CD-Review

KINO "Picture" (2005)

Neo-Prog-Pop


Gute fünf Minuten hat's gedauert, bis die Scheibe gezündet hat. Die Takte davor habe ich nicht verstanden - der vermeintlich banale Rock-Brei -mit integriertem Beatlesversatz- verärgerte gar. Doch im Mittelteil des Openers "Losers Day Parade" setzt die Kiste plötzlich zur Landung an und verlässt undurchsichtiges Gewölk.

Vor der Landung wird Groß-Progheim glatt überflogen. Statt dessen setzt die Maschine auf freiem Gelände auf und kommt auf halbem Weg zum Mainstream-Ozean zum Stehen. Großartige Aussicht hier: Hinten das Frickelgebirge und am Horizont das gewaltige Reibach-Delta, welches den genannten Ozean am Leben erhält.

An den Stränden stehen ganze Horden Ottos von Normalöhrchen auf Zehenspitzen, um zu sehen, was denn da für ein Vehikel gelandet ist, und ebenso lange Hälse bekommen die Frickel-Climber auf der anderen Seite. Scheint für beide Parteien interessant zu sein. Zwei Welten, die sich entweder bekriegten oder schlicht ignorierten, treffen nun aufeinander...

... also dieses Projekt (dem Label sei gedankt: Gute Idee, Herr Waber!) der bekannten Herren von Marillion, It Bites, Porcupine Tree und Arena halte ich für mehr als "nur" einen genialen Eintagsabräumer. Denn hier ist eine mehrere Quadratkilometer große, ganz neue Harmonie-Lehre entstanden! Das Missing-Link zwischen Prog und Pop!

Und diese neue Harmonie erzeugt keineswegs eine gewaltige Leere, sondern eine großartige, lichtdurchflutete, musikalische Blumenwiese. Ich bin restlos begeistert und bevor ich mir hier wieder einen abbreche, versuche ich auf den Punkt zu kommen bzw. mein "Brainstorming" (mache ich immer so) auf das Wesentliche zusammenzustreichen.

Zwei Welten also? Ja mindestens! Kein endloses Prog-Gedudel auf der einen und kein Pop-Kitsch auf der anderen Seite. Super-Songs einer ebensolchen Band, die (sich) einfach glasklar arrangiert und auf jeden schnörkeligen Bombast verzichtet hat und dabei das Kunststück fertig bringt, sich keineswegs in schäbigen Seichtlands zu prostituieren.

Gabriel und YES für ALLE könnte man sagen! Jaja... das hinkt ganz gewaltig, denn auf dieser gigantischen Leinwand gibt es noch weitaus mehr Band-Zitate zu entdecken, aber wir wollen ja nicht alles verraten. Ist in diesem Fall sowieso müßig, denn der musikalische Erbsenzähler sei dahingehend gewarnt, dass es sich dabei jeweils nur um Spurenelemente handelt.

Wie dem auch sei - ich jedenfalls habe in diesem Kino genüsslich Platz genommen und ich werde hier so lange warten, bis der nächsteTeil dieser freundlich-großartigen Ohrenparade gegeben wird, und ich bin mir ganz sicher, dass dies nicht sehr lange dauern wird.

Fazit: Flurbereinigter Progressiv-Rock. Kopflastiger Mainstream. Sehr vornehm!


Thomas Lawall - Februar 2005
 

 

Tracklist:

01. Losers Day Parade
02. Letting Go
03. Telling Me To Tell You
04. Swimming in Women
05. People
06. All You See
07. Perfect Tense
08. Room For Two
09. Holding On
10. Picture

Line-up:

Pete Trewavas: Bass
John Beck: Keyboards
Chris Maitland: Drums
John Mitchell: Guitars, Vocals

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