in meinem Fall- noch dadurch unterstrichen wurde, als mir die hohen Frequenzen irgendwie abhanden gekommen waren bzw. durch hörbares Schleifen und Kratzen ersetzt wurden. Dennoch waren die Hessen der drastisch- emotionale Höhepunkt des Abends, welcher dergestalt sicherlich noch eine ganze Weile nachklingen wird ...

Insgesamt ein sehr gelungenes Festival, wobei auch der Rahmen stimmte. Es ist nämlich keineswegs üblich, dass sich bei kleineren Events z.B. jemand für das leibliche Wohl der Angereisten interessiert. Ein Festival, welchem ich unlängst beiwohnte, bot eine einzige Fressbude, ein anderes überhaupt keine! In Meckesheim ist das völlig anders, wobei hier sogar die Fraktion der Vegetarier bedacht wurde. Ist auch kein Wunder, denn wenn sich ein örtlicher Verein und eine Band die Aufgaben teilen, ist der Erfolg vorprogrammiert. Ich persönlich finde die Legierung aus Metal-Kapelle und Kerwe-Verein ebenso drollig wie ungewöhnlich, aber es scheint bestens zu funktionieren. Und das nicht erst seit gestern, denn das HORNS UP ging schon zum dritten Mal über das beschauliche Dörflein nieder.

Von einem maßgeblichen Herrn des Vereins brachte ich im Verlauf einer sehr netten Unterhaltung einige interessante Details ins Erfahrung. Wegen zahlreicher Anzeigen aus den Reihen einiger Eingeborener dachte man zunächst daran, das dritte Festival gar nicht realisieren zu können. Hier wäre an Aufklärungsarbeit noch einiges zu leisten, da es schließlich bei fast jedem Dorffest (in der Umgebung) zu Schlägereien käme, die Metaller aber grundsätzlich friedlich wären! Man höre und staune! Ja und schließlich müsse man etwas für die Jugend tun, weshalb auch das vierte Event unbedingt statfinden soll. Das würde wahrscheinlich auch klappen, denn der Bürgermeister wäre recht offen in diese Richtung! Das ist wirklich mehr als erfreulich, vor allem wenn nun das Gerücht umgeht, das HORNS UP könnte auf ZWEI Tage erweitert werden! Möglichkeiten für Camping sind ebenfalls im Gespräch. Das könnte eine ganz große Nummer werden ...

Horns up, Meckesheim!


Thomas Lawall - Juli 2009
Fotos: Thomas Lawall


www.hornsup-festival.de/index.html
www.myspace.com/hornsupfestival

www.mkv85.de
www.meckesheim.de



Weitere Fotos vom HORNS UP

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