LACRIMOSA "Echos" (2003)
Gestylte Neoklassik
Ach Mist - das wird wieder so eine graue Ambivalenz hier! Warum, ach warum kann ich nicht schweigen? Wo doch meine Schreie längst verstummt sind...
Man legt im Hause Lacrimosa Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Perfekt ist die Choreografie der faszinierenden Fotos. Die genial gebügelte Ästhetik ist hübsch anzusehen. Alles nur vom Feinsten und erlesen die Accessoires. Der Sinn dieser geschniegelten Modenschau entzieht sich allerdings meinem unterentwickelten Begriffsvermögen. Denn auf mich wirkt die inszenierte Welt dieser bis ins letzte Detail durchgestylten Selbstdarstellung eher steril und kalt.
Mit der edlen Musikalität verhält es sich ähnlich. Wohlgemerkt: Niemand kann sich ihr wohl entziehen! Magisch zieht sie an und es ist völlig klar, dass es sich bei "Echos", dem achten Longplayer von Lacrimosa, um ein berauschendes Meisterwerk der lyrischen Melancholie handelt, ob einem das Ganze nun gefällt oder nicht!! Technisch lässt die unglaubliche Perfektion der Produktion keinerlei Wünsche offen! Doch trotz sanfter Ergriffenheit kann ich mir ein vornehmes Gähnen mitunter nicht verkneifen. Diese Filigranarbeit der Eleganz wirkt unnahbar und seltsam der Welt entrückt! Ein lauer Sommerwind der Hoffnung, der gnadenlos 'gen Norden zieht...
Den exklusiven Texten fehlt es an Spontanität. Die wohldosierten Worte scheinen einzeln auf der Goldwaage nach Gehalt geprüft, ja regelrecht von einer Art Germanistik-Designer entworfen zu sein. ...Einen "Hauch von Menschlichkeit" suche ich ebenfalls schon lange. Mir ist aber klar, dass ich diesen niemals in einer Tiefkühltruhe finden werde!
Von wegen Klassik ist tot. Tilo Wolff beweist mit der Overtüre "Kyrie" eindrucksvoll und überaus eindringlich das Gegenteil! Und mit dem letzten Stück "Die Schreie sind verstummt" erst recht. Denn zu Beginn seines Requiems streift er das Niveau einer Bachkantate! Eine höhere "Qualitätsstufe" gibt es bekanntlich nicht! DA CAPO, kann ich da nur sagen!!!
Fazit eines Unwürdigen: Selten habe ich mich so gelangweilt, wenn auch auf allerhöchstem Niveau! Und nun verstummen meine Schreie... endgültig...
... oder doch nicht? Muss mir eben nochmal "Sacrifice" geben - ein Kunstwerk aus blutrotem Samt und schneeleichter Seide... Ach Mist - das ist wieder eine von den Scheiben, die erst...
Was soll ich noch sagen? Ich war doch sowieso schon einmal hier...
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Tracklist:
01. Kyrie - Overture 02. Durch Nacht und Flut - Suche Part 1 03. Sacrifice - Hingabe Part 1 04. Apart - Bittruf Part 1 05. Ein Hauch von Menschlichkeit - Suche Part 2 06. Eine Nacht in Ewigkeit - Hingabe Part 2 07. Malina - Bittruf Part 2 08. Die Schreie sind verstummt - Requiem für drei Gamben und Klavier
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Line-up:
Tilo Wolff: Piano, programing, voice Anne Nurmi: Keyboards, voice
with
Jay P.: Electric & acoustic Guitars & Basses & Melotron Manne Uhlig: Drums / Thomas Nack: Drums Catharina Boutari: Sopran / Raphaela Mayhaus: Sopran Bettina Hunold: Sopran / Uli Brandt: Alt Melanie Kirschke: Alt / Ursula Ritter: Alt Yenz Leonhard: Tenor / Olaf Senkbeil: Tenor Klaus Bülow: Tenor / Frederick Martin: Bass Joachim Gebardt: Bass / Rosenberg Ensemble: Chor Stefan Pintev: 1st Violine / Rodrigo Reichel: 2nd Violine Sebastian Marock: Viola / V. Sondeckis: Cello & Gamben Katharina Bunners: Doublebass / Deutsches Filmorchester Babelsberg Spielmann-Schnyder Philharmonie / Ludgar Hendrich: Konzertmeister Christopher Clayton & Günter Joseck: Conductors
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